Chinas Einfluss auf Russlands Fernen Osten: Ressourcen, Abhängigkeit und Geopolitik

Chinesische Bauunternehmer bauen Straßen, chinesische Bauern bewirtschaften das Land und chinesische Banken vergeben Kredite – im östlichen Teil Sibiriens. Unbeachtet von der westlichen Öffentlichkeit übernimmt Peking die Kontrolle und verwandelt den Fernen Osten in seine Speisekammer für Soja und Fischerei und sein Rohstoffdepot für Öl, Gas, Mineralien, Holz.
Titelbild
Von einem Ausflugsboot aus betrachten Touristen die Brücke über den Amur, die die russische Stadt Blagoweschtschensk mit der chinesischen Stadt Heihe verbindet.Foto: PROMT8/iStock
Von 5. September 2025

In Kürze:

  • China übernimmt schrittweise die Kontrolle über den russischen Fernen Osten.
  • Finanztechnisch werden über 95 Prozent des Handels in Yuan abgewickelt.
  • Politisch dosiert Peking seine Unterstützung geschickt.
  • Russland nimmt an der „Belt and Road Initiative“ teil. Die formale Souveränität bleibt gewahrt, während gleichzeitig die Bedingungen diktiert werden.

 

Stellen Sie sich vor, Sie schlendern durch die Straßen von Blagoweschtschensk oder Wladiwostok im russischen Fernen Osten, der Pazifikregion Russlands. Was Ihnen ins Auge fällt, ist weder die Architektur aus der Sowjetzeit noch die weiten sibirischen Landschaften – es ist der allgegenwärtige chinesische Einfluss.

Ladenschilder, Speisekarten, Hotelbroschüren und sogar manche Straßenschilder tragen chinesische Schriftzeichen. Ende 2024 fotografierten Einwohner von Blagoweschtschensk neun Straßenschilder in der Innenstadt, die nur auf Chinesisch Richtungsangaben machten. Aufkommende Beschwerden führten schließlich dazu, dass sie durch zweisprachige Versionen ersetzt wurden.

Es handelt sich nicht um eine chinesische Übernahme, sondern um ein sichtbares Zeichen eines tiefgreifenden Wandels: Diese Städte orientieren sich zunehmend gen Süden und zielen auf Handel, Tourismus und Investitionen aus dem benachbarten China ab.

Zwei neue wichtige Verbindungen zwischen den beiden Ländern entstanden in den vergangenen Jahren. Die erste war eine Straßenbrücke, die zwischen Russland und China im Juni 2022 zwischen Blagoweschtschensk und Heihe eingeweiht wurde. Dann folgte die erste Eisenbahnbrücke zwischen Nischneleninskoje und Tongjiang im November 2022.

Diese Übergänge haben den Fluss Amur von einem Hindernis in eine wichtige Verkehrsader verwandelt, die den Transport von Menschen, Holz, Erz und Konsumgütern in beide Richtungen ermöglicht.

Übernimmt China die Kontrolle über den russischen Fernen Osten? Genau das scheint zu passieren – allerdings nicht mit Panzern, sondern durch Wirtschaft, Infrastruktur und einen subtilen Einfluss, der die Region enger an Peking als an Moskau bindet.

Aussichtspunkt mit Blick auf die Solotoi-Brücke in Wladiwostok. Es handelt sich um eine Schrägseilbrücke über das Goldene Horn der Stadt im Fernen Osten Russlands. Foto: saiko3p/iStock

Der strategische Reichtum Ostrusslands

Dieses Phänomen spiegelt eine größere Dynamik im Osten Russlands wider, der als Sibirien bekannt ist – eine riesige Region, die sich vom Uralgebirge bis zum Pazifik erstreckt und mehr als 13 Millionen Quadratkilometer oder 77 Prozent der Landesfläche umfasst. Sibirien ist eine wahre Schatzkammer an Ressourcen, die seit Jahrhunderten Begehrlichkeiten der Weltmächte weckt.

Die Energieressourcen der Region sind legendär: Bedeutende Öl- und Gasvorkommen werden über Pipelines transportiert, etwa die Ostsibirien-Pazifik-Pipeline (ESPO), die Rohöl direkt nach China liefert, oder die Power-of-Siberia-1-Pipeline, die China seit 2019 im Rahmen eines 30-Jahres-Vertrags mit Gas versorgt.

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Auch Mineralien gibt es reichlich: Gold, Palladium und Seltene Erden, die laut dem russischen Ministerium für natürliche Ressourcen im Februar 2025 insgesamt 658 Millionen Tonnen ausmachten. Sibirien liefert zudem mehr als die Hälfte des weltweiten Palladiums, das für Autokatalysatoren und Elektronik unverzichtbar ist.

An der Oberfläche bieten boreale Wälder Holz für Exporte, während auf von chinesischen Unternehmen gepachteten Ackerflächen Soja für den chinesischen Markt angebaut wird.

Das Ochotskische Meer und die Pazifikküste sind wahre Goldgruben für die Fischerei – vorwiegend für Lachs, Seelachs und Krabben. Allein im Februar 2025 fingen russische Flotten mehr als 330.000 Tonnen Seelachs. Fachleute schlagen für 2026 eine Quote von 2,42 Millionen Tonnen vor. Die Region hat einen erheblichen Anteil am weltweiten Fisch- und Meeresfrüchtehandel – historisch gesehen um die 10 Prozent –, wobei die genauen Zahlen je nach Quote und Wetterbedingungen schwanken.

Am 18. August 2020 während der Arbeiten für den Bau einer gigantischen Erdölraffinerie in der Nähe von Svobodnoi – gebaut vom russischen Petrochemiekonzern SIBUR und China. Foto: Dimitar Dilkoff/AFP via Getty Images

Strategisch gesehen liegt der Ferne Osten Russlands, der an China, die Mongolei, Nordkorea und den Pazifik grenzt, näher an Peking oder Tokio als an Moskau – eine gleichsam verwundbare Grenze für Russland und ein Ziel für Einflussnahme.

Pekings subtile Integration

Pekings Ansatz basiert nicht auf offener Eroberung, sondern auf geduldiger Integration in die Region durch Pipelines, Finanzierung und Beharrlichkeit.

ESPO und die „Power of Siberia 1“ stabilisierten Russlands Exporte nach China, während Peking deren Bau finanzierte, um vergünstigten Zugang zu Öl und Gas zu erhalten. Der Bau der Power-of-Siberia-2-Pipeline, einer geplanten Erweiterung durch die Mongolei, lag Stand Mai 2025 jedoch auf Eis. China nutzt Russlands Notlage, um bessere Konditionen durchzusetzen.

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Im Finanzsektor dominiert die chinesische Währung Yuan, insbesondere nach dem Inkrafttreten der westlichen Sanktionen gegen Russland durch den Ukraine-Krieg. Mehr als 95 Prozent des Handels zwischen Russland und China werden in Yuan oder Rubel abgewickelt. Das Handelsvolumen ist stabil geblieben – 106,48 Milliarden US-Dollar (91,3 Milliarden Euro) im ersten Halbjahr 2025 –, obwohl das Handelsvolumen um 9 Prozent zurückging.

Russland wird so zum Testfeld für den Yuan. Gleichzeitig können chinesische Banken Zahlungen verzögern oder blockieren, da sie US-Sekundärsanktionen fürchten – ein De-facto-Vetorecht für Peking.

Auch der Warenhandel folgt diesem Muster: Westliche Automarken haben Russland nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs 2022 verlassen. Chinesische Autos füllten die Lücke und hielten im ersten Halbjahr 2025 55 bis 57 Prozent des Marktes. Das ist ein leichter Rückgang gegenüber 60 Prozent im Jahr 2024 aufgrund höherer Zölle und „Recyclinggebühren“, die Moskau zum Schutz lokaler Hersteller einführte. Elektronik, Maschinen und Konsumgüter folgen dem Trend und überschwemmen die russischen Ladenregale mit Produkten „Made in China“.

Arbeiter schweißen am 13. Oktober 2006 eine Verbindungsstelle der Ostsibirien-Pazifik-Pipeline in der sibirischen Region Tynda-Skovorodino. Foto: STR/AFP via Getty Images

Wälder, Landwirtschaft und Fischerei stärken die chinesisch-russischen Beziehungen: Chinesische Unternehmen pachten riesige Landstriche in der Region Transbaikalien. Sie fällen Holz im Rahmen von Konzessionen, während ihre Flotten die pazifische Fischerei dominieren, die Verarbeitung in China vornehmen und Abhängigkeiten hinsichtlich der Ernährungssicherheit schaffen.

Wirtschaftliche Asymmetrien und lokale Abhängigkeiten

Für die Gouverneure des russischen Fernen Ostens ist dies keine unwillkommene Entwicklung – es geht um ihr Überleben. Moskaus jahrzehntelange Vernachlässigung der Region geht auf die postsowjetische Ära zurück, als der Zusammenbruch der zentralen Planwirtschaft zu schweren wirtschaftlichen Verwerfungen und einer erheblichen Abwanderung der Bevölkerung führte.

Seit 1991 hat der russische Ferne Osten mehr als ein Viertel seiner Bevölkerung verloren. Sie schrumpfte von rund 8 Millionen auf rund 6 Millionen. Offizielle Zahlen nennen einen Rückgang von 1,75 Millionen allein zwischen 1990 und 2010.

Dieser Bevölkerungsschwund wurde durch chronische Unterinvestitionen der Zentralregierung verstärkt, was zu maroder Infrastruktur, unzureichender Gesundheitsversorgung, Bildung und Verkehrsnetzen führte. Diese Unterentwicklung und Unterfinanzierung setzen sich weiterhin fort.

Viele Einwohner beklagen, dass Moskau die westlichen Regionen bevorzugt und den Fernen Osten trotz seines Rohstoffreichtums wie eine abgelegene Peripherie behandelt. Dies verschärft Probleme wie hohe Lebenshaltungskosten, raues Klima und fehlende Arbeitsplätze, sodass viele nach Westen abwandern, vor allem in Städte wie Moskau oder St. Petersburg.

In der Siedlung Churapcha, die etwa 135 Kilometer von der ostsibirischen Stadt Jakutsk entfernt liegt. (Symbolbild) Foto: Stringer/AFP via Getty Images

Programme zur Ansiedlung von ethnischen Russen im Osten blieben erfolglos. Die Infrastruktur ist in einem schlechten Zustand und veranlasst Regionalpolitiker, nach Alternativen zu suchen – und sich an Peking zu wenden, das Liquidität, Arbeitskräfte und Projekte bereitstellt.

Chinesische Bauunternehmer bauen Straßen, chinesische Bauern bewirtschaften das Land und chinesische Banken vergeben Kredite. Das Ergebnis? Eine Region, die wirtschaftlich stärker an die chinesische Provinzhauptstadt Harbin angelehnt ist als an den Kreml.

Eine unausgewogene Partnerschaft

Diese Asymmetrie verändert die chinesisch-russischen Beziehungen und widerlegt die Rhetorik einer „grenzenlosen Partnerschaft“, die Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping im Jahr 2022 verkündeten. Im Energiesektor zwingen Chinas Verzögerungen bei der Fertigstellung der Pipeline „Power of Siberia 2“ Moskau zu einem Preisnehmer, da Europa als Markt unerreichbar ist. Die Dominanz des Yuan bietet Stabilität – und setzt Russland den Launen Pekings aus.

Die regionale Integration zieht die russischen Provinzen im Fernen Osten in Richtung ihres südlichen Nachbarn, zumal dessen Märkte und Investoren näher beieinanderliegen.

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Politisch dosiert Peking seine Unterstützung geschickt: gerade genug, um Russland über Wasser zu halten, aber nicht genug für eine echte Partnerschaft. Nehmen wir das Beispiel Iran: Angesichts der Spannungen mit Israel hat China dem Iran keine militärische Unterstützung angeboten und der Sicherheit seiner Ölversorgung Vorrang vor der Verteidigung seines „Partners“ eingeräumt.

Es ist eine Frage des Geschäfts: Peking soll mit minimalem Risiko Zugang erhalten.

Die Strategie des chinesischen Parteistaats

All dies entspricht der Langzeitstrategie der Kommunistischen Partei Chinas.

Ostrussland sichert Chinas Rohstoffversorgung mit Öl, Gas, Metallen und mehr, indem es maritime Schwachstellen wie die Straße von Malakka umgeht, wo die US-Seemacht die Versorgung abwürgen könnte.

Russland bietet einen fruchtbaren Boden für die Internationalisierung des Yuan. 95 Prozent des Handels werden in lokalen Währungen abgewickelt. Damit erweist sich das Land als Vorbild für die anderen Partner Pekings im Rahmen seines gigantischen Programms „Belt and Road Initiative“. Die Neue Seidenstraße zielt darauf ab, Pekings geopolitischen Einfluss weltweit durch Investitionen in verschiedene Infrastrukturprojekte zu stärken.

Russlands Präsident Wladimir Putin (7. v. l.) und der chinesische Staatschef Xi Jinping (8. v. l.) am 18. Oktober 2023 in Peking – sowie Vertreter, die am dritten Belt and Road Forum teilnehmen. Foto: Grigory Sysoyev/POOL/AFP via Getty Images

Die Abhängigkeit stärkt den Einfluss des chinesischen Regimes: Kredite und Infrastrukturprojekte gestalten sich ähnlich wie für den afrikanischen Bergbau oder lateinamerikanische Ölbohrungen. Die formale Souveränität bleibt gewahrt, während die Bedingungen diktiert werden. Gleichzeitig stärkt dies das chinesisch-russische Bündnis als Teil von Pekings Strategie der globalen Vorherrschaft.

Engere Beziehungen treiben einen Keil zwischen Russland und den Westen und verhindern jegliche Annäherung, die zu einer Neuausrichtung Moskaus führen könnte.

Historische Trends in den chinesisch-russischen Beziehungen

Doch China und Russland waren nicht immer enge Verbündete. Peking erinnert sich an die Gebietsverluste nach den „Ungleichen Verträgen“ von Aygun (1858) und Peking (1860). Damals annektierte das zaristische Russische Reich nach der chinesischen Niederlage im Zweiten Opiumkrieg einen riesigen südöstlichen Teil Sibiriens, einschließlich der heutigen Gebiete des russischen Fernen Ostens mit dem strategischen Hafen Wladiwostok.

Obwohl Stalins UdSSR und Maos kommunistisches Regime, das 1949 in China an die Macht kam, enge Verbündete waren, verschlechterten sich die Beziehungen gegen Ende der 1950er-Jahre. Mitte der 1960er-Jahre kam es zum Bruch, was sogar zu militärischen Auseinandersetzungen führte.

Chadan in der südöstlichen Republik Tuwa, Russland: Der farbenfrohe Eingangsbogen eines neuen Ustuu-Huree-Tempels. Die Einwohner sind überwiegend tibetische Buddhisten. Foto: Vera Tikhonova/iStock

Die USA und ihre Verbündeten sahen die sichtbare Verschlechterung der Beziehungen zwischen Peking und Moskau als Chance, China vom sozialistischen Lager zu trennen. Sie hofften zudem, dass China dank der Entwicklung einer Marktwirtschaft zunehmend Unternehmertum und universelle Werte annehmen, die Transformation seines totalitären Systems abschließen und ein demokratisches Land werden würde.

Nachdem das Land jedoch von massiven westlichen Investitionen und Technologien profitiert hatte, behielt es seine totalitäre Natur bei. Es wurde mit der Zeit zunehmend diktatorischer und näherte sich Russland – dem Erben der Sowjetunion – an. Die allmähliche Verbesserung der Beziehungen zwischen Peking und Moskau führte zur 2022 verkündeten „grenzenlosen Partnerschaft“.

Die aktuelle Situation der beiden Länder ist jedoch unterschiedlich: Russland ist ein belagertes Imperium auf der Suche nach Verbündeten, während das kommunistische Regime in Peking vor allem seine Wirtschaftsmacht nutzt, um nach globaler Vorherrschaft zu streben.

Der Artikel erschien im Original in der englischsprachigen Ausgabe der Epoch Times unter dem Titel „China’s Quiet Grip on Russia’s Far East: Resources, Dependency, and the Geopolitical Wedge“. (deutsche Bearbeitung ks)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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