Über die akustische Selbstaufgabe im öffentlichen Raum

Der moderne Mensch wird in Supermärkten und Restaurants kontinuierlich akustisch beeinflusst. Dauerbeschallung durch Instore-Radio und unpassende Musik reduziert die Fähigkeit zur Konzentration und stört das Genusserlebnis. Stille wird so zu einem seltenen Gut, das bewusst verteidigt werden muss.
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Foto: Markus Langemann, Canva, Bildmontage: Epoch Times
Von 20. November 2025

Es gibt Tage, da wünscht man sich, der liebe Gott hätte bei der Vertreibung aus dem Paradies den Menschen nicht mit Mühsal, sondern mit Stille belegt. Ein einziger Erlass hätte genügt: „Du sollst nicht dudeln.“

Doch dieses Gebot existiert nicht. Und so schreiten wir – wehrlos, geschundene Kreaturen des modernen Einzelhandels – durch akustische Landschaften, die einem akustischen Burleske-Theater gleichen, nur ohne Burleske, dafür mit „Africa“ von Toto, längst totgedudelt, aus der Supermarktdecke hängend.

Restaurants zwischen Elektro und Dudellawinen

Der Mensch des 21. Jahrhunderts lebt nicht mehr mit Klang, er wird vom Klang durchregiert. Instore-Radio – ein Begriff, der so tut, als sei er harmlos, als sei er ein kleiner, freundlicher Kobold im Konsumtempel, der uns mit sanften Tönen zum Griff ins Regal verführen will.

Tatsächlich aber ist er eine PsyOp mit den besten Hits der 80er und 90er, sobald wir die automatische Schiebetür passieren. Dort landet man unter einer Art Klangkäseglocke, die den Willen lenken soll, zusammen mit dem armen „Africa“.

Seit Jahrzehnten missbraucht, seziert, zu Tode moduliert, ein Lied, das einst von Sehnsucht und Ferne handelte, nun reduziert auf einen akustischen Antriebsriemen zwischen Dosentomaten und Tiefkühlfisch.

Man fragt sich unweigerlich: Warum diese Dauerbeschallung? Weil der Kunde laut Handbuch angeblich entspannter kauft, wenn im Hintergrund etwas dudelt, das er aus seiner Kindheit kennt? Oder weil man ihm subtil vermitteln will, dass er nicht allein ist, dass irgendwo hinter den Regalen ein unsichtbarer Moderator mit einem Zahnpastalächeln sitzt und sagt: „Bleiben Sie dran, gleich kommt Oscar Peterson“?

Nichts gegen Zuversicht, aber das ist zu viel Optimismus pro Quadratmeter.

Klangterror zwischen Keramikfliesen und Basilikum

Noch bedrückender wird es in Restaurants unterhalb der Haute Cuisine, in jenen Lokalen, die von sich glauben, sie seien die ehrlichen Herbergen der „guten Küche“. Schön wär’s.

Der wohlmeinende Gast betritt den Raum, nimmt Platz, bestellt ein frisch gezapftes Bier – und sogleich fällt er dem Musikgeschmack des Inhabers zum Opfer, einem Geschmack, der auffällig oft so treffsicher ist wie ein Darts spielender Maulwurf.

Ich denke oft, die hören selbst nicht mehr, was sie hören. Entweder ist die Musik zu laut oder zu leise, und doch gleichzeitig aufdringlich, oder sie ist progressiv-irgendwas, eine Kategorie, die nur jene kennen, die sich selbst für visionär halten, aber von Taktgefühl ungefähr so viel verstehen wie ein Akkuschrauber von Belcanto.

Und dann gibt es jene Restaurants, die einfach die Antenne-Bayern-Pipeline öffnen – einen plastischen Strom aus akustischem Bauschaum, der alles zudeckt, was sich nach Atmosphäre anfühlen könnte.

Man sehnt sich nach dem gepflegten Italiener, den man früher kannte, dort, wo der Kellner unaufgeregt den Amarone brachte, während im Hintergrund Pupo sang, Drupi flüsterte oder Al Bano und Romina ihren sentimentalen Gleichklang entfalteten. Diese Musik roch nicht nach Verkaufspsychologie, sondern nach warmen Sommerabenden, Vespa-Abgasen und dem Gefühl, dass irgendwo in Sichtweite ein Meer liegt.

Heute dagegen sitzt man zwischen Keramikfliesen und Basilikumtöpfen, während aus der Box eine basslastige Elektrosuppe wabert, die zu Nudeln ungefähr so passt wie ein Presslufthammer zu einem Gedicht von Benn. Der Mensch wird nicht mehr bewirtet, er wird beschallt.

Das Mahl ist nur Kulisse für den Soundtrack eines Abends, den niemand bestellen wollte.

Stille als seltenes Gut

Vielleicht ist es das, was an der akustischen Umweltverschmutzung so kränkt: Sie beraubt uns einer Fähigkeit, die leiser ist als Vernunft – der Fähigkeit zur Konzentration, zur Kontemplation, zum einfachen Sein.

Stille ist ein seltenes Wildtier geworden. Man sieht es kaum noch, und wer es einfangen will, muss weit reisen oder sich einen Keller aus Ziegeln errichten.

Manchmal frage ich mich, ob es nicht radikalere Maßnahmen bräuchte, ein Gesetz, das in Supermärkten nur Klänge erlaubt, die älter sind als die Ladenfläche. Gregorianische Choräle zwischen Gemüse und Obst – das hätte Würde – oder italienische Cantautori in Ristoranti, die wirklich italienisch sein wollen. Es gäbe Schlimmeres. Aber ich fantasiere.

Bis dahin bleibt uns nur die stille Rebellion: das bewusste Ignorieren, das innere Ausfaden, die Selbstbehauptung im Klangsturm und vielleicht ein gut dosierter Tagtraum, der sich über die Lautsprecher legt wie ein weiches Tuch.

Ich für meinen Teil werde weiterhin versuchen, die Null-Linie zu halten: kein Radio im Auto, weder Gender-Sender wie Deutschlandfunk noch andere Dulli-Dudelfunker, auch kein „Africa“ beim Einkaufen. Ich lasse mir das Zeug einfach bringen.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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