Vom Hochmut der Deutschen – und dem sanften Fall einer moralischen Großmacht

Der deutsche Wohlstand, auf dem unsere moralische Überheblichkeit thronte, ist brüchig geworden. Die Selbstgewissheit, mit der man anderen Nationen den Weg zu Demokratie und Gerechtigkeit erklären wollte, steht auf tönernen Füßen. Nur der Ton, der ist geblieben – als Hochmut in einer Art Hochglanzversion.
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Der deutsche Hochmut tarnt sich als Verantwortung, als Fürsorge, als „Wertegeleitetheit“. Doch unter dem Mikroskop zeigt sich: Es ist der alte deutsche Hang zur Norm und zur Belehrung.Foto: Markus Langemann, Canva, Bildmontage: Epoch Times
Von 2. November 2025

Es ist ein seltsames Land, dieses Deutschland. Einst lag seine Größe in der Schwere seiner Denker, in der Wucht seiner Musik, in der Tiefe seiner Dichter. Heute liegt sie – so scheint es – im moralischen Tonfall. Wir sind nicht länger das Land der Dichter und Denker, sondern das der Lehrer. Und zwar der selbst ernannten.

Hochmut, das ist ja keine deutsche Erfindung. Doch in Deutschland hat er einen besonders feinen Schliff erhalten – eine Art Hochglanzversion der Tugend, ein überzogenes Selbstbewusstsein, das sich gern als Haltung ausgibt. Die Deutschen, so sagte der deutsch-französische Publizist Alfred Grosser einmal, seien immer „die Guten“ gewesen. Und: „Wir schreiben schwarze Zahlen.“ – Nun, die Zahlen sind längst rot. Tiefrot. Und sie leuchten – nicht vor Tugend, sondern vor Defizit.

Weltverbessernd, aber nie weltverstehend

In einem Gespräch mit dem bedeutenden deutschen Vermögensverwalter Dr. Markus C. Zschaber habe ich das kürzlich herausgearbeitet: Der Wohlstand, auf dem diese moralische Überheblichkeit thronte, ist brüchig geworden. Die Selbstgewissheit, mit der man anderen Nationen den Weg zu Demokratie und Gerechtigkeit erklären wollte, steht auf tönernen Füßen. Nur der Ton – der ist geblieben.

Ich begegne ihm oft, diesem Ton. Er klingt in Konferenzen, in Gremien, in Pressetexten. Er hat etwas Belehrendes, etwas Weltverbesserndes – aber nie Weltverstehendes. Er spricht aus Sätzen wie: „Wir wissen, wie Demokratie funktioniert – und wir sagen Euch, wie ihr es machen müsst.“

Außenpolitik als Oberseminar

Man könnte meinen, die deutsche Außenpolitik sei ein Oberseminar. Nur dass die Gäste nicht freiwillig erscheinen.

Nehmen wir das Beispiel aus jüngerer Geschichte: die sogenannte feministische Außenpolitik. Am 1. März 2023 wurde sie vom Auswärtigen Amt vorgestellt – ein Konzept, das in seiner Selbstdefinition kaum noch außenpolitisch, sondern vor allem identitätspolitisch ist. Frauenrechte, Repräsentation, Teilhabe – alles noble Begriffe. Doch aus edler Idee wird schnell Exportware, wenn sie mit missionarischem Eifer getragen wird.

So schreibt ein Analyst der Carnegie-Stiftung: „Auch wenn das deutsche Außenministerium behauptet, Rechte und Repräsentation in den Mittelpunkt zu stellen […] untergräbt es durch seine koloniale Denkweise genau diese Rechte.“

Ein hartes Urteil – aber ein zutreffendes.

Austausch heißt: Von uns Deutschen lernen

Denn der deutsche Hochmut reist mit. Ob als Kulturpolitik über das Goethe-Institut, als Entwicklungsprogramm des Entwicklungsministeriums oder als Bildungsoffensive des Deutschen Akademischen Austauschdiensts – immer ist da ein unterschwelliger Unterton: Wir wissen, wie man das richtig macht.

Unsere Partnerländer sollen partizipieren – aber bitte in unseren Kategorien. Austausch heißt dann nicht mehr: voneinander lernen, sondern: von uns lernen.
In der Theorie heißt das „Interaktion auf Augenhöhe“. In der Praxis heißt es: Wir stehen oben – und reichen Euch die Hand.

Ich erinnere mich an ein Abendessen auf einem Schiff, irgendwo zwischen hier und dort. Links und rechts saßen amerikanische und englische Paare. Irgendwann kam – unausweichlich – das Thema auf „die Deutschen“.

Man amüsierte sich herzlich über unsere Gründlichkeit, unsere Bürokratie, unsere neuen Formen der Selbstverwirklichung. Einer der Gäste meinte: „Man kann jetzt jedes Jahr sein Geschlecht wechseln, stimmt das? So wie bei der Fruchtfolge?“

Ich lächelte, doch meine Rückhand blieb im Netz hängen.

„Selbstironische Souveränität ist nicht unsere Stärke“, sagte ich. „Wir erklären lieber. Und wir nehmen uns selbst bitterernst – auch dann, wenn andere längst lachen.“

Jüngst traf ich einen Mann Mitte vierzig, doppelte Staatsbürgerschaft – deutsch und US-amerikanisch. Er sagte mir, er gebe sich im Ausland stets als Amerikaner aus. Er habe Hemmungen, zu sagen, er sei Deutscher.

Wie weit ist ein Volk gekommen, das sich seiner selbst schämt – und gleichzeitig moralisch über alle anderen erhebt?

Wir exportieren Werte, aber keine Wärme

Szenenwechsel: Vor wenigen Tagen saß ich auf einer spanischen Insel mit baskischen Fußballfans am Tisch. Sie schwärmten von Fußballlegende Hans-Peter Briegel, „der Walz aus der Pfalz“, der Maradona einst die Stirn bot – kraftvoll, aufrecht, ohne Pathos. Ich war beeindruckt.

Doch noch mehr beeindruckte mich, mit welcher Leidenschaft sie über ihr Land sprachen: voller Feuer, voller Stolz, voller Liebe. Eine Stunde lang erzählten sie wild gestikulierend von den Bergen, vom Meer, von ihrer Heimat, als spräche das Land selbst durch sie. Da wurde mir klar: Hier gilt es zu lernen.

Wir exportieren Werte, aber keine Wärme. Wir senden Programme, aber keine Zuneigung. Wir erklären Demokratie, aber leben sie nur bedingt. Wir reden von Vielfalt – und dulden kaum Widerspruch.

Überformung der Welt nach dem eigenen Maßstab

Man könnte meinen, der Hochmut habe sich bei uns in die Regierung eingeschlichen wie ein Virus mit besonders langer Inkubationszeit.

Er tarnt sich als Verantwortung, als Fürsorge, als „Wertegeleitetheit“. Doch unter dem Mikroskop zeigt sich: Es ist der alte deutsche Hang zur Norm, zur Belehrung, zur Überformung der Welt nach dem eigenen Maßstab.

Die Kulturpolitik nennt man stolz „die dritte Säule der Außenpolitik“. Ein schönes Bild – nur: Wer auf Säulen steht, steht selten auf Augenhöhe.

Und so zeigt sich das Wesen des deutschen Hochmuts in paradoxem Glanz:

Er ist überzeugt, bescheiden zu sein.

Er predigt Demut, aber aus sicherer Höhe.

Er will Frieden – und belehrt die Welt im Ton des Siegers.

Alfred Grosser, der Frankreich kannte wie kaum ein anderer, sah darin das eigentliche Missverständnis: Deutschland verwechsele Moral mit Anstand, und Tugend mit Überlegenheit.

Vielleicht ist es Zeit, diese Verwechslung zu korrigieren.

Denn der Hochmut ist ein schlechter Lotse. Und wenn die Geschichte eines lehrt, dann dies: Hochmut kommt vor dem Fall.

Nun, wir fallen. Und vielleicht – nur vielleicht – lernen wir dort unten, was Augenhöhe wirklich bedeutet.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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