Zwischen Wertfreiheit und Normen: Wo sich Bibel und Wirtschaft begegnen

Widersprechen sich die Prinzipien der Bibel und moderne Wirtschaftstheorien? Ein Blick auf die Verbindung zwischen biblischer Lehre und wirtschaftlicher Freiheit.
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Ist es echte Nächstenliebe, das Geld anderer großzügig auszugeben? Ist es Nächstenliebe, manchen zu helfen, indem man anderen mit Gewalt droht?Foto: Bohdan Bevz/iStock
Von 1. August 2025

Es ist nachvollziehbar, dass Menschen Bedenken haben, wenn die Bibel in Diskussionen über wirtschaftliche Fragen eingebracht wird. Die Bibel ist schließlich kein Wirtschaftstext. Sie behandelt wirtschaftliche Themen kurz und sporadisch, ohne viele Details oder Tiefgang. Daher überrascht es nicht, dass die wirtschaftlichen Implikationen der Bibel auf ganz unterschiedliche Arten wahrgenommen werden.

Die Bibel behandelt wirtschaftliche Themen auf beschreibende (wertfreie) und vorschreibende (wertbeladene, normative) Weise. Diese beiden Unterscheidungen sind von entscheidender Bedeutung.

Das Gesetz von Angebot und Nachfrage

In der Bibel wird beispielsweise eine Begebenheit beschrieben, in der das Gesetz von Angebot und Nachfrage während der Belagerung Samarias durch die Syrer zum Tragen kommt. (2. Könige 6,24-7,18) Wenn das Angebot sinkt, steigen die Preise, und wenn das Angebot steigt, sinken die Preise. Die Bibel bewertet das Wirkungsprinzip von Angebot und Nachfrage nicht. Dieses Wirtschaftsgesetz ist weder richtig noch falsch, sondern einfach die Art und Weise, wie die Welt funktioniert – so wertfrei wie die Feststellung, dass Feuer Holz verbrennt.

In der Bibel werden freiwillige Tauschgeschäfte lediglich beschrieben. Transaktionen, die Käufer und Verkäufer zu für beide Seiten akzeptablen Preisen tätigen, werden als alltäglicher Bestandteil des Lebens auf der Erde betrachtet – beispielsweise Abrahams Kauf eines Grabes für Sarah (1. Mose 23,15) oder König Davids Kauf von Vorräten für ein Brandopfer (1. Chronik 21,24-25). Selbst Wucherzinsen, also der Aufschlag auf den Kreditbetrag, werden nicht verurteilt. In seinem Gleichnis von den Talenten sagt Jesus dem unproduktiven Diener, er hätte das ihm anvertraute Geld wenigstens verzinsen sollen. (Matthäus 25,27)

Wenn wir uns den präskriptiven (normativen) Aspekten wirtschaftlicher Phänomene in der Bibel zuwenden, kommt es manchmal zu Kontroversen darüber, wie die Bibel zu interpretieren ist. Im Zentrum der biblischen Lehre stehen die beiden großen Gebote, die Jesus nennt. (Matthäus 22,36-40) Sie schildern, wie Menschen zu Gott und zueinander in Beziehung treten sollen. Tatsächlich sind diese beiden Gebote eine komprimierte Zusammenfassung der Zehn Gebote (2. Buch Mose 20,3-17), von denen vier uns sagen, was wir Gott schulden, und von denen sechs Regeln dafür enthalten, wie Menschen miteinander umgehen sollen.

Von besonderer Bedeutung für die Wirtschaft sind das achte und das zehnte Gebot: „Du sollst nicht stehlen“ und „Du sollst nicht begehren“. Das sind eindeutige Aussagen, die die Einhaltung des Prinzips des Privateigentums vorschreiben. Übrigens muss man nicht an Gott oder die Bibel glauben, um das Prinzip des Privateigentums zu befürworten. Ludwig von Mises kam beispielsweise durch seine völlig wertfreie ökonomische Analyse zu der logisch nachweisbaren Erkenntnis, dass eine auf Privateigentum beruhende Wirtschaftsordnung – sofern Menschen Wohlstand anstreben – das effektivste Mittel zur Erreichung dieses Zieles sei. Interessant ist jedoch, dass Mises durch seine Analyse zu dem gleichen Ergebnis kam wie Moses durch seine Offenbarung, nämlich dass es den Menschen besser geht, wenn sie das Privateigentum respektieren.

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Die Gefahr des Zwangs

Einige Menschen haben ein Konzept namens „christlicher Sozialismus“ entwickelt, das auf trügerischen Schlussfolgerungen basiert. Sie zitieren Bibelverse wie die Aussage Jesu in der Bergpredigt, man solle demjenigen, der einem den Mantel gestohlen hat, auch den Umhang geben, oder die Passage im Lukasevangelium, in der der reiche Mann im Jenseits litt, weil er seinen irdischen Reichtum nicht mit den Armen geteilt hatte. Richtig ist in der Tat, dass Jesus uns wiederholt davor warnte, uns zu sehr an materiellen Gütern festzuklammern, und uns zur Nächstenliebe gegenüber anderen ermahnte.

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Menschen allein den Diktaten ihres eigenen Gewissens unterworfen waren, wenn es darum ging, welchen Reichtum sie ansammeln wollten, und nicht den Vorgaben anderer. Als ein Mann Jesus fragte, was er tun müsse, um das ewige Leben zu erben, forderte Jesus ihn auf, sein ganzes Vermögen den Armen zu geben. Als der Mann dies ablehnte, ließ Jesus ihn in Frieden gehen. Im Grunde bot Jesus ihm damit einen freiwilligen Vertrag an und respektierte sein Recht, diesen nicht anzunehmen. (vgl. Markus  10,17-23)

Ähnlich weigerte sich Jesus, als ein anderer Mann ihn bat, seinem Bruder vorzuschreiben, er solle sein Erbe mit ihm teilen, und entgegnete: „Mensch, wer hat mich zum Richter oder Schlichter über euch gesetzt?“ (Lukas 12,14) Wenn also der Sohn Gottes oder, wenn Ihnen das lieber ist, der liebevollste und moralischste Mensch, der je gelebt hat, einem Menschen seine Eigentumsrechte nicht verweigern würde, wer sind wir dann, jemandem diese Rechte abzusprechen?

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Christliche Nächstenliebe und die Rolle des Individuums

Viele selbst ernannte Christen irren sich jedoch in ihrer Haltung zur Hilfe für die Armen. Sie vertreten die Auffassung, Christen sollten staatliche Programme unterstützen, durch die steuerzahlende Bürger per Gesetz verpflichtet werden, Bedürftige zu finanzieren. Unbestreitbar hätte Jesus das Helfen der Armen befürwortet, doch heiligt der Zweck nicht die Mittel. So sehr man sich auch bemüht, bei aller Ermahnung zur Nächstenliebe findet sich in der Bibel kein Vers, der besagt, man könne ins Himmelreich gelangen, indem man andere dazu bringt, gute Werke zu tun. Wohltätigkeit soll freiwillig geschehen – aus dem inneren Antrieb eines liebenden Geistes und Herzens heraus, nicht als Reaktion auf Zwänge von außen, wie etwa staatliche Maßnahmen, die mit Geldstrafen oder Gefängnisandrohungen Steuern erheben, um Sozialprogramme zu finanzieren.

Jesus gab mit der Parabel vom barmherzigen Samariter (Lukas 10,30-37) ein Beispiel für christliche Nächstenliebe. Als er einen Mann traf, der von Räubern schwer verletzt worden war, versorgte der Samariter seine Verletzungen persönlich und gab sein eigenes Geld aus, um dem Opfer Essen und Unterkunft zu verschaffen. Bevor er ging, um seinen eigenen Verpflichtungen nachzukommen, versprach er dem Gastwirt, für die weitere Pflege des Mannes aufzukommen.

Damit veranschaulichte Jesus die zwei Formen christlicher Nächstenliebe: Erstens kann man persönlich und direkt Hilfe leisten. Zweitens kann man indirekt Hilfe leisten, indem man denen spendet, die Zeit und Fähigkeiten haben, sich um Bedürftige zu kümmern, wenn man selbst dazu nicht in der Lage ist.

Der Konflikt zwischen Moral und Staat

Wir können uns einmal auf folgendes Gedankenexperiment einlassen: Angenommen, der Samariter hätte das Geld, das er später für die Versorgung des Verletzten ausgab, von den Passanten auf der Straße eingetrieben – eine Art Maut, die sie zahlen mussten, wenn sie nicht wollten, dass der Samariter ihnen mit seinem Stock auf den Kopf schlug. Der Mann in Not hätte zwar immer noch die Hilfe erhalten, die er dringend benötigte, aber würden wir den Samariter dann noch als Vorbild christlicher Tugend und Nächstenliebe betrachten? Ist es echte Nächstenliebe, das Geld anderer großzügig auszugeben? Ist es Nächstenliebe, manchen zu helfen, indem man anderen mit Gewalt droht?

Dies ist das moralisch fragwürdige Terrain, auf das sich viele Christen im Namen von „sozialer Gerechtigkeit“ oder dem sogenannten „sozialen Evangelium“ begeben. Der Wunsch, Bedürftigen zu helfen, ist zweifellos lobenswert, doch die Mittel, die Vertreter dieser Strömung einsetzen, sind es nicht. Sie untergraben ein biblisches Prinzip, wenn sie fordern, der Staat solle Reichtum umverteilen – an Arme, Kranke oder Witwen. Denn der Staat bringt zwangsläufig ein zusätzliches Element in die Gleichung ein: den Zwang. Der Staat entspricht organisierter Gewalt. Es ist zwar christlich, barmherzig zu sein, doch Jesus hat Nächstenliebe nie mit Zwang vermischt und auch nicht gelehrt, zu Gewalt zu greifen.

Für Christen ist das Privateigentum eine der zentralen Säulen einer gottgewollten sozialen Moral. Für Ökonomen ist es das wirksamste Mittel zur Förderung des gesellschaftlichen Wohlstands. In diesem entscheidenden Punkt stehen Bibel und Wirtschaft nicht im Widerspruch zueinander, sondern ergänzen einander.

Vom American Institute for Economic Research (AIER)

Dieser Artikel erschien im Original auf The Epoch Times USA unter dem Titel „Intersections Between the Bible and Economics“. (deutsche Bearbeitung ee)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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