„Sanft entschlafen“ oder „ins Gras gebissen“ – Beschreibungen für das Sterben und den Tod

In vielen Kulturen gilt der Tod als Schlaf – ein Übergang, kein Ende. Vom homerischen Schattenreich bis hin zur christlichen Auferstehung bleibt die Hoffnung auf ein Erwachen lebendig.
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Foto: Toms93/iStock
Von 2. November 2025

Lily Pincus berichtet in ihrem Buch „…. bis daß der Tod euch scheidet. Zur Psychologie des Trauerns.“ über den Tod ihrer Schwiegermutter. Die „perfekte Lady“ kontrollierte zu ihren Lebzeiten alles und jeden – besonders auch sich selbst, sodass jegliche Emotion ihr fremd war.

Wie würde sie sterben? „An ihrem siebzigsten Geburtstag erlitt sie einen Schwächeanfall und war einige Stunden bewusstlos. Nach dem Erwachen bat sie, man möge sie im Bett aufrichten, dann verlangte sie nach allen Bewohnern des Hauses. Sie nahm Abschied von jedem. Nach diesem Empfang sagte sie, jetzt lasst mich schlafen!“ Sie sank in den Schlaf, aus dem sie nicht mehr erwachte. Selbst angesichts des Todes hielt sie noch alle Zügel in der Hand und die Angehörigen gehorchten.

„Sanft entschlafen“ heißt ein Roman von Donna Leon. Doch die Personen eines Altersheimes waren alles andere als sanft entschlafen, sondern aus Geldgier ermordet worden.

Das Sterben und die Befindlichkeit des Todes werden in beiden Beispielen als ein Zustand des Schlafens beschrieben, aus dem ein Erwachen immer möglich zu sein hat. Selbst Kaiser Friedrich Barbarossa sitzt seit 800 Jahren im Kyffhäuser – er schläft nur, so die Sage, um einmal wieder zu regieren.

Vom Schlaf zum Erwachen

Wenn wir abends sagen „Gute Nacht“ und „Schlaf gut“, dann in der Absicht und in der Hoffnung, am nächsten Morgen wieder aufzuwachen. Schlaf ist immer nur ein Zustand des Übergangs und kein endgültiges Phänomen. Wenn also der Tod als Schlaf beschrieben wird, dann in dem Bewusstsein, dass der Tote woanders aufwacht und nicht, dass er einen endlosen Schlaf vor sich hat.

Beim Dichter der alten Griechen, Homer, ruhen die Verschiedenen als erloschenes Heer und schlafen im Reich der Schatten. Die alten Römer meinten, dass die Toten zu bestimmten Zeiten erwachten und die Lebenden störten. Insofern ist die Osterbotschaft von der Auferstehung des Herrn nichts so Ungewöhnliches – nur, dass nach dem christlichen Glauben der Herr wirklich auferstanden ist.

Dass dies unglaublich war, ist überliefert, musste doch die Figur des ungläubigen Thomas – stellvertretend für die vielen Ungläubigen der kommenden Jahrhunderte – in das neue Testament eingefügt werden, um den Wahrheitsgehalt dieser Botschaft zu garantieren. Der Heilige Paulus lehrte die Korinther: „… darnach ist er gesehen worden von mehr als denn fünfhundert Brüdern auf einmal, deren noch viele leben, etliche aber sind entschlafen“.

Wer die Auferstehung verneinte, war ein Ketzer, ein Häretiker, der eine Irrlehre verbreitete. Dagegen half wiederum eine Erzählung aus dem frühen Christentum. Gregor von Tours und Paulus Diaconus berichteten von sieben Märtyrern, die Gott beschlossen hatte, auferstehen zu lassen, die er erweckte, um gegen die Häretiker ein Zeugnis zu geben.

Die Legende sagt: „Die Heiligen erwachten, grüßten einander und meinten nicht anders, denn dass sie nur über Nacht geschlafen hätten.“ Kaiser Theodosius und Bischöfe versammelten sich um die Grablege, um die sieben Märtyrer zu bestaunen. Einer von ihnen, Maximianus, erläuterte dem Kaiser, warum sie auferstanden wären: „Wie das Kind im Mutterleib keinen Schaden spürt und lebt, so lagen auch wir und lebten und schliefen und spürten nichts … Siehe Kaiser wir leben, wir sind wahrlich auferstanden“ – mit diesen Worten verneigte er sich und legte sich wieder zu seinen Kollegen, um weiterzuschlafen. Entsprechend heißt das Sakrament der letzten Ölung im Lateinischen „dormentium exercitium“ – das Sakrament der Schlafenden.

Ruhe ist die erste Bürgerpflicht

Wer den Lebenden die Ruhe stört, wird mitunter bestraft. Wir werden ermahnt, die Geschwindigkeit des Autos herabzusetzen, wegen Lärmbelästigung. Motorradfahren ist in Kurorten des Nachts verboten, der Rasenmäher darf zur Zeit des Mittagsschläfchens nicht gestartet werden. Wenn die Lebenden sich schon ihre Ruhe nicht stören lassen wollen, um wie viel mehr die entschlafenen Toten? Ruhe ist die erste Bürgerpflicht, meinte einmal ein preußischer König. Doch dies kann nur für den Friedhof gelten – sonst nirgends in einem Staat, sonst ist er abgestorben, tot.

Die Heilige Radgundis erbat sich, dass ihr Körper bestattet werde, und zwar in einer Basilica in vollkommener Ruhe – „requies perfecta“. Ruhe konnte demnach auch unvollkommen sein. Auf Grabinschriften lesen wir deshalb auch „requiescat in pace“ – Ruhe in Frieden.

Der Friedhof ist ein Ort der Ruhe, des Friedens, aber nicht des irdischen, der oft selten und dann womöglich laut ist, sondern des himmlischen Friedens. Strengstens verboten ist das Umherlaufen von Kindern ohne Aufsicht, heißt es in einer Friedhofsordnung. Man befürchtet offenbar, dass die Stille und Ruhe durch Kinder gestört wird. Doch Christus sprach nie von Ruhe, sondern nur: „Lasset die Kindlein zu mir kommen!“

Auch heute noch wird für die Ruhe der Toten gebetet: „… und gib ihnen die ewige Ruhe!“ Wobei ewig auf eine endliche Zeit hindeutet – bis zur Erlösung und Auferstehung am jüngsten Tage. Solange also dürfen die christlichen Toten schlafen.

Doch wo schlafen sie denn? Könnte man Loriot abwandelnd ausrufen? In der Unterwelt, der Hades der Odyssee, kennt dort nur schlimmste Marter, im Himmel, im Paradies? Die Menschen haben sich von der Ruhestätte der Seelen verschiedene Bilder ausgedacht. „Gott lasse diese zwischen heiligen Blumen ruhen und ihnen das Paradies schenken“, heißt es in einem mittelalterlichen Gebet.

Die Toten schlafen oder wandeln – beide Vorstellungen bestimmen unser Bild vom Tod. Wenn sie wandeln, also spazieren gehen, dann im Paradies, in einem Blumengarten, auch in einem Obstgarten voll süßer Früchte.

Die Überlieferungen stammen meist aus südlichen Gegenden, in denen Erfrischungen in einem schattenspendenden Garten eine Wohltat sind. Sicher denkt aber der Nordländer etwas anders über die Frische, er dürfte nicht das gleiche Behagen erleben wie der Orientale oder der Bewohner Italiens, wenn von der Schattenkühle des Paradieses gesprochen wird.

Im heißen Marseille lautete im 2. Jahrhundert eine Grabinschrift: „Refrigeres nos qui omnia potes“ – Erfrische uns, der Du alles vermagst. In späterer Zeit, als das Christentum über die Alpen gezogen war, wird das Licht bevorzugt als Metapher für Wärme verwendet.

Wie Redensarten vom Tod erzählen

Von einer ganz anderen Qualität sind die volkstümlichen Überlieferungen, die an den Tod mahnen: „ins Gras beißen“, „den Löffel abgeben“. Da steht nichts mehr von sanft entschlafen, sondern der Lebensalltag der Menschen bestimmt auch die Beschreibung des Sterbens.

Verschiedene Deutungen sind für die Aussage „den Löffel abgeben“ überliefert: 1. In früherer Zeit trug die Hausherrin die Suppenkelle als Statussymbol am Gürtel. Nach ihrem Tod wurde sie an ihre Nachfolgerin weitergegeben. 2. Im Schwarzwald gab es unter Bauern früher eine Tradition, nach der jeder seinen eigenen Löffel zum Essen hatte, den nur er benutzte. Wenn er starb, wurde der Löffel nicht weitergegeben, sondern an die Wand des Bauernhauses gehängt. 3. Der Spruch geht zurück auf den Zisterzienserorden: Die Mönche trugen ihren Löffel an der Kordel ihrer Kutte bei sich – wenn der Mönch verstarb, wurde ihm der Löffel abgenommen.

„Über den Jordan gehen“: Die Israeliten sind aus der Wüste über den Jordan in das Gelobte Land eingezogen. Die christliche Literatur hat diesen Übergang später als Eintritt in das Himmelreich gedeutet. Und der Weg dahin führt über den Jordan (Josua 3, 14 ff.). Schließlich wird noch in 1. Mose 50 (10–12) der tote Jakob über den Jordan nach Goren-Atad gebracht. Jenseits des Jordans wird eine große Totenklage abgehalten.

„Über die Wupper gehen“ ist analog gebildet, denn die Toten der Stadt Wuppertal, so wird berichtet, wurden auf dem jenseits der Wupper gelegenen Friedhof begraben. Von etwas anderer Qualität sind die Beschreibungen „ins Gas beißen“ und „über die Klinge springen“. Wer im Kampf unterlag, hatte letztendlich kaum eine andere Möglichkeit, um die Schmerzen auszuhalten, als ins Gras zu beißen – quasi sein letzter irdischer Biss, der aber niemandem mehr schadet. Und beim Scharfrichter fiel der Kopf des durch die Schwertklinge Hingerichteten vom Richtblock auf den Boden.

Wenn die Uhr abläuft

Karl-May-Leser kennen das Bild von den ewigen Jagdgründen, die für die Indianer so idyllisch waren wie für die Christen das Paradies, wo Milch und Honig fließen. Goethes Wendung im Leiden des Jungen Werther, dass jemandes Uhr abgelaufen sei, ist zwar seitdem in der Umgangssprache, doch war Goethe ein sehr guter Historiker, dem die Aussage aus Jakob Ayrers (1543–1605) Tragödie vom reichen Mann und armen Lazarus sicher bekannt war: „Er hat eine kleine Zeit, so ist ihm die Uhr ausgeloffen.“

Nun sind wir bei einer anderen Symbolik des Todes: der abgelaufenen Uhr. Besonders in der Barockzeit sehen wir die Uhr als Bild auch als Gegenstand in unseren Kirchen. Sie deutet darauf hin, dass der Tod gewiss, die Stunde aber ungewiss ist, und sich deshalb der Mensch auf Erden entsprechend zu verhalten habe, um in Abrahams Schoß seine Ruhe zu finden.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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