Berlin kündigt Widerstand zur EU-Haushaltserhöhung an

Die EU-Kommission hat in ihrem Entwurf für den EU-Haushalt ab 2028 eine Erhöhung der Finanzmittel auf rund zwei Billionen Euro vorgeschlagen. Damit will die EU die Wirtschaft im Wettlauf mit den USA und China unterstützen und Kredite aus der Corona-Pandemie zurückzahlen. Die Bundesregierung lehnt den Entwurf in seiner jetzigen Form ab.
Regierungssprecher: Haushaltserhöhung „nicht vermittelbar“
Die von der EU-Kommission geplante deutliche Erhöhung sei „nicht vermittelbar in Zeiten, in denen alle Mitgliedsstaaten erhebliche Anstrengungen zur Konsolidierung der nationalen Haushalte unternehmen“, erklärte Regierungssprecher Stefan Kornelius am Mittwochabend in Berlin.
„Daher werden wir den Vorschlag der Kommission nicht akzeptieren können.“
Als wirtschaftsstärkster Mitgliedsstaat steuert Deutschland in der Regel knapp ein Viertel der Mittel bei. Kornelius betonte, Europa stehe „vor historischen Herausforderungen, auf die der nächste Finanzrahmen eine Antwort geben“ müsse. Die Europäische Union müsse ihre „Wettbewerbsfähigkeit verbessern und verteidigungsbereit werden“, so dass Europa „global handlungsfähig“ sei.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) reagierte mit scharfer Kritik. Vieles, was jetzt von der Kommission vorgeschlagen sei, stoße nicht auf Deutschlands Zustimmung, sagte der Vizekanzler am Rande eines G20-Treffens in Südafrika. „Wir müssen bei den Finanzen absolut im Verhältnis bleiben.“ Das sehe er jetzt aber nicht als gewahrt an.
Kritik an möglicher neuer Belastung für Unternehmen
Die Bundesregierung störte sich laut ihrem Sprecher auch an der von der EU-Kommission vorgeschlagenen zusätzlichen Besteuerung von Unternehmen. Dieses Vorhaben finde „nicht unsere Unterstützung“, machte Kornelius deutlich. Diese stößt aber nicht nur in der Bundesregierung auf Kritik.
Vom Auto-Branchenverband VDA hieß es schon im Vorhinein, die Unternehmen in Deutschland und Europa befänden sich in einer wirtschaftlich äußerst schwierigen Lage. „Jegliche Steuererhöhung oder die Einführung zusätzlicher Abgaben verbieten sich daher – sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene“, sagte Präsidentin Hildegard Müller.
Eine unabhängig vom Gewinn erhobene Abgabe müsse als besonders wachstumsschädlich eingestuft werden – sie würde die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der EU schwächen.
Auch vom DIHK hieß es bereits vor der Vorlage des Kommissionsvorschlags, eine solche Maßnahme wäre „das völlig falsche Signal“. Es brauche Rückenwind für Unternehmen, nicht zusätzliche Abgaben, so Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov.
Kommission will gestaffelte Unternehmensabgabe
Als eine von mehreren neuen Einnahmequellen für den EU-Haushalt schlägt die Kommission eine Abgabe für große Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro vor.
So sollen die Firmen auf Grundlage ihres jährlichen Nettoumsatzes gestaffelt Beiträge nach Brüssel leisten: 100.000 Euro bei einem Umsatz von 100 Millionen Euro bis 249 Millionen Euro, 250.000 Euro bei einem Umsatz bis 499 Millionen Euro, 500.000 Euro bei einem Umsatz bis 749 Millionen Euro und 750.000 Euro bei einem Umsatz ab 750 Millionen Euro.
Weiterhin sieht die Brüsseler Behörde eine Abgabe auf nicht für das Recycling gesammelten Elektroschrott vor und will, dass 15 Prozent der Einnahmen aus Tabaksteuern aus den Hauptstädten nach Brüssel fließen. Diese und weitere neue Eigenmittel sollen laut Kommission jährlich 58,5 Milliarden Euro einbringen.
Zustimmung gab es hingegen für den grundsätzlichen Reformansatz der EU-Kommission und „die Ausrichtung des Haushalts auf neue Prioritäten“. „Dieser Kurs ist richtig, um Europa stark zu machen für die Zukunft“, erklärte der Sprecher von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).
Eckdaten im EU-Haushalt
Der Haushaltsentwurf sieht mit 451 Milliarden Euro unter anderem höhere Ausgaben für den Bereich Wettbewerbsfähigkeit vor. Damit sollen Investitionen etwa in saubere Technologien, Digitaltechnik, Biotechnologie und die Wissenschaft fließen. Für den Bereich Verteidigung und Raumfahrt sind im Wettbewerbsfonds 131 Milliarden Euro vorgesehen.
Die beiden bisher größten Posten für Landwirtschafts- und Regionalförderung sollen zusammengefasst werden. Sie sollen im größten Topf des neuen Haushalts für den Zeitraum von 2028 und 2034 aufgehen, einem Fonds für Nationale und Regionale Partnerschaften in Höhe von 865 Milliarden Euro. Auch der Sozialfonds sowie die Finanzmittel für Migration und Innere Sicherheit will die Kommission dem neuen Fonds zurechnen.
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Weniger für die Landwirte, 100 Milliarden für die Ukraine
„Wir sichern 300 Milliarden Euro zur Unterstützung der Einkommen der Landwirte“, sagte von der Leyen. Das würde weniger Geld für die Landwirtinnen und Landwirte bedeuten als bisher. Die Mitgliedsländer können die Agrarmittel theoretisch aufstocken, das könnte wiederum auf Kosten der ebenfalls im Vorschlag mit weniger Ressourcen ausgestatteten Regionalförderung gehen.
Die Kommission schlug zudem einen Unterstützung-Fonds für die Ukraine in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro vor. Es handele sich um ein „langfristiges Bekenntnis zum Wiederaufbau“ der Ukraine, sagte Handelskommissar Piotr Serafin bei der Vorstellung des Budgets im EU-Parlament.
Nationale Regierungen müssen umfangreichere Pläne vorlegen
Der Entwurf sieht eine Straffung von 52 auf 16 Programme zur Verteilung der Finanzmittel vor. Damit sollen laut von der Leyen „viele Redundanzen und Überschneidungen“ vermieden werden. Das bedeutet auch: Die nationalen Regierungen müssten künftig umfangreichere Pläne für ihre Ausgaben vorlegen, die in Brüssel abgesegnet würden.
Für die EU-Mitgliedsstaaten würde der Haushaltsentwurf trotz Kürzungen und Zusammenlegung einzelner Finanztöpfe höhere Ausgaben bedeuten.
Nach Angaben der Kommission entsprechen die Aufwendungen 1,26 Prozent des europäischen Bruttonationaleinkommens. Im aktuellen Haushalt sind es 1,13 Prozent, das entspricht einem Haushaltsumfang von 1,2 Billionen Euro für die Jahre 2021 bis 2027.
EU-Parlament kritisiert: Haushalt ist zu niedrig
Die höheren Ausgaben sind unter anderem auf die europäischen Kredite aus der Corona-Pandemie zurückzuführen, die ab 2028 zurückgezahlt werden müssen. Das befristete, schuldenfinanzierte Konjunkturprogramm NextGenerationEU in Höhe von bis zu 800 Milliarden Euro war aufgesetzt worden, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu bekämpfen.
Die Vorschläge sind Grundlage für die Verhandlungen zwischen den 27 EU-Ländern und dem Europaparlament in den kommenden zwei bis drei Jahren.
Aus dem Parlament kam umgehend Kritik: Der von der Kommission vorgeschlagene Haushalt reiche nicht aus, um sowohl die Rückzahlung des Corona-Konjunkturprogramms „als auch die angemessene Finanzierung neuer Prioritäten wie Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit neben den traditionellen Prioritäten wie Landwirtschaft und Kohäsion zu gewährleisten“, kritisierte der konservative Abgeordnete Siegfried Muresan, der für das Parlament die Verhandlungen führt.
Der Vorschlag muss nun von den EU-Ländern und dem Europäischen Parlament beraten werden, es werden lange und komplizierte Verhandlungen erwartet. (afp/dpa/red)
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