Ehemaliger Präsident Brasiliens zu 27 Jahren Haft verurteilt – USA: „Hexenjagd“
Brasiliens früherer Präsident Jair Bolsonaro ist wegen eines versuchten Staatsstreichs zu mehr als 27 Jahren Haftstrafe verurteilt worden.
Die Mehrheit der fünfköpfigen Kammer des Obersten Bundesgerichts sprach den 70-Jährigen schuldig, wie die TV-Live-Übertragung am Donnerstag (Ortszeit) zeigte.
Damit ist Bolsonaro der erste ehemalige Präsident Brasiliens, der wegen eines Umsturzversuchs verurteilt wurde.
Bolsonaro selbst war nicht persönlich auf der Anklagebank erschienen. Seit Anfang August befindet er sich wegen Verstößen gegen Auflagen im Hausarrest. Die Urteilsverkündung war ursprünglich für Freitag angesetzt gewesen.
Da beim Obersten Gericht noch Rechtsmittel eingelegt werden können, wird die Haftstrafe nicht sofort vollstreckt. Eine Anfechtung des Urteils ist aber Experten zufolge unwahrscheinlich.
Ein Richter ist für Freispruch
Ein Mitglied des Gerichts, Richter Luiz Fux, stimmte für die Freisprechung Bolsonaros von allen fünf Anklagepunkten und erklärte, dass es für keine der Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft ausreichende Beweise gebe.
Fux sprach über 13 Stunden vor Gericht, um seine Stimme zu erklären. Die Abstimmung – die es Bolsonaro später erleichtern könnte, das Urteil erfolgreich anzufechten – löste missbilligende Blicke bei anderen Mitgliedern des Gremiums aus.
Für Bolsonaros Unterstützer kam Fux‘ Freispruchsvotum als Erleichterung. Da das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof verhandelt wird, gibt es keine höhere Instanz. Eine erneute Prüfung einzelner Streitpunkte im Plenum mit elf Richtern wäre laut Experten nur bei mindestens zwei abweichenden Stimmen möglich gewesen.
Bolsonaros Anwälte können jedoch formelle Unklarheiten im Urteil anfechten – größere inhaltliche Änderungen sind unwahrscheinlich. Erst wenn darüber entschieden ist, wird das Urteil rechtskräftig und vollstreckbar.
„Wenn Kohärenz und Gerechtigkeitssinn über Rache und Lügen siegen, gibt es keinen Raum für grausame Verfolgung oder voreingenommene Urteile“, sagte Michelle Bolsonaro, Bolsonaros Ehefrau, in einem Online-Beitrag.
Vorwürfe: Umsturzpläne nach Wahlniederlage
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft und der Richter hatte Bolsonaro nach seiner Wahlniederlage Ende 2022 mit Militärs und Verbündeten einen Staatsstreich gegen die Regierung seines linken Nachfolgers Luiz Inácio Lula da Silva geplant.
Ziel sei es gewesen, einen Ausnahmezustand zu verhängen und Neuwahlen durchzusetzen – allerdings habe Bolsonaro die Unterstützung der Militärführung nicht gewonnen.
Am 8. Januar 2023, wenige Tage nach Lulas Amtsantritt, stürmten Anhänger des Rechtspolitikers den Kongress, das Oberste Gericht und den Präsidentenpalast in Brasília. Auch wenn Bolsonaro an diesem Tag nicht selbst in Brasilien, sondern in den USA war, wirft ihm das Gericht eine indirekte Beteiligung an den Geschehnissen vor.
Zudem soll Bolsonaro von Mordplänen gegen Lula, Vizepräsident Geraldo Alckmin und Richter Alexandre de Moraes gewusst haben.
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Bolsonaros Verteidigung wies die Vorwürfe im gesamten Verfahren zurück und argumentierte, dass keine stichhaltigen Beweise für eine Beteiligung Bolsonaros an einem Umsturzplan vorlägen.
Seine Anwälte sprachen von einem „politischen Prozess“, in dem ihr Mandant keine faire Chance gehabt habe. Sie verwiesen dabei auf den Obersten Richter Moraes, der sowohl eine zentrale Rolle in den Ermittlungen gespielt habe als auch selbst als mutmaßliches Ziel der Putschpläne genannt werde. Damit sei eine „Vorverurteilung“ durch das Gericht unvermeidlich gewesen.
Bolsonaro wurde nicht nur wegen versuchten Staatsstreichs verurteilt, sondern auch wegen gewaltsamer Abschaffung des demokratischen Rechtsstaats, Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Beschädigung denkmalgeschützten Kulturgutes und Sachbeschädigung.
Daneben wurden auch sieben hochrangige Militärs und ehemalige Kabinettsmitglieder verurteilt, darunter Ex-Verteidigungsminister Paulo Sérgio Nogueira, Marinechef Almir Garnier und Bolsonaros damaliger Sicherheitsberater Augusto Heleno.
Parallelen zu den USA
Der Prozess hat auch eine internationale Dimension. Bolsonaro gilt als enger Verbündeter von US-Präsident Donald Trump. Die Bilder der Krawalle in Brasília erinnerten an die „Erstürmung” des US-Kongresses in Washington zwei Jahre zuvor.
Trump selbst wurde in ähnlichen Vorwürfen angeklagt, ein Verfahren gegen ihn wurde jedoch kurz vor seiner erneuten Vereidigung eingestellt. Beide Politiker bezeichneten die Prozesse gegen sich als „Hexenjagd“.
Das Strafverfahren gegen Bolsonaro führte zu diplomatischen Spannungen mit den USA. Trump verhängte Zölle von 50 Prozent auf zahlreiche brasilianische Produkte und belegte Richter Moraes persönlich mit Sanktionen.
Von dem Urteil zeigte sich Trump „überrascht“ und sagte, er kenne Bolsonaro gut, halte ihn für einen guten Präsidenten. „Das ähnelt sehr dem, was sie mit mir versucht haben, aber damit sind sie überhaupt nicht durchgekommen.“ Trumps Außenminister Marco Rubio kündigte an, auf die „Hexenjagd“ reagieren zu werden, ohne Details zu nennen.
Die US-Regierung „werde entsprechend reagieren“
US-Außenminister Marco Rubio bezeichnete Bolsonaros Verurteilung als „Hexenjagd“ und sagte, die US-Regierung „werde entsprechend reagieren“, ohne genauer zu spezifizieren, welche Maßnahmen dies sein könnten.
„Die politischen Verfolgungen durch den sanktionierten Menschenrechtsverletzer (Oberster Gerichtshof Richter) Alexandre de Moraes gehen weiter, da er und andere am brasilianischen Obersten Gericht ungerecht entschieden haben, den ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro einzusperren“, schrieb Rubio auf X.
In Reaktion darauf warf das brasilianische Außenministerium Rubio vor, die Autorität des Landes anzugreifen, und sagte, dass seine Demokratie sich nicht einschüchtern lasse.
Das Ministerium fügte hinzu, dass Rubios Aussage „die Tatsachen und die erdrückenden Beweise im Protokoll ignoriert“, die zu Bolsonaros Verurteilung führten.
„Wir werden weiterhin die Souveränität des Landes gegen Aggressionen und Einmischungsversuche verteidigen, egal woher sie kommen“, schrieb das Ministerium auf X.
Neben Bolsonaro waren sieben weitere Personen angeklagt, darunter Alexandre Ramagem – der ehemalige Direktor des brasilianischen Geheimdienstes, Anderson Torres – ehemaliger Justizminister und Paulo Sérgio Nogueira – ehemaliger Verteidigungsminister. (dpa/reuters/ap/dts)
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