Chatkontrolle „ohne Anlass“ vorerst vom Tisch

Nachrichten bei WhatsApp, Signal, Telegram und anderen Messengerdiensten sollten nach dem Willen der EU „anlasslos“ überprüft werden können. Die ursprünglich für den 14. Oktober angesetzte Abstimmung im EU-Rat wurde jedoch auf ein unbekanntes Datum verschoben, vermutlich weil Deutschland das Vorhaben blockiert.
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Erst seit Mitte vergangener Woche zeichnete sich ab, dass Deutschland bei der Chatkontrolle nicht mitziehen wird.Foto: Yuliia Kaveshnikova/iStock
Von 13. Oktober 2025

Bei der Diskussion um die sogenannte Chatkontrolle geht es laut EU in erster Linie um die Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Die EU-Kommission plant gemeinsam mit dem EU-Parlament mit einer neuen Verordnung eine Verschärfung der Überwachung. Der bisherige Vorschlag sah vor, dass insbesondere Bilder und Videos von Messengerdienstnutzern bereits auf deren Gerät geprüft werden können, bevor sie verschlüsselt gesendet werden. Hintergrund: Damit soll verhindert werden, dass kinderpornografische Inhalte verbreitet werden. Diese Vorprüfung wird in der Fachwelt als Client-Side-Scanning bezeichnet.

Dänemark, das für die zweite Jahreshälfte 2025 die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat, hatte in dieser Funktion die Verordnung zur Chatkontrolle zur Abstimmung auf die Tagesordnung des Europäischen Rats am 14. Oktober gesetzt.

AfD erwirkte Aussprache im Bundestag

Der Bundestag hatte sich kurz vorher, am 9. Oktober, mit der Sicherheit von Messengerdiensten befasst. Auf Verlangen der AfD-Fraktion ging es in einer Aktuellen Stunde um ein „Deutsches Nein zur EU-Chatkontrolle“.

Eine Stellungnahme der Bundesregierung zum Sachverhalt lag nicht vor. Stattdessen äußerte sich im Bundestag der SPD-Digitalpolitiker Johannes Schätzl. Der dänische Vorschlag gehe in eine falsche Richtung. Das hätten das Innenministerium und das Justizministerium „von Beginn an“ deutlich gemacht. Denn der dänische Vorschlag untergrabe das Vertrauen in sichere digitale Kommunikation. Schätzl: „Eine solche Praxis wäre ein massivster Eingriff in das Recht auf Vertraulichkeit.“ Zwar dürfe man als Gesellschaft niemals wegsehen und müsse alles tun, um Kinder zu schützen, dies gelinge jedoch nicht „mit den falschen Instrumenten“, sagte er im Hinblick auf die rund 2,8 Milliarden täglich verschickten Messengernachrichten.

Während sich Johannes Rothenberger (CDU) in der Aktuellen Stunde noch für eine Überprüfung einsetzte, mit der Einschränkung, diese müsse auf einzelne „eng definierte Fälle, als letztes Mittel bei konkretem Verdacht, zeitlich begrenzt und nur mit richterlicher Anordnung“ beschränkt bleiben, machte Jens Spahn, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in einem Facebook-Video deutlich: „Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind gegen die anlasslose Kontrolle von Chats. Das wäre so, als würde man vorsorglich mal alle Briefe öffnen und schauen, ob da etwas Verbotenes drin ist“, so Spahn. „Das geht nicht, das wird es mit uns nicht geben.“

Spahn und Hubig: Hinweis auf geänderte EU-Verordnung

Zugleich sei aber laut Spahn klar, „dass Kindesmissbrauch bekämpft […] werden können muss“. Deshalb sei es „gut, dass sich die EU-Kommission dieses Themas“ annehme. Eine Verordnung müsse Kinder wirksam schützen, „ohne dabei die Sicherheit und Vertraulichkeit individueller Kommunikation zu gefährden“.

Mit anderen Worten, die dänische Initiative ist damit nicht endgültig vom Tisch. Erwartet werden entsprechende Nachbesserungen, die es der deutschen Politik erleichtern, einem künftigen neuen Verordnungsvorschlag zuzustimmen.

Eine klare Haltung gegen den bisherigen EU-Vorschlag hatte auch die Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) an den Tag gelegt. Sie äußerte am 8. Oktober auf der Website ihres Ministeriums: „Anlasslose Chatkontrolle muss in einem Rechtsstaat tabu sein. Private Kommunikation darf nie unter Generalverdacht stehen.“ Der Staat dürfe Messenger nicht dazu zwingen, Nachrichten vor Versendung massenhaft auf verdächtige Inhalte zu scannen. „Solchen Vorschlägen wird Deutschland auf EU-Ebene nicht zustimmen“, schrieb die Ministerin und fügte hinzu: „Auch die schlimmsten Verbrechen rechtfertigen keine Preisgabe elementarer Bürgerrechte.“

Durchweg gleiche Meinung vertreten die deutschen Datenschützer. Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Louisa Specht-Riemenschneider, wies am 8. Oktober ebenfalls auf ihrer offiziellen Website darauf hin, dass sich die Konferenz der Datenschutzbehörden von Bund und Ländern „gegen die Pläne der dänischen EU-Ratspräsidentschaft“ stellt, und forderte die Bundesregierung auf, „bei ihrem Nein zur anlasslosen Massenüberwachung von Bürgerinnen und Bürger[n] zu bleiben“.

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Chatkontrolle scheitert an Deutschland

Zu beachten ist, dass sich die deutschen Politiker von CDU und SPD an dem Begriff „anlasslos“ stoßen. Damit ist die willkürliche Überwachung von Chats gemeint, nicht aber anlassbezogenes Ausspähen von Messengernachrichten. Aber auch für eine anlassbezogene Überwachung von Chats müsste die Verschlüsselung aufgehoben werden. Damit wäre das Versprechen der Messengerdienste von einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Kunden gebrochen.

In den vergangenen Wochen war unklar, wie sich die neue Bundesregierung zu dem Thema positionieren würde. Erst seit Mitte vergangener Woche zeichnete sich ab, dass Deutschland als einer der bevölkerungsreichsten Staaten der EU bei dem dänischen Vorschlag nicht mitziehen werde. Somit scheint den Initiatoren klar gewesen zu sein, dass ein Rückzug der Abstimmung angeraten wäre, um ein Abstimmungsdesaster zu vermeiden.

Im EU-Rat hatten bisher die Mitglieder Deutschland, Polen, Österreich, Belgien und die Niederlande eine Entscheidung blockiert und damit eine Sperrminorität aufgebaut. Zu den größten Befürwortern zählen hingegen Frankreich, Spanien, Italien und Irland. Indem Deutschland bei seiner bisher bereits unter der Ampelregierung vertretenen Haltung geblieben ist, ist der Versuch der Einführung einer generellen Chatkontrolle gescheitert.

Die EU berät seit drei Jahren über eine Chatkontrollregelung. Alle bisherigen Kompromisse scheiterten im Vorfeld. Findet sich dennoch in Zukunft eine Mehrheit für einen Vorschlag, bedürfte es außerdem noch einer Einigung im und mit dem Europäischen Parlament. Dort hat sich die Mehrheit der EU-Abgeordneten quer durch alle politischen Lager bislang stets ablehnend geäußert.

Warnung von Signal, Dienst einzustellen

Auch einige Messengerdienste äußerten sich kritisch bis äußerst ablehnend zu dem Vorhaben. Die Signal-Chefin Meredith Whittaker etwa hatte die Pläne als Versuch bewertet, eine generelle Hintertür in die Messenger einzubauen. In einer Erklärung auf Signal richtete sie sich direkt an Deutschland und forderte die Bundesregierung auf, „standhaft zu bleiben“.

Whittaker: „Wir sind alarmiert über Berichte, dass Deutschland kurz vor einer katastrophalen Kehrtwende steht und seine langjährige und prinzipielle Ablehnung des EU-Vorschlags zur Chatkontrolle aufgibt“, schrieb die Signal-Chefin am 3. Oktober.

Und weiter: „Für Signal stellt Chatkontrolle zudem eine existenzielle Bedrohung dar“, schreibt die Unternehmerin und erklärt, „dass Verschlüsselung entweder für alle funktioniert oder für niemanden. Eine Hintertür in einem Teil eines Netzwerks ist ein Einfallstor für alle anderen Teile.“

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Sie machte deshalb klar, dass sie Signal eventuell vom europäischen Markt nehmen würde. „Wir werden weder die Integrität unseres Dienstes gefährden noch die Sicherheit der Menschen aufs Spiel setzen, die sich weltweit auf uns verlassen, oft in Situationen, in denen private Kommunikation über Leben und Tod entscheidet. Wenn wir die Wahl hätten, entweder eine Überwachungsmaschine in Signal einzubauen oder den Markt zu verlassen, würden wir den Markt verlassen“, drohte sie.

Möglicherweise hat dieser deutliche Hinweis an die Parteien der Bundesregierung dazu beigetragen, die in den vergangenen Wochen zu dem Thema als wankelmütig wahrgenommene deutsche Position in Brüssel klar zugunsten einer Ablehnung der Chatkontrolle zu festigen.



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