Der „Geistermaler“ von Brescia: Graffitis übermalen aus Liebe zur Heimatstadt

Sprühereien an den Wänden: Graffitikunst oder Schmierereien? In Norditalien übermalt ein Unbekannter Nacht für Nacht Graffitis an historischen Gebäuden – auf fachmännische Weise. Ein Held? Ein „Zensor“? Die Geister scheiden sich.
Titelbild
Der historische Kern von Brescia mit dem Dom.Foto: sedmak/iStock
Von 5. September 2025

In Kürze:

  • Vandalismus an Hauswänden und Brücken
  • „Der Geistermaler“ von Brescia restauriert in der Nacht.
  • „Akt der urbanen Liebe“ oder der Zensur der Meinungsfreiheit?
  • Subkultur, Rebellion und Straßenkunst

 

Ob Parolen oder Antifa- und Anarchiesymbole, Hakenkreuze, Klima-Apokalypse-Warnungen, sogenannte Systemkritik oder einfach nur auf Wände und Brücken geschmierte Namensschriftzüge: Graffiti ist für viele Städte und Gemeinden ein Übel und Vandalismus. Die Kosten für die Beseitigung der Sprühereien, die zwischen 20 und 150 Euro pro Quadratmeter betragen können, müssen mangels Täteridentifikation oftmals vom Eigentümer getragen werden.

„Der Geistermaler“ von Brescia

In der italienischen Stadt Brescia, am Südrand der Alpen in der Lombardei, hat sich nun ein Unbekannter auf den Weg gemacht, Nacht für Nacht derartige Schmiergraffitis zu übermalen – und das nach allen Regeln der Anstreicherkunst. Er selbst nennt sich „Ghost Pitùr“ – „der Geistermaler“.

In einem Interview mit der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“ erklärte der Unbekannte, der mit seinen Videos Millionen Aufrufe generiert und seinen Angaben zufolge aus der Altstadt von Brescia stammt: ​​„Seine Stadt zu lieben bedeutet, sie vor Verunstaltung und Vandalismus zu schützen. Und ich lösche alles: von politischen und sozialen Botschaften bis zu kleinen Liebesfloskeln.“

Ein „Akt urbaner Liebe“ – nicht für Ruhm oder Geld

Der Mann, der tagsüber als Maler arbeiten soll, zieht nachts durch die Straßen der Altstadt und verleiht den beschmierten Wänden der historischen Gebäude einen neuen Farbanstrich, um ihnen ihr ursprüngliches Aussehen zurückzugeben. Der Unbekannte nennt das einen „Akt urbaner Liebe“, den er nicht für „Ruhm, Bekanntheit oder Geld“ betreibe, weshalb er sich dafür entscheidet, im Verborgenen zu agieren und sich nicht zu erkennen zu geben.

Einige würden ihm vorwerfen, den freien künstlerischen Ausdruck zu missachten, schreibt die Zeitung. Er sagte dazu: „Ich bin Maler, kein Kunsthistoriker. Aber ich weiß, wie man Hässlichkeit von künstlerischer Geste unterscheidet.“ Er erkenne auch, wenn etwas „eine kahle und verfallene Wand belebt und bereichert“.

Der Geistermaler sei auch schon als „Zensor“ bezeichnet worden, so das Blatt, als jemand, der die Meinungsfreiheit einschränke und städtische Räume gewaltsam an sich reiße. Auf diesen Vorwurf entgegnete der Unbekannte: „Meine Prinzipien sind unerschütterlich: Jeder darf sagen, was er denkt, es aber nicht auf die Wand schreiben.“

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Sachbeschädigung und andere Delikte

Bei unerlaubt aufgetragenen Graffitis handelt es sich im juristischen Sinne in Deutschland um eine Sachbeschädigung gemäß Paragraf 303 Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere Absatz 2 (Verändern des Erscheinungsbildes), die mit Geldstrafen oder sogar mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden kann.

Manche Graffiti-„Künstler“ begehen für die Ausübung ihrer Aktivitäten auch mal Hausfriedensbruch nach Paragraf 123 StGB beim Betreten fremder Grundstücke, was zusätzliche strafrechtliche Konsequenzen haben kann. Im Prinzip gelten diese Regelungen auch für den Geistermaler, allerdings nach italienischem Recht, was vielleicht auch ein Grund für seine Anonymität sein könnte.

Bei manchen Graffitis kommen möglicherweise noch schwerwiegende Straftaten hinzu, etwa durch Verwenden von Kennzeichen (Paragraf 86a StGB) oder das Verbreiten von Propagandamitteln (Paragraf 86 StGB) verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. Diese können im Bereich des Links- oder Rechtsextremismus liegen oder etwa islamistische oder antisemitische Inhalte beinhalten. Auch könnte in Deutschland der Paragraf 130 StGB zur Geltung kommen: Volksverhetzung.

22. April 2025, Berlin: Propalästinensisches Graffiti im Treppenhaus zum Emil Fischer-Hörsaal der Humboldt-Universität. Foto: Sean Gallup/Getty Images

Graffiti als Kunststil?

Allerdings gibt es nicht nur diese Art Parolen- und Ego-Sprüher. Manche Graffitis erheben – nach Ansicht einiger zu Recht – einen künstlerischen Anspruch. Auf fremdem Eigentum stellt dies dennoch mindestens den Straftatbestand der Sachbeschädigung dar. Manche Städte und Gemeinden bieten wohl auch zum Schutz des öffentlichen Eigentums solchen „Writern“, wie sie sich selbst nennen, legale Graffitiflächen oder „Hall of Fames“ (Ruhmeshallen) zur Verfügung. Diese sind eine Art offene Galerie, die auch als sozialer Treffpunkt dienen soll, wie etwa am Nordbahnhof in Berlin oder an der Brudermühlbrücke in München.

Für viele ist Graffiti eine Art Subkultur, entstanden in den späten 1960er-Jahren in den USA als Teil der frühen Hip-Hop-Bewegung, vorwiegend in New York City und Philadelphia. „Writer“ werden so genannt, weil sie ursprünglich ihren Namenszug („Tag“) hinterließen und damit verbreiteten. Sie waren und sind in „Crews“ unterwegs, einer Art Ersatzfamilie oder Bruderschaft. Diese Subkultur, in der Protest und Rebellion eine Rolle spielen mögen, unterscheidet sich von der legalen und zuweilen kommerziellen Kunstform Graffiti. Der Begriff Graffiti selbst kommt aus dem Italienischen und bedeutet etwa „Gekritzeltes“.



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