Wie ein Drohnenvorfall zum politischen Pulverfass wird

In Kürze:
- Drohnen drangen in den polnischen Luftraum ein.
- Moskau weist Vorwürfe zurück und beschuldigt stattdessen die Ukraine.
- Der NATO-Rat berät nach Artikel 4 über mögliche Konsequenzen.
- Der Vorfall offenbart Schwächen der NATO-Abwehr.
„Russland hat Menschenleben in einem Staat gefährdet, der der NATO und der EU angehört. Dieses rücksichtslose Vorgehen reiht sich ein in eine lange Kette von Provokationen im Ostseeraum und an der Ostflanke der NATO“, kritisierte Bundeskanzler Friedrich Merz den Vorfall.
„Die Bundesregierung verurteilt dieses aggressive russische Vorgehen auf das Schärfste“, sagte Merz weiter. Es sei „gut, dass Polen zusammen mit den NATO-Verbündeten diese Gefahr rechtzeitig erkennen und ausräumen konnten.“
In der Nacht zu Mittwoch wurde in Polen NATO-Alarm ausgelöst. Nach Angaben der polnischen Regierung seien 19 russische Drohnen in den polnischen Luftraum eingedrungen. Es gibt widersprüchliche Angaben dazu, ob die Drohnen zuvor weißrussisches oder ukrainisches Gebiet überflogen haben.
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Russland beschuldigt Ukraine
Am Abend reagierte der russische Außenpolitiker Wladimir Dschabarow als Sprachrohr der russischen Regierung. Er bezeichnete den „Drohnenvorfall“ als eine „inszenierte Provokation“ der Ukraine, „um Polen und weitere NATO-Staaten in den Konflikt mit Russland hineinzuziehen“. Dies berichtet die staatliche russische Nachrichtenagentur „TASS“, indem sie auf ein Interview Dschabarows im Fernsehsender „Rossiya-24“ verwies.
Dschabarow erinnerte laut „TASS“ in diesem Zusammenhang an einen Vorfall aus dem Jahr 2022, als eine ukrainische Rakete unbeabsichtigt auf polnischem Gebiet landete. Auch damals habe Kiew zunächst behauptet, es habe sich um eine russische Rakete gehandelt.
Trump verurteilt Vorfall nicht
Als Reaktion auf den Vorfall wurde der Luftraum über einem Teil Polens, einschließlich des Warschauer Flughafens, vorübergehend geschlossen. Auf Antrag des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk beriet zudem am gleichen Tag der NATO-Rat unter Bezugnahme auf Artikel 4 des NATO-Vertrags: Sieht ein Mitgliedsland seine Sicherheit bedroht, kann es eine gemeinsame Beratung des Themas einfordern.
Die Diskussion kann zu gemeinsamen Entscheidungen oder Aktionen führen. Artikel 4 wörtlich: „Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebietes, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht sind.“
Der amerikanische Präsident Donald Trump reagierte zunächst kryptisch mit einem Post auf „Truth Social“: „Was soll das, wenn Russland mit Drohnen den polnischen Luftraum verletzt? ‚Here we go! – Los geht’s!‘“ Unklar bleibt, was Trump konkret damit gemeint haben könnte.
Trump äußerte sich zwar zum russischen Drohnenvorfall, verurteilte ihn aber nicht, während alle europäischen Staats- und Regierungschefs einhellig das russische Vorgehen kritisierten.
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Trump telefoniert mit Nawrocki
Der polnische Präsident Karol Nawrocki gab auf X bekannt: „Ich habe gerade mit US-Präsident Donald Trump telefoniert und über die zahlreichen Verletzungen des polnischen Luftraums durch russische Drohnen gesprochen, die sich heute Nacht ereignet haben. Das Gespräch ist Teil einer Reihe von Konsultationen, die ich mit unseren Verbündeten führe. Die heutigen Gespräche haben die Einheit des Bündnisses bestätigt“, heißt es dort.
Der amerikanische NATO-Botschafter Matthew Whitaker wurde hingegen auf X deutlich: „Angesichts dieser Luftraumverletzungen stehen wir unseren NATO-Partnern zur Seite und werden jeden Zentimeter des NATO-Territoriums verteidigen.“
Im gleichen Post wird eine Erklärung des NATO-Sprechers veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass Luftwaffenstreitkräfte aus Polen (F-16-Kampfjets) und den Niederlanden (F-35) auf die Luftraumverletzung reagiert hätten. Auch die Bundeswehr-Patriot-Raketenbatterien in Polen wurden in Alarmbereitschaft versetzt.
Zudem startete ein italienisches AWACS-Luftüberwachungsflugzeug sowie ein Luftbetankungsflugzeug. „Dies ist das erste Mal, dass NATO-Flugzeuge potenzielle Bedrohungen im Luftraum der Alliierten bekämpft haben“, sagte der Sprecher des Obersten Hauptquartiers der Alliierten Streitkräfte in Europa, Oberst Martin L. O’Donnell.
Eine Drohne traf ein polnisches Haus in Lublin und zerstörte das Dach. Verletzt wurde niemand. Weitere Drohnenteile wurden in der Nähe folgender Orte festgestellt: Wohyn, Czesniki, Myszkow, Wielki Lan, Wyryki, Czosnowka, Krzywowierzba-Kolonia und Olesno.
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Ist die NATO beim Test durchgefallen?
Das amerikanische Hauptstadt-Magazin „The Atlantic“ kommt in einer Blitzanalyse zu dem Schluss: „Russland hat die NATO in Polen auf die Probe gestellt. Die NATO hat versagt. Ein Drohnenangriff zeigt die Grenzen eines Bündnisses ohne Amerika an der Spitze.“ Einigen der Flugobjekte sei es gelungen, tief in den polnischen Luftraum einzudringen. Wie wird die NATO nun reagieren?
„Die USA haben keine konkrete Rolle bei der Abwehr des Angriffs angekündigt und auch keine nennenswerten Gegenmaßnahmen versprochen“, stellt „The Atlantic“ fest. Und weiter: „Vielleicht sind die Europäer durch den Mangel an US-Führung verwirrt und es fällt ihnen schwer, überhaupt festzustellen, was passiert ist.
Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk, der Putins Militäraktionen normalerweise klarsichtig analysiert, erklärte, der polnische Luftraum sei ‚durch eine große Anzahl russischer Drohnen verletzt worden‘. Für die Ukrainer wären 19 unbemannte Flugobjekte eine ruhige Nacht.“
Der Vorfall in Polen gebe „wenig Anlass zu Zuversicht, wie sich die NATO-Streitkräfte schlagen würden, wenn sie in einer einzigen Nacht mit 600 Drohnen und Raketen konfrontiert würden“, gibt sich das amerikanische Magazin pessimistisch.
Auch der NATO-Generalsekretär Mark Rutte blieb in seiner ersten Reaktion vage: „Wir werden die Lage entlang unserer Ostflanke genau beobachten und unsere Luftverteidigung ständig einsatzbereit halten“, sagte er, betonte aber gleichzeitig:
„Wir müssen mehr in unsere Verteidigung investieren, die Rüstungsproduktion hochfahren, damit wir über das verfügen, was wir zur Abschreckung und Verteidigung benötigen, und wir müssen die Ukraine weiterhin unterstützen, deren Sicherheit mit unserer eigenen verknüpft ist.“
Festzuhalten bleibt: Von einer konkreten Reaktion der NATO gegenüber Russland auf den Drohnenvorfall war bislang nirgendwo die Rede.






















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