Ein Gesetz gegen „liberale Einmischung“ aus dem Ausland – Orbáns Plan schlägt hohe Wellen

Wenige Tage nach der Vereidigung von US-Präsident Donald Trump kündigte Viktor Orbán umfassende Reformpläne für Ungarn an – nach dem Vorbild der US-Regierung. Der ungarische Ministerpräsident bezog sich dabei vor allem auf die Umstrukturierungen bei der US-Entwicklungshilfebehörde USAID.
Im Rahmen der Tätigkeit von Elon Musk und seiner Arbeitsgruppe für staatliche Ausgabenkürzungen (DOGE) kam zum Vorschein, dass USAID-Programme Projekte in aller Welt unterstützt hätten, die von den US-Republikanern als verschwenderisch und linkspolitisch eingestuft werden.
Laut Orbán wurde das Geld der US-Steuerzahler dazu verwendet, sich in die Angelegenheiten in Ungarn einzumischen. Ähnliche Formen der Einflussnahme kommen laut dem Ministerpräsidenten auch aus Brüssel. Nun müsse die ungarische Regierung rechtliche Schritte einleiten, um die „ausländische liberale Einmischung“ in Ungarns nationale Angelegenheiten zu stoppen, sagte er im März.
Das entsprechende Gesetzesvorhaben wurde kürzlich ins ungarische Parlament eingebracht. Der Entwurf hat sowohl bei der ungarischen Opposition als auch in der EU für heftige Reaktionen gesorgt.
Orbán drängt auf „Transparenzgesetz“ vor den Wahlen
Der Abgeordnete der Regierungspartei Fidesz, János Halász, der den Gesetzentwurf eingebracht hat, erklärte zur Begründung, dass die ungarische Opposition vor den Parlamentswahlen im Jahr 2022 beträchtliche finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten habe. Zudem habe sich seither mehrfach gezeigt, dass bestimmte zivilgesellschaftliche und wirtschaftliche Akteure in Ungarn versucht hätten, das öffentliche Leben im Sinne ausländischer Interessen zu beeinflussen. Genau gegen solche Strukturen wolle auch die ungarische Regierung nun konsequent vorgehen.
Die Bedeutung des Vorhabens für die Regierung wird dadurch unterstrichen, dass über 100 Abgeordnete von Fidesz sowie Orbán selbst den Gesetzentwurf offiziell mitunterzeichnet haben.
Das Anliegen erfährt Dringlichkeit angesichts des politischen Kalenders: Im kommenden Jahr stehen in Ungarn Parlamentswahlen an und das linksliberale Oppositionslager befinde sich im Aufwind.
Im April 2022 gewann Fidesz zwar erneut mit einer Zweidrittelmehrheit die Wahlen, Orbán räumte jedoch ein, im Wahlkampf mit einem „noch nie da gewesenen Gegenwind“ konfrontiert gewesen zu sein.
Mehr als 7,7 Millionen US-Dollar sind in die Kampagne der Opposition für die Wahl im Jahr 2022 geflossen – Gelder, die aus unbekannten Quellen über die NGO Action for Democracy mit Sitz in den USA nach Ungarn gelangt seien.
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Was genau sieht der Gesetzentwurf vor?
Der neue Gesetzentwurf mit dem Titel „Über die Transparenz des öffentlichen Lebens“ richtet sich gezielt gegen ungarische Organisationen, die aus dem Ausland mitfinanziert werden und nach Lesart der Regierung in der Lage sind, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen. Als „Einflussnahme auf das öffentliche Leben“ gilt laut Entwurf praktisch jede Tätigkeit, die geeignet ist, den demokratischen Diskurs oder den Wählerwillen zu beeinflussen.
Sollte die zuständige Behörde, das sogenannte Amt für Souveränitätsschutz, zu dem Schluss kommen, dass eine solche Organisation durch ihre Tätigkeit die ungarische Souveränität gefährdet, kann sie der Regierung empfehlen, die betreffende Organisation in ein offizielles Register einzutragen, „eine schwarze Liste“, wie Kritiker sie nennen – was weitreichende Konsequenzen hätte.
Spielraum für Machtmissbrauch?
Was ist genau unter einer Gefährdung der Souveränität zu verstehen? Hierzu gehören insbesondere Handlungen, die den unabhängigen, demokratischen und verfassungsmäßigen Charakter des Landes infrage stellen, die Einheit der Nation schwächen, traditionelle Werte wie Ehe, Familie und biologische Geschlechterrollen relativieren, den Frieden oder die Sicherheit des Landes untergraben, die Zusammenarbeit mit anderen Staaten stören oder die christlich geprägte Verfassung des Landes infrage stellen.
Wird eine Organisation offiziell auf die Liste gesetzt, darf sie nur begrenzt Spenden sammeln. Steuerzahler in Ungarn können 1 Prozent ihrer Einkommensteuer jedes Jahr an eine Stiftung ihrer Wahl spenden. Dieses für manche wichtige Finanzierungsinstrument könnte die betroffene Organisation verlieren.
Zusätzlich wäre die Organisation verpflichtet, von sämtlichen Spendern eine eidesstattliche Erklärung einzuholen, in der diese bestätigen müssen, dass ihre Zuwendung nicht aus dem Ausland stammt.
Auch auf der persönlichen Ebene hat die Registrierung Folgen: Die Führungskräfte der Organisation wie Gründer sowie Mitglieder von Aufsichts- oder Kontrollorganen müssen Vermögenserklärungen abgeben und gelten künftig als „Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“.
Kommt es dennoch zu einer Annahme ausländischer Mittel, kann die Anti-Geldwäsche-Behörde eine Geldstrafe verhängen, die dem bis zu 25-Fachen der angenommenen Summe entspricht. Auch kann die Auflösung der Organisation angeordnet werden.

Am 18. Mai 2025 protestierten Demonstranten vor dem Parlament im Zentrum von Budapest gegen Orbáns „Transparenzgesetz“. Foto: Ferenc Isza/AFP via Getty Images
Oppositionspolitiker: „Selbst Putin würde Beifall klatschen“
Am Dienstag kam es im ungarischen Parlament zu einer mehrstündigen, kritischen Debatte über den Gesetzentwurf. Der Abgeordnete Róbert Dudás von der konservativen Partei Jobbik begann seine Rede demonstrativ auf Russisch – um dann zu erklären, dass der Gesetzentwurf nicht nur von Russland inspiriert sei, sondern sogar Präsident Wladimir Putin Beifall klatschen würde. Laut Dudás zielt die Vorlage darauf ab, alle, die nicht mit der Regierung übereinstimmen, zum Schweigen zu bringen.
Weitere Oppositionspolitiker warfen der Regierung vor, ein Machtinstrument schaffen zu wollen. Eine Behörde, deren Leiter ein Interesse am Machterhalt der Regierung habe, könne niemals unabhängig agieren, argumentierte der Abgeordnete András Jámbor von den Grünen. Der Leiter des Amtes für Souveränitätsschutz wird vom Regierungschef selbst vorgeschlagen.
Linke Politiker wie Olga Kálmán von der Partei Demokratikus Koalíció erklärten, das Gesetz sei Teil einer Strategie aus Einschüchterung und Diskreditierung.
Előd Novák von der rechten Partei Mi Hazánk kritisierte zwar nicht das Ziel des Gesetzes, wohl aber dessen Ausgestaltung. Statt Organisationen im Inland zu kontrollieren, solle sich die Regierung lieber auf Onlineplattformen wie Facebook konzentrieren – denn „dort kommt der massivste ausländische Einfluss auf unsere Wahlen her“.
Auch die ungarische Richtervereinigung kritisierte in einem offenen Brief die geplante Regelung: Die vorgesehenen Rechtsmittel seien unzureichend und verletzten grundlegende Rechte der Betroffenen.
Europaweite Solidaritätsaktionen
Die bekannte ungarische Journalistin Veronika Munk hat zu einer europaweiten Solidaritätsaktion gegen das geplante Gesetz aufgerufen. 85 Chefredakteure und Verleger großer überregionale Medien in 22 Ländern haben eine von ihr initiierte Solidaritätserklärung mit den Journalisten in Ungarn unterzeichnet. Sie schließen sich Munks Befürchtung an, dass Orbán mit dem geplanten Gesetz de facto die freie Presse und damit auch die demokratische öffentliche Debatte unterdrücke.
Ähnliche Kritik wurde auch in Brüssel laut. In einem an die Europäische Kommission gerichteten Schreiben forderten 26 Europaabgeordnete, dass Brüssel sämtliche finanzielle Unterstützung für Ungarn einstellt.
Die Ungarn-Berichterstatterin des Europäischen Parlaments, die niederländische Abgeordnete Tineke Strik, beantragte eine Dringlichkeitsdebatte während der Plenarsitzung des EU-Parlaments am Mittwoch. Die Frage wurde mit Unterstützung der Fraktionen der EVP, der S&D und der Grünen/EFA auf die Tagesordnung gesetzt. Sie kritisieren, dass die ungarische Regierung plane, alle ausländischen Mittel und -Beihilfen, darunter auch die von der EU, für ungarische zivilgesellschaftliche Organisationen und unabhängige Medien zu sperren.
Ausgang ungewiss
Tamás Lánczi, der Präsident des Amtes für Souveränitätsschutz, welches künftig für die Überprüfungen zuständig wäre, wies die Kritik gegen die Regierung zurück: Das Gesetz gefährde weder die Meinungs- noch die Pressefreiheit. „Der Staat wird auch künftig nicht beeinflussen, wer was sagt“, sagte er.
Für die verbleibenden Wochen bis zur endgültigen Abstimmung über den Entwurf Anfang Juni kündigten sowohl ungarische Oppositionspolitiker als auch zivilgesellschaftliche Gruppen weitere Protestaktionen an. Zugleich bleibt offen, wie Brüssel auf die Entwicklungen reagieren wird. Schon 2017 hatte die Orbán-Regierung NGOs mit einem umstrittenen Gesetz ins Visier genommen. Der Europäische Gerichtshof urteilte in dem Fall schließlich wegen einer Klage der EU-Kommission, dass das Gesetz EU-Recht verletze.
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