Ein Meer aus Müll: Unterwegs am „dreckigsten Fluss der Welt“

Wida Widiarti hat ihr ganzes Leben in der Nähe des Flusses Citarum auf der indonesischen Hauptinsel Java verbracht. Dabei hat sie hautnah miterlebt, wie der Strom von einer wichtigen Lebensader zu einem ekligen Symbol extremer Umweltverschmutzung mutiert ist. Immer wieder wird der Citarum in Berichten als „dreckigster Fluss der Welt“ bezeichnet.
Der Citarum ist nie frei von Müll
„Die Leute machen sauber, aber der Müll kommt trotzdem zurück“, erzählt Widiarti, die in der Nähe von Bandung lebt. Eigentlich ist die von Bergen, grünen Reisfeldern und Vulkanen umgebene Metropole als Touristenmagnet bekannt.
Aber die Idylle trügt – wie in so vielen Regionen Südostasiens lauert unter der malerischen Oberfläche ein massives Abfallproblem.
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Widiart steht mit ihrer kleinen Tochter direkt am Ufer und blickt besorgt auf das trübe Wasser, in dem Plastikflaschen, kaputte Flipflops und kaum noch identifizierbarer Unrat treiben.
In manchen Monaten ist es schlimmer als in anderen, dann ist zeitweise vor lauter Abfällen kaum noch Wasser zu sehen. „Und auch in besseren Zeiten ist der Citarum nie frei von Müll“, erzählt sie.
Warum hat Südostasien so ein großes Müllproblem?
Indonesien gilt nach China als zweitgrößter Verschmutzer der Weltmeere mit Plastikmüll. Viele andere Länder in der Region haben ebenfalls ein riesiges Müllproblem.

In ländlichen Gebieten Südostasiens gibt es kaum Müllabfuhr oder Recycling. Viele Anwohner verbrennen den Müll selbst in kleinen Verschlägen.
Foto: Carola Frentzen/dpa
Einige der Gründe sind ein explodierendes Bevölkerungswachstum und Massentourismus gepaart mit immer mehr Plastikmüll, eine unzureichende Mülltrennung und die vielerorts kaum vorhandene Recycling-Infrastruktur.
Müll aus europäischen Staaten landet als Exportgut auch immer öfter in Südostasien. Deutschland exportierte 2024 laut Naturschutzbund Deutschland 732.000 Tonnen Plastikabfälle nach Malaysia, Indonesien und Vietnam. Kontrollmechanismen für ein ordnungsgemäßes Recycling sind rar.
Hinzu kommt, dass viele Menschen ihren Müll einfach in der Landschaft entsorgen – nicht nur wegen mangelnder Umweltaufklärung, sondern auch wegen einer fehlenden Müllabfuhr.
Bali und Thailand ebenfalls betroffen
Auch auf der bei Touristen aus aller Welt beliebten Insel Bali, der Nachbarinsel von Java, bieten die Stände gerade in der Regenzeit mehr Ekelfaktor als Traumpotenzial. Tonnenweise Abfälle werden an den Küsten, wie im Surferparadies Kuta, an Land gespült. Ein bedeutender Teil davon stammt aus lokalen Quellen, aber auch Meeresströmungen transportieren Abfall von anderen Inseln.
Während Badegäste in die Wellen springen, türmen sich am Strand Einwegverpackungen, Strohhalme, Styropor und Plastikbecher. So mancher Besucher aus Europa hatte sich den Urlaub auf der „Insel der Götter“ sicher anders vorgestellt.

Ein Freiwilliger sammelt in Pecatu auf Bali Müll aus einem Fluss.
Foto: Firdia Lisnawati/AP
In Thailand sieht es ähnlich aus. Bei Urlaubern herrscht teilweise Entsetzen – speziell auf weltbekannten Inseln wie Koh Samui und Phuket. Deponien und Müllabfuhr sind Mangelware.
Richtig gut funktioniert diese nur in größeren Städten wie Bangkok. Die Folge sind immer mehr (größtenteils illegale) Müllhalden, die oft nur wenige Meter von den paradiesischen Fünf-Sterne-Hotels entfernt vor sich hin modern.
Textilfabriken leiten Chemikalien ins Wasser
Zurück zum Citarum. Der 290 Kilometer lange Strom fließt durch das Herz der Provinz West-Java, bevor er schließlich in die Javasee am Rande des Pazifischen Ozeans mündet. Fast 30 Millionen Menschen, darunter auch die Einwohner der zwei Autostunden entfernten Hauptstadt Jakarta, versorgt er mit Trinkwasser, Bodenbewässerung und Wasserkraft.
Die Probleme begannen, als sich die Region in den 1980er Jahren zu einem Industriezentrum entwickelte. An den Ufern des Citarum entstanden unzählige Textilfabriken, die unbehandelte Abfallstoffe – darunter Schwermetalle, Farbstoffe und Mikroplastik – ins Wasser leiteten, wie Greenpeace vor einigen Jahren in einem Bericht beschrieb.
Kampagne „Duftender Citarum“
Die Rede war von rund 2.700 mittleren und großen Betrieben, die mit ihren Chemikalien zur Verschmutzung des Citarum beitrugen. Laut einer Untersuchung der indonesischen Regierung von 2018 gelangten täglich bis zu 340.000 Tonnen gefährliche Abfälle in den Fluss. Die Folge: Stellenweise ist das Wasser bis heute schwarz verfärbt, durchzogen von giftigem Schaum.

Bilder wie diese zeigen, warum der Citarum oft „dreckigster Fluss der Welt“ genannt wird. Foto: Algi Febri Sugita/ZUMA Press Wire/dpa
Durch das rasante Anwachsen der Stadtbevölkerung verschärfte sich das Problem, weil immer mehr Haushaltsabfälle und speziell Einwegplastik in den Fluss gelangten. Tonnenweise. Täglich.
Um der Lage Herr zu werden, startete der damalige Präsident Joko Widodo eine ehrgeizige Reinigungskampagne mit dem klingenden Namen „Citarum Harum“, auf Deutsch: „duftender Citarum“. Ziel war es, das Wasser des Flusses innerhalb von sieben Jahren wieder trinkbar zu machen.
Illegale Abwasserentsorgung in der Nacht
Die sieben Jahre sind verstrichen. Hat die Kampagne Wirkung gezeigt? Ja und nein: Zwar hat sich die Wasserqualität dank neuer Kläranlagen allgemein verbessert.
Umweltaktivisten warnen, dass viele Fabriken noch immer ihre toxischen Abwässer in den Fluss leiten – vor allem nachts, um nicht entdeckt zu werden. Auch gelangt laut einer Untersuchung von 2023 giftiges Sickerwasser aus verrottenden Abfällen von der größten Mülldeponie der Provinz in den Citarum.
Und dann ist da der Müll. Erst im vergangenen Jahr gingen Fotos und Videos des Citarum um die Welt, auf denen zu sehen ist, wie die Behörden mit kleinen Booten versuchen, einen gewaltigen Abfallteppich zu säubern.
Die Behörden schätzten, dass sich die Abfallmassen über drei Kilometer erstreckten und rund 100 Tonnen wogen. Wie so oft gelingt unter großen Anstrengungen zwar eine Besserung – aber schon kurze Zeit später bahnen sich neue Müllmassen ihren Weg.
Ein Teufelskreis aus Plastik
Das hat auch damit zu tun, dass die Anwohner wegen des fehlenden Zugangs zu sauberem Trinkwasser auf den Kauf von Wasserflaschen angewiesen sind – von denen viele am Ende wiederum im Fluss enden.

Die Reinigungsaktionen der Behörden sind sehr aufwendig – aber meist kehrt der Müll schon bald wieder zurück.
Foto: Dimas Rachmatsyah/ZUMA Press Wire/dpa
Ein Teufelskreis. „Die Situation ist weiterhin alarmierend“, sagte Daru Setyorini, Umweltaktivistin der indonesischen Organisation Ecoton, der Deutschen Presse-Agentur.
Statt den Müll einfach nur aus dem Fluss zu fischen, sollte die Regierung verhindern, dass er überhaupt hineingelangt, betonte sie. „Der Citarum kann nicht allein durch Reinigungsmaßnahmen gerettet werden“, ist die Aktivistin überzeugt.
„Wenn wir nicht an der Quelle ansetzen – also Industrien regulieren, die Bevölkerung aufklären und auf eine nachhaltige Abfallwirtschaft umstellen – wird der Citarum weiter in Schwierigkeiten sein.“ (dpa/red)
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