Élysée: Macron ernennt Verteidigungsminister Lecornu zum Premier
Einen Tag nach dem Fall der Regierung ist Frankreichs neuer Premierminister ernannt: Der 39 Jahre alte Sébastien Lecornu, bislang Verteidigungsminister und ein enger Vertrauter von Präsident Emmanuel Macron, wird der nächste Regierungschef.
Macron habe Lecornu beauftragt, die im Parlament vertretenen politischen Kräfte zu konsultieren, um einen Haushalt zu verabschieden und die für die Entscheidungen der nächsten Monate notwendigen Vereinbarungen zu treffen, teile der Élysée-Palast mit. Nach diesen Gesprächen werde es Aufgabe des neuen Premierministers sein, dem Präsidenten eine Regierung vorzuschlagen.
Laut dem Präsidialamt werde das Handeln des Premierministers vom Dienst an den Bürgern Frankreichs sowie vom Einsatz für die politische und institutionelle Stabilität im Sinne der Einheit des Landes geleitet. Macron sei überzeugt, dass auf dieser Grundlage ein Dialog zwischen den politischen Kräften möglich sei – unter Wahrung der Überzeugungen jedes Einzelnen.
Amtsübergabe am Nachmittag des 10. September
Die Amtsübergabe ist für Mittwochmittag geplant. Für den Tag haben zahlreiche Gruppen und Aktivisten in Onlinediensten zu Protest- und Blockadeaktionen aufgerufen. Etwa 80.000 Sicherheitskräfte sollen Ausschreitungen verhindern. Im Bahn- und Flugverkehr wird mit Ausfällen und Verspätungen gerechnet.
Eine zentrale Organisation oder einen Anführer der Protestbewegung gibt es bislang nicht. Es bestehen aber Befürchtungen, dass die Proteste länger anhalten könnten.
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Von den Konservativen kommend wurde Lecornu 2017 in die Mitte-Regierung von Édouard Philippe berufen. Lecornu wird nachgesagt, einen gewissen Draht zu und Respekt von der Marine Le Pen zu haben.
Er gilt als Politiker, der von der bürgerlichen Rechten toleriert wird und dem im linken Lager zumindest keine krasse Ablehnung entgegenschlägt.
Auch Macron in Politkrise unter Druck
Macrons schnelle Ernennung dürfte nicht zuletzt eigennützige Gründe haben. Mit zwei gescheiterten Premiers in einem Jahr war der Präsident selbst unter Druck geraten. Macrons Schnell-Nominierung dürfte nicht nur der Versuch sein, die Haushaltskrise und die abermalige Politkrise einzugrenzen, sondern auch selbst aus der Schusslinie zu kommen.
Rassemblement National-Fraktionschefin Marine Le Pen warf Macron vor, seine „letzte Kugel“ abzufeuern. Sollte Lecornu nicht von der Politik Macrons abkehren, werde er das gleiche Schicksal erleiden wie seine Vorgänger. Marine Le Pen plädierte erneut dafür, dass eine Parlamentsneuwahl unumgänglich sei.
Grünen-Chefin Marine Tondelier nannte die Ernennung eines weiteren Premierministers aus dem Regierungslager – das bei den Parlamentswahlen nur auf den zweiten Platz gekommen war – eine „Provokation“.
Die Linkspartei LFI teilte mit, Lecornu müsse das Misstrauen ausgesprochen werden. Die Sozialisten teilten mit: „Emmanuel Macron beharrt auf einem Weg, an dem kein Sozialist teilnehmen wird.“
Glückwünsche gab es für den Neuen hingegen von Macrons Mitte-Kräften. Die konservativen Républicains hoffen auf Einigkeit mit Lecornu. In den vergangenen beiden Regierungen waren ihre Leute Teil des jeweiligen Kabinetts.
Gemessen an der Wirtschaftsleistung hat Frankreich mit 114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der EU nach Griechenland und Italien. In absoluten Zahlen lastet auf dem Land mit rund 3.300 Milliarden Euro der höchste Schuldenberg in der Eurozone. Auch die Staatsausgaben gehören zu den höchsten in Europa. Das Haushaltsdefizit lag zuletzt bei 5,8 Prozent. Die EU hat bereits im Juli 2024 ein Defizitverfahren gegen Frankreich eröffnet. (afp/dts/dpa/red)
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