Eskalation im Ukraine-Krieg

Die Ukraine hat mit Kommandounternehmen auf russische Luftwaffenstützpunkte und die Krim-Brücke wichtige Russische Infrastruktur getroffen. Das Land zeigt, wie mit billigen Drohnen millionenteure Kriegswaffen binnen Sekunden ausgelöscht werden können. Wird Putin jetzt an den Verhandlungstisch kommen? Zur Lage im Ukraine-Krieg.
Russland meldet zahlreiche Drohnenangriffe.
Nach Angaben aus Kiew hat die Ukraine mit Drohnenangriffen zwölf Militärflugzeuge in Russland zerstört. (Archivbild)Foto: Uncredited/ukrin/dpa
Von 4. Juni 2025

Heute berät im NATO-Hauptquartier in Brüssel die sogenannte „Ukraine-Kontaktgruppe“ (UDCG). Zu dem Treffen haben Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und sein britischer Amtskollege John Healey eingeladen. Doch der Vertreter des wichtigsten Landes fehlt.

Nach Angaben von Diplomaten hat der amerikanische Verteidigungsminister Pete Hegseth die Einladung ausgeschlagen. Die Kontaktgruppe war unter der Biden-Regierung gegründet worden. Nach der Amtsübernahme durch Donald Trump zogen sich die USA daraus zurück. Bei den Gesprächen heute in Brüssel soll es um die weitere Unterstützung der Ukraine gegen Russland gehen.

Überraschende Eskalation durch Ukraine

Inzwischen hat der Ukraine-Krieg eine neue Eskalationsstufe erreicht. Die Ukraine zerstört nun mit Spezialkommandos Brücken und Bomberflugzeuge weit im Hinterland Russlands. Der Verkehr über die Kertsch-Brücke auf der Krim wurde jedoch am Dienstagnachmittag wieder aufgenommen, Stunden nachdem ein ukrainisches Kommando-Unternehmen Fundamente an einem Brückenpfeiler angesprengt hatte. Die Brücke, die die Halbinsel mit dem russischen Festland verbindet, wurde 2018 eröffnet und wird von Russland zur Versorgung seines Militärs in den besetzten Teilen der Ukraine genutzt.

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Die Explosion am frühen Morgen des 3. Juni folgte unmittelbar auf die jüngste Militäroperation ukrainischer Spezialkräfte innerhalb Russlands. Am 1. Juni hatte nach Angaben aus Kiew der ukrainische SBU-Geheimdienst zwölf Militärflugzeuge, darunter strategische Bomber, in Russland zerstört. Zuvor hatte der Geheimdienst von 41 beschädigten Flugzeugen gesprochen, diese Zahl später jedoch nach unten korrigiert.

Gespräche über Gefangene und Kinder

Unterdessen dauern auch die russischen Angriffe auf zivile Zentren an. In der nordöstlichen Grenzstadt Sumy wurden Medienberichten zufolge vier Menschen getötet und 28 verletzt. Dennoch trafen sich beide Seiten am Montag zu einer zweiten Gesprächsrunde in Istanbul, in deren Verlauf der Austausch von mindestens 1.000 Gefangenen vereinbart worden sei. Bei den Kriegsgefangenen soll es sich um Soldaten im Alter von unter 25 Jahren handeln sowie um schwer Verwundete und Kranke. Der russischen Delegation sei zudem eine Liste mit Namen von ukrainischen Kindern übergeben worden, die aus den besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland entführt worden seien.

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Die erste direkte Verhandlungsrunde zwischen der Ukraine und Russland seit 2022 war am 16. Mai ebenfalls in Istanbul geführt worden. Auch hier war es lediglich um Gefangenenaustausch gegangen. Auf die seit Monaten erhobene Forderung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach einem 30-tägigen Waffenstillstand ist die russische Seite bisher nicht eingegangen.

Schriftliche Zusagen des Westens

Russlands UN-Botschafter Wassili Nebenzya bekräftigte laut zahlreichen Medienberichten in New York vielmehr, dass Moskau einen Waffenstillstand nur dann in Betracht ziehe, wenn die Ukraine ihre Mobilmachung einstelle und keine ausländische Militärhilfe mehr annehme. Zudem verlangt Moskau, dass die Ukraine ihre Truppen aus jenen vier ukrainischen Regionen abzieht, die Russland für sich beansprucht und teilweise annektiert hat: Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson. „Euronews“ berichtet, dass Moskau zudem von westlichen Staats- und Regierungschefs eine schriftliche Zusage erhalten möchte, die NATO-Erweiterung zu stoppen.

Was macht Trump?

Er hatte letztes Jahr in seinem Wahlkampf versprochen, den Ukraine-Krieg einen Tag nach seinem Amtsantritt zu beenden: Der amerikanische Präsident Donald Trump scheint nun doch keinen Einfluss auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin ausüben zu können. Nach den schweren russischen Luftangriffen auf die Ukraine Ende Mai bezeichnete Trump den russischen Präsidenten als „vollkommen verrückt“. Auf seiner eigenen Online-Plattform Truth Social schrieb Trump zudem: „Was Wladimir Putin nicht erkennt, ist, dass in Russland ohne mich bereits viele wirklich schlimme Dinge passiert wären, und ich meine WIRKLICH SCHLECHTE. Er spielt mit dem Feuer!“

Dennoch zieht Trump bisher nicht in Erwägung, Druck gegenüber Putin aufzubauen, etwa durch zusätzliche Sanktionen. Derzeit ist unklar, wie sich Trump weiter verhalten wird. Vor wenigen Tagen kündigte er in seinem Büro im Weißen Haus an, er gebe Putin noch zwei Wochen Zeit. Welche Reaktion dann aus Washington folgen soll, bleibt offen.

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„Operation Spinnennetz“ zeigt Schwachstellen für alle Armeen auf

„Der jüngste Angriff der Ukraine auf russische Flugplätze hat ein neues Kapitel für Drohnentaktiken geschrieben“, bewertet das Wirtschaftsmagazin „Business Insider“ die neue Kriegsführung Kiews. Agenten schmuggelten die Drohnen nach Russland und starteten sie aus der Ferne in der Nähe von Luftwaffenstützpunkten. Diese Kommandounternehmen verdeutlichen die Schwachstellen einer der fortschrittlichsten Armeen der Welt. „Aber nicht nur für die russische Luftwaffe, sondern für alle modernen Streitkräfte“, erklärten mehrere Verteidigungsexperten gegenüber „Business Insider“.

„Dieser Angriff ist ein Fenster zu einem künftigen Krieg“, schätzt James Patton Rogers, ein Drohnenexperte und Geschäftsführer des Cornell Brooks Tech Policy Institute, die neue Lage ein.

Die Ukraine hat Russland zwar schon häufig mit Drohnen angegriffen. Doch die als „Operation Spinnennetz“ benannte Spezialoperation, bei der gleichzeitig vier russische Flugplätze angegriffen wurden, stellt eine neue Dimension der Kriegsführung dar.

Nach Angaben der Ukraine hätten Agenten die Drohnen nach Russland geschmuggelt und sie dann auf Lastwagen montiert, die am Tag des Angriffs zu den Luftwaffenstützpunkten fuhren. Von dort aus sollen die Drohnen gestartet worden sein. Der verursachte Schaden soll sich auf etwa 6 Milliarden Euro belaufen. Aufgrund der Nähe zu den Basen sowie aufgrund der hohen Anzahl der Angriffsdrohnen hätte die russische Luftverteidigung keine Chance gehabt, zu reagieren.

Ukraine ist unabhängig vom Westen geworden

Was bedeutet dieser spektakuläre Angriff für Russland und den Rest der Welt? Gabrielus Landsbergis, ehemaliger Außenminister Litauens, versucht auf seinem Blog eine Antwort auf diese Frage zu geben. „Das Schlachtfeld wird heute größtenteils von den eigenen Innovationen der Ukraine getragen“, schreibt er und glaubt, dass die Ukraine längst nicht mehr so abhängig von westlicher Militärtechnologie sei wie zu Beginn des Krieges. Landsbergis weiter:

Die Fähigkeit der Ukraine, ihre Linien zu halten, hängt zunehmend von im Inland produzierten Fähigkeiten ab. Artillerie und Panzer haben immer noch ihre Berechtigung, aber der Drohnenkrieg hat ihren Einsatz völlig neu definiert. Keine Seite kann schweres Gerät nah an die Front bewegen, ohne sofort zum Ziel zu werden. Hunderte, sogar Tausende Drohnenangriffe pro Tag sorgen dafür, dass die Front mehr oder weniger gleich bleibt. Während die Welt redet, Treffen abhält und eine weitere ‚Koalition der Willigen‘ bildet, die größtenteils nirgendwohin führt, sind die Ukrainer innovativ und kämpfen.“

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Videos und Bilder des Angriffs zeigen, dass die russischen Flugzeuge im Freien, außerhalb jeglicher Schutzräume, geparkt waren. Auf diese Weise wurden sie zu einem leichten Ziel. Doch auch die USA parken einen Großteil ihrer Luftwaffenflotte auf offenen Flugplätzen und könnten in einem Konfliktfall ebenfalls Ziel eines solchen Angriffs werden.

Lehren für Deutschland

Die Bundesluftwaffe verfügt über 339 Flugzeuge, darunter Eurofighter, Transportflugzeuge wie den A400M und Aufklärungsflugzeuge wie die P-3C Orion. Auch diese können nicht alle in einer gestählten Halle untergebracht werden. Insofern haben die ukrainischen Spezialkräfte am 1. Juni 2025 der gesamten Welt vorgeführt, wie mit billigen Drohnen millionenteure Kriegswaffen binnen Sekunden ausgelöscht werden können, ohne dass ein Kampf stattgefunden hat. Möglicherweise wird darüber heute auch in der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel gesprochen. Zumindest ist dieses Thema den Verteidigungsministern der Kontaktgruppe zu empfehlen.



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