EU-Mitgliedschaft der Ukraine: Setzt Kiew Pipeline-Angriffe gezielt gegen Budapest ein?

In Kürze:
- In den vergangenen Wochen hat die Ukraine mehrere Angriffe auf die russische Ölpipeline verübt, die Ungarn und die Slowakei versorgt.
- Am Sonntag antwortete der ukrainische Präsident auf einer Pressekonferenz auf die Frage, ob die Angriffe dazu dienen, Druck auf Budapest auszuüben, was das ungarische Veto zu einem EU-Beitritt der Ukraine angeht.
- Laut Ungarns Außenminister bedroht Kiew damit die ungarische Regierung.
- Die Debatte dauert weiterhin an. Brüssel sieht keine Gefahr für die Energieversorgung.
Wolodymyr Selenskyj machte auf der Pressekonferenz zum ukrainischen Unabhängigkeitstag einen aufsehenerregenden Kommentar über Ungarn. Hintergrund waren die Angriffe der ukrainischen Streitkräfte auf die Ölpipeline Druschba in diesem Monat. Über diese Leitung bezieht Budapest russisches Öl.
Auf die Frage einer Journalistin, ob die Angriffe auf die Pipeline helfen könnten, dass Budapest sein Veto gegen den EU-Beitritt der Ukraine aufgebe, antwortete der ukrainische Präsident am Sonntag, 24. August:
„Wir haben die Freundschaft zwischen der Ukraine und Ungarn immer unterstützt. Jetzt hängt das Fortbestehen dieser Freundschaft allein von Ungarns Position ab.“
Dem ungarischen Außenminister Péter Szijjártó zufolge nutze Selenskyj damit den ukrainischen Nationalfeiertag, um Ungarn zu bedrohen. Dies auch in Anbetracht der Tatsache, dass der Begriff „Freundschaft“ gleichzeitig auf Russisch auch der Name der von der Ukraine wiederholt angegriffenen Ölpipeline ist.
Die Wortgefechte folgten in rascher Abfolge. In die Auseinandersetzung schaltete sich auch die ebenfalls von russischen Öllieferungen abhängige Slowakei ein.
Ungarn weist „Drohungen“ aus Kiew zurück
Ungarn ist das einzige EU-Mitglied, das sich in Brüssel offen gegen die Beschleunigung des EU-Beitritts der Ukraine positioniert. Mitte Februar blockierte Ministerpräsident Viktor Orbán auch die Eröffnung der ersten Verhandlungen des Beitrittsprozesses. Er forderte gleichzeitig eine Erweiterung der Liste der Anforderungen an die Ukraine.
Angesichts der Tatsache, dass die ukrainischen Streitkräfte in den vergangenen Wochen die Ölleitung Druschba dreimal angegriffen haben – allein in der vergangenen Woche fanden zwei Angriffe statt –, erklärte Szijjártó, dass Ungarn „die Drohungen des ukrainischen Präsidenten entschieden zurückweist“.
Nach dem letzten Angriff schrieb Szijjártó zusammen mit dem slowakischen Außenminister einen offenen Brief an die EU-Kommission. Darin führten sie aus, dass die Angriffe in Wirklichkeit nicht vor allem Russland bedrohen, sondern Ungarn und die Slowakei. Jeder Angriff bringe die Ölversorgung beider Länder für mehrere Tage zum Erliegen.
„Wir betrachten Souveränität und territoriale Integrität als grundlegende Werte der internationalen Politik. Deshalb respektieren wir auch die Souveränität und territoriale Integrität jedes Landes, so wie wir dasselbe von allen anderen Ländern erwarten“, sagte Szijjártó in seiner Reaktion auf den sozialen Medien am Sonntag.
Dazu fügte er ein Video bei, das den Teil von Selenskyjs Stellungnahme zeigt, in dem er die kritischen Aussagen machte.
.@ZelenskyyUa used Ukraine’s national holiday to threaten Hungary. We firmly reject the Ukrainian President’s intimidation.
We regard sovereignty and territorial integrity as fundamental values of international politics. That is why we respect every country’s sovereignty and… pic.twitter.com/oUsgKNgqcV
— Péter Szijjártó (@FM_Szijjarto) August 24, 2025
Der Außenminister forderte den ukrainischen Präsidenten zugleich auf, die Bedrohung Ungarns zu beenden und „mit der Gefährdung unserer Energiesicherheit aufzuhören“. Szijjártó schrieb in einem Facebook-Beitrag am Freitag, dass die Angriffe auf die Ölleitungen immer schwerwiegender werden. Beim letzten Mal „setzten die Ukrainer neben Drohnen auch Raketen ein“, schrieb er.
Antwort des ukrainischen Außenministers
Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha reagierte auf X auf Szijjártós Worte an den ukrainischen Präsidenten. Seiner Aussage nach hänge die Energiesicherheit Ungarns nicht von ukrainischen Aktivitäten ab.
„Die Sicherheit der Energieversorgung Ungarns liegt in den eigenen Händen. Diversifizieren Sie und werden Sie unabhängig von Russland wie der Rest Europas“, schrieb er. Man müsse dem ukrainischen Präsidenten nicht sagen, was er tun oder sagen solle, und wann. „Er ist Präsident der Ukraine, nicht von Ungarn“, schrieb Sybiha.

Der ungarische Außen- und Handelsminister Péter Szijjárto (r.) und der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha am 30. September 2024 im Außenministerium in Budapest. Foto: Attila Kisbenedek/AFP via Getty Images
Der Minister hatte bereits in der vergangenen Woche eine ähnliche Bemerkung zu Szijjártós früheren Aussagen über die ukrainischen Drohnenangriffe gemacht. Damals ließ er Szijjártó wissen, dass „er seine Beschwerden und Drohungen ab sofort an seine Freunde in Moskau senden könne“, und spielte damit darauf an, dass sie den Krieg nicht begonnen hätten.
Szijjártó hatte zuvor in Bezug auf die Diversifizierung mehrfach betont, dass der Ausschluss russischer Energiequellen die Kosten für ungarische Familien vervielfachen würde. Deshalb lehne Ungarns Regierung dies ab.
Ungarn deckt nach wie vor den Großteil seines Energiebedarfs mit russischem Gas und Öl – etwa 80 Prozent der Gasimporte stammen von dort. Zwar prüfe die Regierung alternative Lieferwege, doch diese seien unsicher oder zu kostspielig. Budapest setzt zudem auf Kooperationen mit Ländern wie Aserbaidschan, Georgien und Serbien, während die Partnerschaft mit Moskau für Orbán weiterhin eine Option bleibt.

In der ukrainischen Presse wurden zahlreiche Fotos und Videos zu den jüngsten ukrainischen Luftangriffen auf die Druschba-Pipeline veröffentlicht. „Die Hauptpumpstation wurde vollständig außer Betrieb gesetzt“, heißt es in einem Bericht von „Korrespondent“. Foto: Bildschirmaufnahme/Korrespondent.net/Beitrag von Supernova+Telegram
Slowakei: Die Ukraine gefährdet ihre eigenen Interessen
Juraj Blanár, der slowakische Außenminister, äußerte sich am Sonntag in einer Fernsehsendung im Programm „Politika 24“ von JOJ TV ebenfalls zu der Debatte.
Die Slowakei liefere große Mengen Treibstoff an die Ukraine, betonte Blanár. In Bratislava verarbeite die Raffinerie Slovnaft dafür russisches Öl aus der Druschba-Pipeline. Rund 10 Prozent des monatlichen Dieselbedarfs der Ukraine stammen aus der Slowakei, erklärte Blanár.
„Diese Infrastruktur ist für uns sehr wichtig“, sagte er und fügte hinzu: „Wir sehen, dass die Ukraine ihre eigenen Interessen verletzt und riskiert, dass auf ihrem Gebiet nicht genügend Treibstoff zur Verfügung stehen wird.“ Blanár stimme sich in dieser Angelegenheit auch mit dem ukrainischen Außenminister ab, der seine Besorgnis geteilt habe, so der Minister.

Der ungarische Minister Péter Szijjártó (r.) und der slowakische Außenminister Juraj Blanár haben sich vergangene Woche in einem gemeinsamen Schreiben an die Europäische Kommission gewandt. Foto: Attila Kisbenedek/AFP via Getty Images
Ungarn versorgt die Ukraine ebenfalls mit Strom und Öl. Orbán hatte vor zwei Wochen in einem Podcast erklärt, die Stromversorgung der Ukraine sei sehr gefährdet – „etwa durch einen Stromausfall“. Ungarn, so sagte er weiter, könne „den Zusammenbruch der Ukraine an einem einzigen Tag arrangieren“.
Brüssel sieht die Energieversorgung nicht in Gefahr
Auf die Beschwerdebriefe des slowakischen und ungarischen Außenministers in der vergangenen Woche, die an die EU-Kommission bezüglich der Angriffe der Ukraine auf die Pipeline gesendet wurden, fragte „Euronews“ in der vergangenen Woche in Brüssel nach.
Der Pressedienst der Kommission erklärte, dass ihrer Ansicht nach weder in Ungarn noch in der Slowakei die Versorgung gefährdet sei. Der Grund dafür sei, dass für alle Mitgliedstaaten vorgeschrieben wurde, Öl- und Mineralölprodukte für 90 Tage anzulegen.
„Wir bestätigen, dass sowohl in der Slowakei als auch in Ungarn die vorgeschriebene Menge an Notfallreserven vorhanden ist, die im Bedarfsfall freigegeben werden können“, heißt es in der Antwort vom 22. August.
Der Kommissionssprecher fügte hinzu, dass die Vorkommnisse die Sicherheit der Energieversorgung in der EU nicht beeinträchtigen. Daher seien keine weiteren Maßnahmen zu erwarten. Inwiefern die Äußerungen Selenskyjs vom Sonntag die Position in Brüssel beeinflussen, bleibt vorerst offen.
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