Festnahme in Italien: Ex-BND-Chef sieht Ukraine hinter Sabotage von Nord Stream

August Hanning, von 1998 bis 2005 Präsident des deutschen Auslandsgeheimdienstes Bundesnachrichtendienst (BND) und bis November 2009 Staatssekretär im Bundesinnenministerium, gibt sich überzeugt, dass die Ukraine hinter der Nord-Stream-Sabotage steckt. Am 26. September 2022 wurde mit vier Sprengungen ein Anschlag auf die beiden Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee verübt. Über diese Röhrensysteme bezog Deutschland russisches Erdgas. Zum Zeitpunkt des Anschlags waren die Leitungen jedoch nicht in Betrieb.
Justizministerin Hubig gibt Festnahme bekannt
Anlass der Äußerung Hannings ist die Erklärung der Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) am 21. August vor der Presse in Berlin. Hubig erklärte anlässlich der Festnahme eines Verdächtigen im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Sabotage an den Nord-Stream-Gaspipelines: Die Bundesanwaltschaft habe am 20. August „einen beeindruckenden Ermittlungserfolg erzielt“. Sie habe in Italien „einen der mutmaßlichen Drahtzieher der Sprengstoffexplosion der Nord Stream […] festnehmen“ lassen. „Nach dreijähriger akribischer Ermittlungsarbeit ist es ein wirklich beeindruckender Ermittlungserfolg. Das zeigt, dass wir in Deutschland hervorragende Ermittlerinnen und Ermittler haben“, sagte die Ministerin.
Auf die Nachfrage, welche Bedeutung diese Festnahme jetzt für die weiteren Ermittlungen habe, antwortete Hubig: „Was das Ermittlungsverfahren insgesamt anbelangt, ist der Generalbundesanwalt federführend.“ Klar sei jetzt, dass auf der Grundlage des Europäischen Haftbefehls ein Überstellungsverfahren erfolgen werde, damit der Beschuldigte von Italien nach Deutschland überstellt werde.
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Auswirkungen auf die Beziehung Berlin zu Kiew
Welche Auswirkungen die Festnahme des Ukrainers möglicherweise auf das Verhältnis zwischen Berlin und Kiew haben werde, wollte die Presse wissen. Dazu Hubig: „Wir stehen politisch fest an der Seite der Ukraine. Gegen die Ukraine wird seit drei Jahren ein furchtbarer Angriffskrieg geführt, durch Russland.“ Wichtig für sie sei jedoch, „dass wir aber eben in Deutschland ein Rechtsstaat sind und dass wir Straftaten, die in unserer Zuständigkeit begangen werden, auch konsequent ermitteln“, sagte Hubig.
In einem Gespräch mit „WELT TV“ ergänzte am 21. August der ehemalige BND-Chef August Hanning: „Wenn ein Haftbefehl ausgestellt wird, besteht ein dringender Tatverdacht. Der setzt Tatsachen voraus. Der setzt ‘hard Facts‘ voraus. Deswegen bin ich sehr sicher, dass die deutschen Ermittlungsbehörden hier hervorragende Arbeit geleistet haben.“
Der am 20. August in Italien Festgenommene sei „nicht der einzige Tatverdächtige“. „Es gibt ja noch andere Tatbeteiligte in der Ukraine“, sagte Hanning und glaubt, auch diese seien den deutschen Ermittlungsbehörden bekannt. „Jetzt hoffen wir, dass der Festgenommene auch aussagebereit ist, um noch weiter Aufklärung zu betreiben.“ Hanning sagt auch, dass er dennoch davon ausgeht, dass alle Beteiligten versuchen werden, einen diplomatischen Eklat zu verhindern, in Hinblick auf einen möglichen Friedensprozess in der Ukraine.
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Durch die Explosionen im September 2022 wurden drei der vier Stränge der beiden Nord-Stream-Leitungen schwer beschädigt. (Archivbild) Foto: -/Danish Defence Command/dpa
Ex-BND-Chef Hanning: „Ich habe da keinerlei Zweifel“
„Was die ukrainische Beteiligung betrifft, ich glaube, da gibt es jetzt sehr gesicherte Anhaltspunkte. Ich habe da keinerlei Zweifel, dass dies in der Ukraine initiiert worden ist und letztlich auch von ukrainischen Beteiligten ausgeführt worden ist“, sagte Hanning in dem TV-Interview. „Wenn ein Verbündeter wie die Ukraine deutsche Infrastruktureinrichtungen – aus ukrainischer Sicht natürlich russische Infrastruktureinrichtungen – angreift, ist das natürlich politisch schon heikel“, so Hanning. Und weiter:
„Wir haben einmal die ukrainische Urheberschaft, wobei ich glaube, dass schon auch die ukrainische Führung eingebunden war, was auch immer Herr Selenskyj erklärt.“ Die Ukraine habe während des Krieges „systematische russische Infrastruktureinrichtungen angegriffen“, auch in Russland.
„Und aus der Sicht der ukrainischen Führung waren eben auch die Nord-Stream-Pipelines eine russische Infrastruktureinrichtung. Insoweit macht das schon Sinn, aus ukrainischer Sicht, diese anzugreifen. Natürlich verletzt man damit auch die Interessen eines wichtigen Verbündeten. Und Deutschland ist einer der wichtigsten Verbündeten der Ukraine. Aber darüber hat man sich offenkundig hinweggesetzt“, zeigt sich der ehemalige Geheimdienstler überzeugt.
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Kommt es zu einem Prozess in Karlsruhe?
Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe teilte am 21. August mit, dass sie „aufgrund eines Europäischen Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 18. August 2025“ den ukrainischen Staatsangehörigen Serhii K. in der italienischen Provinz Rimini durch Carabinieri habe festnehmen lassen. Der Beschuldigte sei „des gemeinschaftlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion (§ 308 Abs. 1 StGB), der verfassungsfeindlichen Sabotage (§ 88 Abs. 1 Nr. 3 StGB) sowie der Zerstörung von Bauwerken (§ 305 Abs. 1 StGB) dringend verdächtig“, so der Generalbundesanwalt weiter.
Serhii K. sei verdächtig, zu einer Gruppe von Personen zu gehören, „die im September 2022 nahe der [dänischen] Insel Bornholm Sprengsätze an den Gaspipelines ‚Nord Stream 1‘ und ‚Nord Stream 2‘ platzierten. Bei dem Beschuldigten handelte es sich mutmaßlich um einen der Koordinatoren der Operation. Für den Transport nutzten er und seine Mittäter eine Segeljacht, die von Rostock aus startete. Die Yacht war zuvor mit Hilfe gefälschter Ausweispapiere über Mittelsmänner bei einem deutschen Unternehmen angemietet worden.“ Der Beschuldigte werde nach einer Überstellung aus Italien dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, hieß es in der Erklärung aus Karlsruhe.
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Polens Verstrickung
Wie polnische Zeitungen im September 2024 berichteten, hätten vor einem Jahr deutsche Ermittler behauptet, dass die Gruppe ukrainischer Taucher, die angeblich Sprengstoff von der Segeljacht „Andromeda“ aus an den Leitungen platziert habe, in Polen ausgebildet worden seien.
Am 14. August 2024 hatte die amerikanische Tageszeitung „Wall Street Journal“ (WJS) erstmals unter dem Titel „Ein betrunkener Abend, eine gemietete Yacht: Die wahre Geschichte der Sabotage der Nord-Stream-Pipeline“ breit über Hintergründe zu dem Sabotageakt berichtet. Die Zeitung behauptete, „private Unternehmer finanzierten die mit minimalen Mitteln durchgeführte Operation, die von einem hochrangigen General beaufsichtigt wurde; Präsident Selenskyj genehmigte den Plan und versuchte anschließend erfolglos, ihn abzubrechen“. Das ukrainische Sabotageteam habe auf Befehl des damaligen Oberbefehlshabers der ukrainischen Streitkräfte, General Walerij Saluschnyj, die Leitungen gesprengt.
Polnische Medien griffen den Fall auf und berichteten, dass Wolodymyr Z., ein ukrainischer Taucher, der von den deutschen Behörden der Beteiligung am Bombenanschlag verdächtigt werde, Polen Anfang Juli in Richtung Ukraine verlassen habe. „Die polnische Staatsanwaltschaft bestätigte die Informationen“, hieß es am 14. August 2024 in der polnischen Tageszeitung „Kresy.pl“.
Die polnische Staatsanwaltschaft begründete damals das Entkommen von Wolodymyr Z. damit, dass ein Europäischer Haftbefehl aus Deutschland gegen den Verdächtigen eingegangen sei, aber die deutschen Behörden versäumt hätten, dessen Namen in die Fahndungsdatenbank einzutragen. Zudem fanden die polnischen Behörden Wolodymyr Z. nicht an seinem angeblichen Aufenthaltsort. „Der Mann überquerte Anfang Juli die polnisch-ukrainische Grenze“, zitierte „Kresy.pl“ Anna Adamiak, Sprecherin der polnischen Generalstaatsanwaltschaft.
Hanning glaubt „nach wie vor, dass Polen dort eine besondere Rolle spielt“. Als Begründung führt der ehemalige Geheimdienstchef an: „Die polnischen Behörden hatten bestimmte Gründe, dafür zu sorgen, dass der offenkundig Tatbeteiligte das Land verlassen konnte.“
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Wie Italien Serhii K. ausfindig machte
Serhii K. „befand sich seit einigen Tagen mit seiner Familie im Urlaub in Italien“, war im italienischen Staatsfernsehen „Rai“ zu erfahren. Er sei dank des Systems „Alert Alloggiati” in einer Ferienanlage ausfindig gemacht worden. Alert Alloggiati ist eine Software, die ursprünglich entwickelt wurde, um Hotelbesitzern und Beherbergungsbetrieben die Übermittlung von Daten von Gästen zu erleichtern. Sie wird auch genutzt, um Gästeinformationen an die Polizei weiterzuleiten, die diese mit zur Fahndung ausgeschriebenen Personen abgleicht.
Der Ukrainer war laut RAI mit seiner Frau und seinen beiden Kindern im Alter von sechs und neun Jahren für einen fünftägigen Aufenthalt in einer Unterkunft in San Clemente im Süden der Provinz Rimini im Urlaub. Er habe bei seiner Festnahme keinen Widerstand geleistet.
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Auch ukrainischer Anschlag in Italien?
Wie RAI weiter berichtet, habe die Staatsanwaltschaft von Genua die DIGOS, eine Ermittlungseinheit der italienischen Polizei für Terror- und Extremismusbekämpfung, beauftragt, Serhii K. zu einem anderen Fall zu befragen.
In Italien wird wegen eines Anschlags ermittelt, der sich im Februar vor der Küste von Savona ereignet hatte. Der unter maltesischer Flagge fahrende Öltanker „Seajewel“, der der russischen Schattenflotte zugerechnet wird, wurde durch zwei Sprengsätze beschädigt. Die DIGOS gehe davon aus, dass es sich dabei um einen Sabotageakt „durch ukrainische Kräfte“ gehandelt habe, berichtete das italienische Fernsehen.
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