Frankreichs Premier muss sich Misstrauensanträgen stellen

Die Abstimmung in der Nationalversammlung ist eine Bewährungsprobe. Wenn Premier Lecornu sie übersteht, kann er den schwierigen Sparhaushalt und die Debatte um das Rentensystem angehen.
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Sebastien Lecornu (r) ist erneut Premierminister Frankreichs.Foto: Ludovic Marin/AFP via Getty Images
Epoch Times16. Oktober 2025

Frankreichs Premier Sébastien Lecornu und sein neues Kabinett müssen sich an diesem Donnerstag Misstrauensanträgen stellen. Mit einem Ergebnis wird am späten Vormittag gerechnet.

Dass der Premier und seine Mitte-Rechts-Regierung bei der Abstimmung in der Nationalversammlung in Paris gestürzt werden, wird als wenig wahrscheinlich angesehen – da die Sozialisten sie nicht unterstützen wollen.

Lecornu hatte mit der in Aussicht gestellten Aussetzung der Rentenreform die Sozialisten dazu bewogen, sich nicht an einem Sturz der Regierung zu beteiligen. Dies könnte nur passieren, wenn unter den knapp 70 sozialistischen Abgeordneten etwa zwei Dutzend Abweichler wären. Der Parteichef der Sozialisten, Olivier Faure zeigte sich zuversichtlich, dass die Parteidisziplin weitgehend gewahrt bleibt.

Der Parteichef der linkspopulistischen LFI, Manuel Bompard, warf den Sozialisten Verrat an der gemeinsamen Sache vor und rief die sozialistischen Abgeordneten zum Ungehorsam auf. Bei der Misstrauensabstimmung werden nur die Stimmen gezählt, die den Antrag unterstützen.

RN-Fraktionschefin Marine Le Pen sagte: „Wir stimmen ohne zögern für den Misstrauensantrag. (…) Dieser Haushaltsentwurf ist hoffentlich der letzte Akt eines politischen Systems, das am Ende seiner Kräfte ist“.

Lecornu macht Zugeständnisse an die Opposition

Lecornu hatte vor zwei Tagen ein Aussetzen der umstrittenen Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron angekündigt und sich mit diesem Zugeständnis an die Opposition die Unterstützung der Sozialisten gesichert.

Diese hatten ein Aussetzen der Reform gefordert und zur Bedingung für eine Duldung der neuen Regierung gemacht. Da die Parteien keinen Fraktionszwang bei Abstimmungen praktizieren, bleibt das Ergebnis jedoch offen.

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Dem nun anstehenden Misstrauensvotum waren turbulente Wochen in der französischen Politik vorangegangen. Im Streit um einen Sparhaushalt scheiterte Lecornus Vorgänger François Bayrou, er verlor Anfang September eine Vertrauensfrage. Macron ernannte Lecornu zum Premier, der nach nur vier Wochen im Amt nach internem Streit hinschmiss, von Macron aber ins Amt zurückgeholt wurde.

Beratungen über Sparhaushalt und Rentensystem stehen an

Wenn Lecornu das Misstrauensvotum übersteht, können Regierung und Parlament in die schwierigen Beratungen über einen Sparhaushalt einsteigen, den der Premier vor zwei Tagen vorgelegt hat. Auch zum Reformieren des Rentensystems steht dann eine neue Debatte an.

Gemessen an der Wirtschaftsleistung hat Frankreich mit 114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der EU nach Griechenland und Italien. Das Haushaltsdefizit lag zuletzt bei 5,8 Prozent. Die Europäische Union hat bereits im Juli 2024 ein Defizitverfahren gegen Frankreich eröffnet.

Ein gelungener Neustart Lecornus wird auch als Macrons letzte Chance angesehen, seine bis 2027 laufende zweite Amtszeit ohne weitreichenden Ansehensverlust zu überstehen. Er ist in der jüngsten Krise verstärkt in die Kritik geraten. Teile der Opposition fordern seinen Rücktritt und auch in den eigenen Reihen hat sich Unmut breit gemacht.

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Politische Lage in Frankreich ist verfahren

Seit der vorgezogenen Parlamentswahl im Sommer 2024 ist die Nationalversammlung in mehrere politische Blöcke geteilt, die jeweils allein keine regierungsfähige Mehrheit besitzen – aber auch keine tragfähigen Bündnisse bilden. Vielmehr blockieren sie sich gegenseitig. Koalitionen wie etwa in Deutschland sind in Frankreich unüblich. Lecornus neues Kabinett ist bereits die vierte Regierung seit der Wahl.

Sollten der Premier und seine Regierung wider Erwarten stürzen, dürften wahrscheinlich eine Auflösung des Parlaments und Neuwahlen folgen. Dass Macron abermals auf die Suche nach einem neuen Premier geht und diesen mit der Bildung einer weiteren Regierung beauftragt, gilt als unwahrscheinlich.

Ein Regierungssturz würde zudem die finanziellen Probleme des hoch verschuldeten Landes verstärken. Damit Frankreich Ende des Jahres nicht ohne einen Haushalt für 2026 dasteht, hatte Lecornu gerade noch innerhalb der Frist am 14. Oktober einen Budgetentwurf eingebracht.

Dieser wäre mit einem Regierungssturz hinfällig und Frankreich müsste erst einmal mit einem Übergangshaushalt in das kommende Jahr starten, was Unsicherheit schafft und zum Aufschub staatlicher Ausgaben führt. Dies wäre ein negatives Signal an Investoren und die Privatwirtschaft. (dpa/red)



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