Frankreichs Premierminister tritt zurück – Sorgen um die Stabilität der Eurozone wachsen

In Kürze:
- Frankreichs Premier François Bayrou scheitert an der Vertrauensfrage und tritt zurück.
- Sein Haushaltsentwurf mit massiven Kürzungen und Steuererhöhungen findet keine Mehrheit.
- Frankreichs Schuldenquote liegt bei 114 Prozent des BIP; nur Griechenland und Italien stehen schlechter da.
- Die Krise in Frankreich könnte die Eurozone destabilisieren und Folgen für Deutschland haben.
Frankreichs Premierminister François Bayrou hat am Dienstag, 9. September, bei Präsident Emmanuel Macron sein Rücktrittsgesuch eingereicht. Seine Flucht nach vorn in eine Vertrauensabstimmung in der Nationalversammlung hatte zuvor am Montagabend mit einer deutlichen Niederlage geendet. Nur 194 der 577 Abgeordneten des französischen Parlaments sprachen ihm das Vertrauen aus. Gegen ihn stimmten 364 Parlamentarier.
Bayrou war erst seit Dezember 2024 im Amt. Er folgte dem durch ein Misstrauensvotum gestürzten Michel Barnier. Präsident Emmanuel Macron hat angekündigt, zügig einen Nachfolger zu benennen.
Frankreich deutlich von Maastricht-Kriterien entfernt – Bayrou kritisiert „Boomer“
Der Premier hatte zuvor seinen Haushaltsentwurf mit seinem eigenen politischen Schicksal verknüpft. Mit markigen Worten übte er Kritik an den „Boomern, die glauben, es sei alles in Ordnung“, und bezeichnete seinen Ansatz als alternativlos, um der Überschuldung entgegenzuwirken.
Im Frühjahr 2025 betrug die Staatsverschuldung in Frankreich 114 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das Haushaltsdefizit belief sich im vergangenen Jahr auf 5,8 Prozent. Beides ist weit von den Maastricht-Kriterien von 60 Prozent bei der Staatsverschuldung und 3 Prozent des Haushaltsdefizits entfernt. Prekärer ist die Lage in der Eurozone derzeit nur in Griechenland und Italien. Der Haushaltsentwurf, den Bayrou vorgelegt hatte, sollte Einsparungen von 44 Milliarden Euro ermöglichen.
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Bayrous Sparkurs: Feiertage streichen, Sozialleistungen einfrieren, Steuern erhöhen
Bayrou beabsichtigte, der Schuldenkrise mit weitreichenden Maßnahmen zu Leibe zu rücken. Er plante, die Renten und Sozialausgaben auf dem aktuellen Stand einzufrieren und nicht mehr an die Inflation anzupassen.
Der Haushaltsentwurf sah weniger Abschreibungsmöglichkeiten für Spitzenverdiener vor. Er plante zudem, zwei gesetzliche Feiertage zu streichen – den Ostermontag und den 8. Mai, den Tag der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Die parlamentarische Ausgangsposition war von vornherein wenig aussichtsreich. Seit den Neuwahlen im Sommer des Vorjahres haben Macron und seine Verbündeten keine Mehrheit mehr in der Nationalversammlung.
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Bezüglich der Erhöhung der Steuern für Vermögende hätte Bayrou möglicherweise noch auf Leihstimmen vonseiten der Linken zählen können. Die Kürzungen bei Renten und Arbeitslosengeld wären für diese jedoch ein Tabu gewesen – und die Gewerkschaften hatten für den 10. September sogar zu einem Generalstreik aufgerufen.
Rücktritt von Macron ebenso unwahrscheinlich wie Neuwahlen
Bayrou erschien es in dieser Situation als die naheliegendste Option, die aussichtslose Vertrauensfrage zu stellen und sich damit selbst seiner Aufgaben zu entledigen. Mittlerweile werden Rufe nach einem Rücktritt des bis 2027 gewählten Präsidenten Macron laut.
Dass es dazu kommen wird, gilt als unwahrscheinlich. In der jüngeren Geschichte ist mit Charles de Gaulle lediglich ein Präsident Frankreichs während seiner Amtszeit zurückgetreten. Diesen Schritt hatte er 1969 angekündigt für den Fall des Scheiterns eines von ihm angestrengten Referendums über eine Verfassungsreform.
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Es erscheint auch als äußerst unwahrscheinlich, dass Macron ein weiteres Mal das Wagnis eingehen wird, Neuwahlen anzuberaumen. Wenig spricht dafür, dass die Mehrheitsverhältnisse danach anders aussehen würden als seit Juli 2024. Eher liefe es auf ein Nullsummenspiel hinaus: Das Linksbündnis und Marine Le Pens Rassemblement National (RN) könnten ihre Ergebnisse halten.
Frankreich erlebt politisches Patt
Das Macron-Bündnis würde verlieren – vorrangig in Richtung der Republikaner. In Summe würden jedoch auch diese beiden politischen Kräfte nicht mehr auf sich vereinen können als vor einem Jahr. Die einzige Hoffnung der Zentristen wäre ein Zerfall des Linksbündnisses – mit der Folge, dass man Sozialisten oder Grüne in die Mehrheitsfindung einbinden könnte.
Ein solches Kalkül könnte jedoch auch nach hinten losgehen. Knapp die Hälfte der Abgeordneten des Linksbündnisses gehört der radikalen Formation La France Insoumise (LFI) an, die in der politischen Mitte nicht als koalitionsfähig gilt. Ein neues Linksbündnis ohne LFI wäre jedoch in vielen Stimmkreisen nicht mehr in der Lage, Mehrheiten herzustellen.
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Gestärkt würde dadurch entweder der RN oder LFI selbst. Am Ende könnte eine Konstellation stehen, dass ohne eines der beiden Lager keine parlamentarischen Mehrheiten möglich wären. Dadurch könnten auch in diesen selbst Spannungen entstehen – zwischen jenen Kräften, die das System „retten“ und jenen, die es sprengen wollen.
Finanzmärkte drücken kein Auge zu
Eine Sanierung der Staatsfinanzen ist in Frankreich in Anbetracht der Mehrheitsverhältnisse kaum realistisch. Und das, obwohl das Defizit immer stärker im Anwachsen begriffen ist. Eine drastische Reduktion von Staatsausgaben ist ebenso wenig mehrheitsfähig wie Steuererhöhungen, die zudem das Wirtschaftswachstum weiter ausbremsen würden.
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Die EU-Kommission könnte Frankreich mit Defizitverfahren überziehen – schreckt jedoch gerade bei den mächtigsten Ländern der Staatengemeinschaft vor solchen Schritten zurück. Stattdessen ist man dazu übergegangen, die Überprüfung der Masstricht-Kriterien nur noch längerfristig statt jährlich zu überwachen. Allerdings sind die Märkte weniger nachsichtig – und die Risikoprämie für langlaufende französische Staatsanleihen hat Größen erreicht, die man bislang nur von Italien oder Griechenland kannte. Dies steigert die Zinsbelastung noch weiter. In weiterer Folge könnte eine Destabilisierung der Eurozone drohen.
Deutschland: Deutlich steigende Nettokreditaufnahme
Für Deutschland könnte sich das französische Beispiel als böses Omen erweisen. Zwar ist die Höhe der Staatsschulden mit etwa 63 Prozent des BIP deutlich unterhalb des Niveaus des westlichen Nachbarlandes angesiedelt. Die Neuaufnahme steigt jedoch erheblich. Im Bundeshaushalt 2025 sind eine Schuldenaufnahme des Bundes bereits über 140 Milliarden Euro vorgesehen.
Die politische und wirtschaftliche Krise in Deutschland trifft anders als in Frankreich bislang nicht auf ein schwindendes Vertrauen der Finanzmärkte. Die Aufweichung der Schuldenbremse, die Sondervermögen und die ambitionierten Ziele der Bundesregierung von Infrastruktur über Rüstung bis zum Klimaschutz treiben die Kreditaufnahme weiter. Gleichzeitig wird die politische Landschaft nicht stabiler – und die Bereitschaft zu Einsparungen nicht signifikant größer.






















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