Frankreichs Regierungschef will Sturz noch abwenden – Spekulationen um Nachfolger

Frankreich ist mit 113 Prozent seines BIP verschuldet. François Bayrou stellt Sparpläne auf – und nächste Woche die Vertrauensfrage. Es könnte sein, dass sich Macron das 7. Mal seit Amtsbeginn einen Regierungschef suchen muss. Ab dem 10. September wird eine größere Protestwelle befürchtet.
Titelbild
Der französische Premierminister François Bayrou (l) und Präsident Emmanuel Macron am 12. Juli 2025 im Élysée-Palast in Paris.Foto: Tom Nicholson/POOL/AFP via Getty Images
Epoch Times1. September 2025

Während der französische Regierungschef François Bayrou durch Verhandlungen mit den Parteien seinen voraussichtlichen Sturz noch verhindern will, wird in Frankreich schon laut über seinen Nachfolger nachgedacht. Im Gespräch sind etwa der ehrgeizige konservative Justizminister Gérald Darmanin sowie der 39 Jahre alte Verteidigungsminister Sébastien Lecornu, ein Vertrauter von Präsident Emmanuel Macron.

Es wäre das siebte Mal, dass Macron sich seit seiner Amtsübernahme 2017 einen Regierungschef suchen muss. Und die Aussicht, dass ein neuer Amtsinhaber die wirtschaftliche und politische Krise des Landes beenden wird, scheinen gering.

Schwierige wirtschaftliche Lage: Verschuldung bei 113 Prozent des BIP

Bayrou, der der Nationalversammlung am kommenden Montag die Vertrauensfrage stellt, wollte damit eigentlich sicherstellen, seine drastischen Sparpläne durchzubringen. Die Oppositionsparteien erklärten jedoch, ihm das Vertrauen zu verweigern und die Regierung damit zu Fall zu bringen.

Kritiker der Premierministers mutmaßen, dass es für Bayrou vor allem ein geeigneter Moment ist, einigermaßen unbeschadet das Amt zu verlassen – um dann 2027 zum vierten Mal bei der Präsidentschaftswahl anzutreten.

Die wirtschaftliche Lage ist schwierig: Frankreich ist mit 113 Prozent seines Bruttoinlandprodukts (BIP) verschuldet. Das Defizit lag im vergangen Jahr bei 5,8 Prozent des BIP. Deswegen hatte Bayrou Einsparungen im kommenden Jahr in Höhe von 44 Milliarden Euro angekündigt.

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Das meiste Aufsehen erregte sein Vorschlag, zwei Feiertage zu streichen. In den sozialen Netzen mehren sich seit Wochen Aufrufe, am 10. September das gesamte Land „lahmzulegen“.

Es bestehen Befürchtungen, dass sich daraus eine größere Protestwelle entwickeln könnte. Möglicherweise hat Bayrou die Vertrauensabstimmung daher bewusst zwei Tage vorher anberaumt.

Planungen für die Zeit nach Bayrou

Auch Parlamentspräsidentin Yaël Braun-Pivet plant schon die Zeit nach Bayrou. Dann sollten die Abgeordneten versuchen, endlich eine echte Koalition zu bilden, betonte sie am Montag im Sender „France Inter“. Sie wirft dem in dieser Woche noch mit Parteichefs verhandelnden Premier vor, dies nicht schon früher getan zu haben.

Bayrou hatte behauptet, dass dies nicht möglich gewesen sei, weil die Parteichefs noch im Urlaub gewesen seien – was aber mehrere von ihnen dementierten.

Sozialistenchef Olivier Faure nannte Bayrous Gespräche in letzter Minute spöttisch eine „Abschiedstournee“ des Premierministers. Seine Partei hatte am Wochenende einen Gegenhaushalt vorgelegt, der lediglich die Hälfte einsparen soll. Im Unterschied zu Bayrous Plan soll der größte Teil von großen Unternehmen und Wohlhabenden geleistet werden.

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Macron will an der Macht bleiben und Neuwahlen vermeiden

Macron erklärt, dass er sein Mandat bis zum Ende ausüben werde – ungeachtet der Rufe von der rechten Seite nach seinem Rücktritt und der Ankündigung eines Amtsenthebungsverfahrens von der linken.

Neuwahlen will er vermeiden, denn diese würden aller Voraussicht nach eine ähnlich verfahrene Situation ergeben wie die aktuelle: Eine in drei miteinander verfeindete Blöcke gespaltene Nationalversammlung.

Es besteht auch das Risiko, dass das Regierungslager, das aus Mitte-Rechts-Parteien besteht, weiter schrumpft.

Auch ohne Neuwahlen bleibt die Lage verfahren: Der nächste Premierminister wird ebenfalls einer Minderheitsregierung vorstehen, die für jedes Gesetzesvorhaben mühsam neue Allianzen schmieden muss. Darmanin sandte für alle Fälle schon freundliche Signale an die Sozialisten, als er am Wochenende betonte, dass an den Sparanstrengungen auch „Menschen, die Geld haben, und Unternehmen“ beteiligt werden sollen.

Macron scheint angesichts der nationalen Lage derzeit die internationale Bühne zu bevorzugen – etwa vergangene Woche beim deutsch-französischen Ministerrat oder bei einem geplanten Ukraine-Treffen. Dabei ist seine Handlungsfähigkeit eingeschränkt, so lange er nur eine Regierung auf Abruf im Rücken hat. (afp/red)



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