Getanzter Widerstand – wie Kinder aus verfolgten Familien Shen-Yun-Künstler wurden

In China droht ihnen Verfolgung, doch im Westen finden junge Shen-Yun-Künstler ihre Bestimmung auf den Theaterbühnen der Welt. Es ist eine Geschichte des friedlichen Widerstandes gegen ein autoritäres Regime, eine Geschichte modernen Heldenmutes angesichts einer allmächtig erscheinenden kommunistischen Propagandamaschinerie, deren Tentakel bis in alle Ecken der freien Welt reichen.
Ellie Rao – letzte Erinnerungen an den Vater
Er war ein Mann mit länglichem Gesicht, ein Brillenträger – und immer wenn Ellie Rao an ihren Vater denkt, denkt sie an einen Moment, als sie vier Jahre alt war. Auf dem Tisch stand ein Teller mit Stücken von Rettichkuchen, einem beliebten südchinesischen Gericht, goldbraun und knusprig frittiert von ihrer Großmutter. Alle saßen zusammen und genossen das Mahl – als es laut an der Tür klopfte …
Zwei Männer forderten Eintritt. Sie erklärten, sie seien vom Wasserwerk und müssten „den Zähler überprüfen“. Das Stichwort war gefallen. Vier oder fünf weitere Männer drängten nach und in die Wohnung herein. Sie ergriffen ihren Vater und zerrten ihn mit sich aus dem Haus hinaus. Vom Wohnungsfenster aus musste die Vierjährige hilflos mit ansehen, wie die Männer die schlaksige Gestalt ihres Vaters in ein weißes Auto drückten und losfuhren. Als der Wagen in der Ferne verschwand – verschwand auch ihr Vater aus ihrem Leben.

Ein Foto von Ellie Rao in Kindheitstagen mit ihrem Vater Rao Zhuoyuan. Foto: Samira Bouaou/Epoch Times
Als Raos Mutter ihren Ehemann zwei Wochen später im Krankenhaus sehen durfte, rang der 34-Jährige mit Atemnot und konnte nicht sprechen. Tränen liefen ihm übers Gesicht. Seine Frau sah Schwellungen und blaue Flecken an seinem Kopf, am Hals und an den Ohren sowie an seinen Händen und Füßen. Weniger als sieben Wochen nach seiner Verhaftung starb er.

3. Dezember 2024, Middletown, New York – Shen-Yun-Tänzerin Ellie Rao hält ein altes Foto ihrer Eltern in den Händen. Ihr Vater, Rao Zhuoyuan, wurde in China verhaftet, als sie vier Jahre alt war – wegen seines Glaubens an Falun Gong. Wenige Wochen später war er tot. Foto: Samira Bouaou/Epoch Times
Für Rao war die ständige Angst Teil ihres Lebens im kommunistischen China. Doch damit war sie keineswegs allein.
Es gibt bei Shen Yun Performing Arts, einem Tanzensemble für klassischen chinesischen Tanz mit Sitz in New York, viele, die solch schmerzhafte Geschichten erfahren haben oder jemanden kennen, der dies erleben musste. Es ist die gemeinsame Erfahrung des Leidens, die die Künstler von Shen Yun zusammengebracht hat.
In jeder der jährlich neuen Produktionen unter dem Motto „China vor dem Kommunismus“ ist ein Thema immer wieder auf den Bühnen der Welt präsent: die Verfolgung von Falun Gong im heutigen China, jenem spirituellen Glauben, dem Ellie Rao und andere Shen-Yun-Künstler folgen. Es geht ihnen aber auch darum, den unzähligen Unterdrückten in China eine Stimme zu geben.

Die Shen-Yun-Tänzer Kenji Kobayashi (l.) und Ellie Rao (r.) nehmen beim Internationalen Wettbewerb für Klassischen Chinesischen Tanz von NTD teil. Larry Dye/Epoch Times
Für die schüchterne Rao war Tanzen befreiend. Es gab ihrem Körper die Freiheit, sich auszudrücken und verstanden zu werden. Shen Yun hat zahlreiche Geschichten ähnlich der ihren auf die Bühne gebracht.
Rao erinnerte sich, als sie einmal eine Fee spielte, die ein junges Mädchen tröstete, das mit dem Verlust geliebter Menschen zu kämpfen hatte, die wegen ihres Glaubens getötet worden waren. Sie hielt die Hand des Mädchens, das von ihrer Freundin gespielt wurde, und spürte, wie eine Träne in ihre eigene Hand fiel. In diesem Moment, sagte sie, fühlte sie sich, als wären sie eins geworden.

Shen-Yun-Tänzerin Ellie Rao in Middletown, New York, am 3. Dezember 2024. Foto: Samira Bouaou/Epoch Times
Falun Gong lehrt die Kultivierung – die Veredlung des Charakters – nach den Werten von Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht. Die spirituelle Lehre ist in einem Hauptbuch zusammengefasst und beinhaltet darüber hinaus fünf Meditationsübungen.
Leicht zu erlernen, verbreitete sich Falun Gong in den 1990er-Jahren in China wie ein Lauffeuer und fand innerhalb weniger Jahre zwischen 70 und 100 Millionen Anhänger. 1999 bezeichneten die kommunistischen Führer die Popularität der Praxis als ideologische Bedrohung für die Partei und initiierten eine gewalttätige Säuberungskampagne. Es kam zu Massenverhaftungen mit langjährigen Haftstrafen, sexuellem Missbrauch, Folter und Mord – oftmals durch Organraub.
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Ellie Rao ist eine von vier Shen-Yun-Künstlern, die gegenüber der Epoch Times über die leidvolle Unterdrückung in ihrer Kindheit unter dem kommunistischen Regime in China sprachen. Sie alle sind Zeugen eines staatlich organisierten Terrors, der ihnen schon in jungen Jahren tiefe seelische Wunden zufügte – und Narben hinterließ, die selbst nach Jahren der Heilung noch schmerzen.

Ein Foto von Ellie Rao mit einem Bild eines Gemäldes, das die Verfolgung von Falun Gong in China darstellt. Foto: Samira Bouaou/Epoch Times
Zhao Jiheng – „Mama, bleib bei deiner Überzeugung“

Alte Fotos von Zhao Jihengs Familie aus glücklicheren Tagen in China. Die Familie war nach 1999 ständigen Verhaftungen und Schikanen wegen ihres Glaubens an Falun Gong ausgesetzt, was sie schließlich zur Flucht aus dem Land zwang. Foto: Samira Bouaou/Epoch Times
Zhao Jiheng war gerade acht Jahre alt, als seine Mutter erstmals verhaftet wurde. Als sie nach einem Jahr aus dem Gefängnis zurückkam, war die einst lebhafte junge Frau, die immer in der Küche herumwuselte, um köstliches Essen zuzubereiten, nur noch ein Schatten ihrer selbst: stumm, erschöpft, mit eingefallenem Gesicht. Oft saß sie lange Zeit auf ihrem Bett, ohne auf die Fragen des verunsicherten Kindes zu reagieren.
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Später lungerten fast täglich Zivilpolizisten in der Nähe des Schönheitssalons seiner Mutter herum. An politisch sensiblen Tagen brachen Polizisten ohne große Erklärungen in ihr Haus ein und nahmen seine Mutter mit. Mehr als einmal kam der Junge nach der Schule nach Hause, um festzustellen, dass seine Mutter von der Polizei mitgenommen worden war, ebenso wie ihre Wertsachen.
Als er Jugendlicher war und seine Mutter wieder einmal im Gefängnis saß, versuchte eine Gruppe von Polizisten bei einem Gefängnisbesuch den damaligen Mittelschüler einzuschüchtern, erinnert sich Zhao Jiheng.
Er sollte seine Mutter davon überzeugen, ihren Glauben aufzugeben: „Wenn du willst, dass deine Mutter früher rauskommt, dann weine und bettle sie an“, wurde von ihm gefordert. Als er dann seiner Mutter gegenüberstand, ermutigte der Junge sie jedoch: „Mama, bleib bei deiner Überzeugung. Ich unterstütze dich.“
Damit war der kurze Besuch abrupt beendet. Zhao sagte gegenüber der Epoch Times: „Wenn du weißt, dass etwas gut ist, und du sagst, es sei schlecht, dann widerspricht das meinem Gewissen.“

Shen-Yun-Tänzer Zhao Jiheng in Deerpark, New York, am 8. Dezember 2024. Foto: Samira Bouaou/Epoch Times
Chen Fadu – und die „Blütenblätter des Friedens“
Chen Fadu hatte jahrelang Albträume von chinesischen Polizisten, aus denen sie schluchzend aufwachte. In manchen dieser Träume hatte sie sich in eine Ecke hockend zurückgezogen, während die Polizisten sie mit ihren Schlagstöcken bedrohten. Manchmal rannte sie atemlos vor ihnen davon, versuchte die Verfolger abzuschütteln, die dennoch immer näher kamen. Im echten Leben war es ihr Vater, der bis in den Tod verfolgt wurde. Das war im Jahr 2001, als Chen etwa ein Jahr alt war.
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Seine Frau Dai Zhizhen reiste fortan mit der kleinen Fadu in der ganzen Welt herum, um auf das Schicksal ihrer Familie und die Verfolgung von Falun Gong in China aufmerksam zu machen. Von Straßenprotesten und Paraden zu Pressekonferenzen und Vorträgen – Chen bereiste mit ihrer Mutter in fünf Jahren rund 45 Länder der Erde.

(Im Uhrzeigersinn) Dai Zhizhen hält ihre Tochter Chen Fadu und ein Foto der jungen Familie vor der Ermordung ihres Ehemannes Chen Changyong. Fadu mit ihrer Mutter 2006 bei der Preisverleihung zum Turtle Award der Stiftung Effective Altruism Australia. Fadu mit dem lettischen Olympiamedaillengewinner Mārtiņš Rubenis (M.) bei der Eröffnungsfeier des „Fackellaufs für Menschenrechte“ im August 2007 in Athen, einer Protestveranstaltung gegen die Olympischen Sommerspiele in Peking 2008. Foto: Samira Bouaou/Epoch Times, Minghui, mit freundlicher Genehmigung von Jan Becker
Zusammen mit Freunden gründete sie die Initiative Petals of Peace (Blütenblätter des Friedens), welche Kindern und anderen Interessierten das Falten von Papierlotusblumen beibringt. Der Lotus ist ein Symbol der Reinheit und Widerstandskraft in der chinesischen Kultur. Im Jahr 2006 wurde sie und ihre Mutter mit dem Turtle Award der Stiftung Effective Altruism Australia ausgezeichnet.

Chen Fadu in Middletown, New York, am 8. Dezember 2024. Foto: Samira Bouaou/Epoch Times
Kenji Kobayashi – 2.400 Unterschriften für die Oma
Dem japanischen Jungen Kenji Kobayashi wurde die Schwere der Verfolgung an seinem siebten Geburtstag bewusst. An diesem Tag wurde seine Großmutter, fast 60-jährig, in der nordostchinesischen Stadt Shenyang von der Polizei abgeholt und für einen Monat in einer psychiatrischen Klinik eingesperrt. Man wollte sie dazu zwingen, ihren Glauben aufzugeben. Als die Nachricht Tokio erreichte, lagen sich Kenji und sein jüngerer Bruder in den Armen und weinten.
Die Wärter sperrten die Frau in eine rund um die Uhr beleuchtete Zelle, um sie am Schlafen zu hindern. Sie folgten ihr überallhin, auch auf die Toilette. Tagsüber zwangen sie sie, auf einem niedrigen Hocker zu sitzen und Propagandavideos anzuschauen.
Später, nach ihrer Freilassung, konnte sie nach Japan flüchten. Kobayashi war bei ihrer Abholung am Flughafen dabei. Als sie ankam, bemerkte er mit Schrecken ihre weißen Haare und ihren gebeugten Rücken.
„Wenigstens hat sie es lebend herausgeschafft“, sagte er gegenüber der Epoch Times. „Alles in allem können wir uns noch glücklich schätzen.“
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Doch nun war die Großmutter in Gefahr, nach China abgeschoben zu werden. Jeden Tag nach der Schule ließ der Zweitklässler Kenji seinen Rucksack fallen, schnappte sich ein Klemmbrett und radelte zum 15 Minuten entfernten Bahnhof, um Unterschriften für seine Oma zu sammeln.
Er und seine Großmutter hatten dort ein Plakat mit ihrem Anliegen aufgestellt. „Bitte helfen Sie mir“, flehte er jeden Passanten an. Jedem, der aufmerksam zuhörte, zeigte er sein Klemmbrett. Daran befestigt war eine Petition, die sich dafür aussprach, seiner Großmutter den Aufenthalt in Japan zu ermöglichen.
Wann immer sie mehr Zeit hatten, fuhren er und seine Großmutter mit dem Zug durch die 23 Stadtbezirke und warben bei den Abgeordneten um Unterstützung. Innerhalb eines Monats hatten über 2.400 Menschen die Petition unterschrieben. Wenige Monate später wurde seiner Großmutter Asyl gewährt.
Eigentlich wollte Kobayashi Baseball-Star werden. Doch ein Theaterabend änderte alles. Nachdem er mit eigenen Augen eine Aufführung von Shen Yun gesehen hatte, flog er mit zwölf Jahren nach New York, um in New York an der Fei Tian Academy of the Arts zu studieren, der Ausbildungsstätte vieler Shen-Yun-Künstler.

Kenji Kobayashi kämpfte mit einer Petition für das Bleiberecht seiner Großmutter in Japan. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Kenji Kobayashi
Die Künstler haben manchmal das Gefühl, dass sie sich auf einem Schlachtfeld befinden, um ihre Vergangenheit Stück für Stück aus dem Griff der Kommunistischen Partei Chinas zurückzuholen.
Es lief nicht immer alles glatt. Obwohl Shen Yun in Amerika beheimatet ist, war es ständigen Schikanen durch chinesische Agenten ausgesetzt.
Chinesische Diplomaten in mehreren Ländern haben versucht, Theater zu erpressen, damit sie Aufführungen absagen, und haben wiederholt lokale Amtsträger aufgefordert, die Veranstaltung nicht zu besuchen. Seit März 2024, während der weltweiten Tournee, erhielten das Ensemble und mehrere Theater wiederholte Drohungen mit Bombenanschlägen und Erschießungen. In einem Bericht vom Januar zählte das Falun Dafa Information Center 135 Vorfälle, in denen das chinesische Regime versucht hat, Aufführungen von Shen Yun zu verhindern.
„Mein größter Traum“
Kobayashi hat keinen Fuß mehr nach China gesetzt, ebenso wenig wie die anderen drei, seit sie China hinter sich gelassen haben.
Rao hat jedoch den Wunsch, eines Tages nach China zurückkehren zu können, nur um aufzutreten. Sie hofft, dieser Tag liegt in nicht allzu ferner Zukunft, einer Zukunft jedoch, in der niemand mehr Angst haben muss, seinen Vater zu verlieren, weil er Wahrhaftigkeit, Güte und Toleranz praktiziert.
„Es ist mein größter Traum“, erklärt Rao.

Shen-Yun-Tänzer Kenji Kobayashi in Middletown, New York, am 3. Dezember 2024. Foto: Samira Bouaou/Epoch Times
Der Artikel basiert auf „Persecuted in China, Young Shen Yun Artists Find New Meaning on the World Stage“, erschienen auf theepochtimes.com.
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