Frankreich erlebt neue Protestwelle: Hunderttausende gegen Sparpläne
In Kürze:
- Mehrere Hunderttausend Menschen beteiligen sich an Protesten gegen Sparpläne der Regierung
- Größte Kundgebungen in Paris und Marseille
- Gewerkschaften sprechen von „Warnung“ an Premierminister Sébastien Lecornu
- Bonität Frankreichs herabgestuft – Defizit und Schuldenstand belasten Staatsfinanzen
In Frankreich haben sich am Donnerstag, 18. September, landesweit nach Angaben des Innenministeriums mehr als 500.000 Menschen an Protesten gegen die Sparpläne der Regierung beteiligt. Die Vorsitzende der Gewerkschaft CGT, Sophie Binet, spricht von 260 Kundgebungen, die ihr bekannt seien. Am Tag nach dem Rücktritt von Premierminister François Bayrou waren knapp 200.000 Menschen auf die Straße gegangen.
In Paris dauern die Proteste bis in die Abendstunden
Sicherheitsbehörden hatten bis zu 900.000 Teilnehmer erwartet – etwa so viele hatten im Jahr 2023 gegen die damaligen Pläne zur Pensionsreform demonstriert. In der Vorwoche wurde unter dem Motto „Bloquons tous“ („Alles dichtmachen“) dezentral über Onlinedienste zur Teilnahme an Protesten aufgerufen. Diesmal haben die Gewerkschaften mobilisiert.
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Die bislang größte Kundgebung fand in Marseille mit bis zu 120.000 beteiligten Personen statt, fünfstellige Teilnehmerzahlen verzeichneten tagsüber auch Demonstrationszüge in Lyon und Grenoble. Auf X sind Proteste unter anderem unter den Hashtags #18septembre2025 und #18septembre dokumentiert. In Paris wird das Schwerpunktgeschehen für den Abend erwartet.
Bis zum Nachmittag kam es am Rand der Demonstrationen zu kleineren Ausschreitungen. In Paris schleuderten vermummte Demonstranten Flaschen und Gegenstände auf Sicherheitskräfte, wie ein AFP-Journalist beobachtete. In Lyon wurden bei Zusammenstößen zwischen vermummten Demonstranten und Sicherheitskräften mehrere Menschen verletzt, darunter ein Journalist. Die Polizei setzte Tränengas ein.
Auch in der kleinen Stadt Rennes kam es zu Ausschreitungen. Dort sollen Beamte mit Wurfgeschossen angegriffen worden sein. Die dortige Präfektur, die von 11.500 Teilnehmern spricht, hat die Bevölkerung auf X aufgerufen, sich von gewaltbereiten Elementen fernzuhalten.
Insgesamt wurden laut Innenministerium landesweit elf Sicherheitskräfte und elf weitere Menschen verletzt. Bis zum Abend wurden den Behörden zufolge landesweit 181 Menschen festgenommen.

Sicherheitskräfte in Paris im Einsatz. Foto: Kiran Ridley/Getty Images

Feuer und Protestzüge prägen das Pariser Stadtbild am 18.09.2025. Foto: Kiran Ridley/Getty Images
Frankreich bekommt neue Regierung – und steht vor alten Problemen
Die massivsten Auswirkungen hatten die Kundgebungen, die mit landesweiten Streikaufrufen verbunden waren, auf Schulen und Transportwesen. In mehreren Teilen des Landes blieben Bildungseinrichtungen geschlossen.
Auch der französische Bahnverkehr war von den Streiks betroffen: Etwa die Hälfte aller Regionalzüge fiel am Donnerstag aus. In Paris fuhren die meisten U-Bahnlinien nur stundenweise während des Berufsverkehrs. „Der Verkehr ist gestört, aber nicht komplett blockiert“, sagte Verkehrsminister Philippe Tabarot. Im nordfranzösischen Lille blockierten Demonstranten zeitweise ein Busdepot.
„Wir wollen der Regierung zeigen, dass wir die Nase voll haben, jede Menge Steuern zu zahlen“, sagte ein Fahrer der Müllabfuhr, Samuel Gaillard. „Ich war schon bei den Gelbwesten dabei, seitdem hat sich die Lage nur verschlimmert“, sagte der 64 Jahre alte Bruno Cavelier aus Lyon bezogen auf die Gelbwesten-Protestbewegung, die 2019 zu massiven Ausschreitungen geführt hatte. Der Pariser Polizeipräfekt hatte Ladeninhaber aufgerufen, ihre Geschäfte zu schließen.

Teilnehmer einer Gewerkschaftskundgebung in Morlaix, Frankreich. Foto: Vincent Feuray / Hans Lucas via AFP via Getty Images

Schon am Morgen des 18.09.2025 gab es bei dem Protesttag einige Festnahmen. Foto: Geoffroy Van Der Hasselt/AFP/dpa
Gewerkschaftsführer sprechen schon jetzt von einem „großen Erfolg“ ihres Aktionstages. Das Protestgeschehen sollte als „Warnung“ für Premierminister Sébastien Lecornu dienen. Präsident Emmanuel Macron hatte den früheren Verteidigungsminister zum Nachfolger von Bayrou ernannt. Ein vollständiges Kabinett hat er noch nicht vorgestellt und es wird vor Ende nächster Woche – in der Macron an der UN-Generaldebatte in New York teilnehmen wird – nicht damit gerechnet.
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Im Raum steht jedoch nach wie vor ein Sparpaket, und Bayrou war mit seinem Vorhaben gescheitert, den Haushalt um 44 Milliarden Euro zu entlasten. Lecornu hat zwar angekündigt, das Vorhaben seines Vorgängers, zwei Feiertage zu streichen, fallenzulassen. Bayrou hatte konkret den Ostermontag und den 8. Mai dafür im Auge gehabt. Im Parlament benötigt Lecornu für seinen Haushalt Unterstützung entweder aus den Reihen des Linksbündnisses oder des Rassemblement National.
Fitch stufte Bonität herab – langfristige Zinsbelastung steigt weiter
Dennoch bleibt auch für Lecornu die große Herausforderung bestehen, im Bereich der Staatsverschuldung eine Kehrtwende einzuleiten. Derzeit beträgt der Schuldenstand des Staatshaushaltes etwa 114 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das laufende Defizit lag im Vorjahr bei 5,8 Prozent davon.
Beides sprengt deutlich die Maastricht-Kriterien und bringt Frankreich in die Nähe der beiden am stärksten verschuldeten Länder der Eurozone – Griechenland und Italien. Die Situation würde die EU-Kommission dazu legitimieren, ein Defizitverfahren gegen Paris einzuleiten. Faktisch erscheint dies als wenig wahrscheinlich, da Brüssel zögern dürfte, auf diese Weise gegen besonders mächtige Länder in Europa vorzugehen.
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Was jedoch bereits geschehen ist und im Zweifel unangenehmere Auswirkungen haben kann, ist die Herabstufung der Bonität Frankreichs durch internationale Ratingagenturen. Fitch hat die bisherige Bewertung von AA- auf A+ gesenkt. Die Folge war, dass am Donnerstag die Rendite für die zehnjährige Staatsanleihe mit etwa 3,48 Prozent kurzzeitig mit derjenigen für die italienische gleichzog. In der Zeit der Coronakrise 2020 hatte der Unterschied zwischen beiden noch bis zu 200 Basispunkte betragen.
CGT spricht von starker Mobilisierung
Mit Beginn der ersten Kundgebungen in Paris hat die CGT ihre Angaben über die landesweite Teilnehmerzahl auf „mehr als eine Million“ angehoben. Dies berichtete „France24“ um 17:00 Uhr. Das Innenministerium blieb bei der Darstellung, dass die Zahl der Demonstranten geringer blieb als in der Zeit der Proteste 2023 gegen die Pensionsreform.
Bislang soll es im Großraum Paris zu 21 Festnahmen gekommen sein, meldet die Polizeipräfektur. Auch dies sei im Zusammenhang mit Wurfgeschossen gegen die Beamten geschehen. Die meisten Kundgebungsteilnehmer fordern den Rücktritt von Präsident Macron und ein Ende der Sparpläne. Einige Teilnehmer versuchen jedoch auch, den Protest für Botschaften gegen den Krieg in Gaza zu nutzen.

In zahlreichen Städten Frankreichs haben Menschen protestiert. Foto: Aurelien Morissard/AP/dpa
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Der Energiekonzern EDF meldete am Mittag einen Rückgang der Stromerzeugung in seinen französischen Kraftwerken um rund 4.000 Megawatt aufgrund von Streiks. Dies entspricht der Leistung von vier der insgesamt 57 Kernreaktoren in Frankreich. Die CGT streikt in der Strom- und Gasindustrie seit Anfang September für höhere Löhne und niedrigere Energiesteuern. Die Gewerkschaft berichtet von einer „starken Mobilisierung“. Offen bleibt, inwieweit sich das Protestgeschehen in Frankreich in den kommenden Wochen verstetigen wird.
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