Interne E-Mails von Johnson & Johnson deuten auf Bedenken zu Paracetamol und Autismus hin

Paracetamol, in den USA unter dem Markennamen Tylenol bekannt, ist eines der weltweit am häufigsten verwendeten Schmerz- und Fiebermittel, auch in der Schwangerschaft. In Deutschland ist es rezeptfrei erhältlich und wird von Behörden und Schwangeren generell als sicher angesehen.
Doch interne Dokumente des US-Pharmakonzerns Johnson & Johnson (J&J), die in laufenden Gerichtsverfahren ans Licht kamen, deuten auf mögliche Risiken für die vorgeburtliche Entwicklung hin.
Während die US-Behörden Warnhinweise prüfen, betont das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), dass kein kausaler Zusammenhang zwischen der Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft und Autismus oder Aufmerksamkeitsdefizithyperaktivitätsstörung (ADHS) bewiesen sei. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) sieht derzeit auch keinen akuten Handlungsbedarf. Dennoch könnte die Debatte in den USA die Beratung in deutschen Arztpraxen beeinflussen, da Paracetamol hier das einzige frei verfügbare Mittel gegen Fieber in der Schwangerschaft ist.
Interne E-Mails zeigen wachsende Hinweise
Johnson & Johnson verfolgte die Forschungen zu Paracetamol und Entwicklungsstörungen wie Autismus oder ADHS. Laut Dokumenten, die in Klagen gegen J&J veröffentlicht wurden, erkannte der Konzern 2018 zunehmende Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang.
Am 8. Februar 2018 schrieb Rachel Weinstein, Direktorin für Epidemiologie bei der J&J-Tochter Janssen, in einer E-Mail an den Epidemiologen Jesse Berlin: „Die Beweislage beginnt mir schwer auf der Seele zu liegen.“ Sie bezog sich auf eine Auswertung von neun Studien, die den Einsatz von Acetaminophen – dem Wirkstoff in Paracetamol – während der Schwangerschaft mit Autismus und anderen Entwicklungsstörungen des Nervensystems bei Kindern in Verbindung brachten.
Berlin bestätigte, die Analyse gelesen zu haben, und fand, dass der Zusammenhang eine gewisse Spezifität zeige. Er kritisierte, dass einige Studien andere Medikamente nicht berücksichtigt hätten, doch mindestens eine Studie habe den Zusammenhang auch bei genauerer Analyse bestätigt.
J&J produzierte Tylenol für viele Jahre. 2023 übernahm das neu gegründete Unternehmen Kenvue die Marke. Ein Kenvue-Sprecher erklärte gegenüber der englischsprachigen Ausgabe der Epoch Times: „Diese Dokumente zeigen, dass wir das Richtige getan haben. Wir haben die Wissenschaft kontinuierlich bewertet, und es gibt keine glaubwürdigen Belege dafür, dass Paracetamol Autismus verursacht.“
Diskussionen um weitere Forschung
Bereits 2014 veröffentlichte Dr. Jørn Olsen von der Aarhus University in Dänemark eine Beobachtungsstudie. Diese zeigte, dass der Einsatz von Paracetamol durch Schwangere mit einem höheren Risiko für Verhaltensprobleme verbunden ist, die ADHS ähneln, einer Störung, die sich durch Konzentrationsprobleme und impulsives Verhalten auszeichnet.
Weinstein lobte die Studie in einer E-Mail an Olsen als solide, fragte aber, ob andere Medikamente wie Aspirin geprüft worden seien. Olsen antwortete, dies sei für zukünftige Studien geplant. Weinstein leitete die Nachricht an die Abteilung für Verbrauchersicherheit weiter und wies darauf hin, dass eine eigene Studie nicht machbar sei, da bestehende Datenbanken zu klein seien, um die gleiche Auswirkung nachzuweisen.
Sie schlug vor, Olsen finanziell zu unterstützen, unter der Bedingung, dass der Forscher die Kontrolle über die Veröffentlichung behalte, J&J aber das Manuskript prüfen könne. Alternativ könne man die Studie mit norwegischen Daten wiederholen, einschließlich anderer Medikamente. „Das Ergebnis einer solchen Studie ist unbekannt. Wir könnten die dänischen Befunde bestätigen“, schrieb sie.
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Später meldete Weinstein Zweifel an: „Müssen wir uns wirklich so weit aus dem Fenster lehnen und dieses Angebot machen? Würde es uns erstaunen, wenn die Analysen die bestehenden Studien bestätigen oder widerlegen?“ Berlin erwiderte: „Ich habe kein großes Problem damit, das fallen zu lassen.“
J&J lehnte letztlich eine Zusammenarbeit mit den dänischen Forschern ab, unter anderem weil unklar sei, welchen „Nutzen dies für schwangere Konsumenten“ haben könne. Diese könnten vor „schwierige Entscheidungen“ gestellt werden, wie bei Fieber auf Medikamente zu verzichten.
Weinstein, inzwischen im Ruhestand, war nicht erreichbar. Berlin, jetzt Professor an der Rutgers University, reagierte nicht auf eine Anfrage der Epoch Times.
Vorwürfe in Klagen
Die E-Mails kamen in zivilen Klageprozessen von Frauen ans Licht, die J&J und Händlern vorwerfen, nicht vor Risiken für die neurologische Entwicklung durch Paracetamol gewarnt zu haben. Die Klägerinnen berufen sich auf Studien wie eine kanadische Untersuchung von 2020, die ein erhöhtes ADHS-Risiko bei Kindern von Müttern zeigte, die Paracetamol in der Schwangerschaft einnahmen.
Ashley Keller, Anwalt der Klägerinnen von der Kanzlei Keller Postman, erklärte gegenüber Epoch Times: „Arzneimittelhersteller sind verpflichtet, die Sicherheit ihrer Produkte fortlaufend zu prüfen. Doch trotz der Anerkennung schwerwiegender wissenschaftlicher Beweislage entschieden sich Kenvue-Wissenschaftler bewusst, keine weitere Forschung in Auftrag zu geben. Der Grund ist offensichtlich: Sie fürchteten unerwünschte Ergebnisse. Schwangere verdienen Antworten. Der Versuch, ein Multimilliardengeschäft zu schützen, entschuldigt keinesfalls ein Verhalten des Unternehmens, das die Augen vor der Realität verschließt.“
Die E-Mails, von denen erstmals die Nachrichtenwebsite „Daily Caller“ berichtete, erregten Aufmerksamkeit im Weißen Haus und beim US-Gesundheitsministerium. US-Behörden warnen seit Kurzem vor einem möglichen Zusammenhang zwischen Paracetamol in der Schwangerschaft und Autismus bei Kindern.
Interne Analysen und Aussagen
In einer Aussage unter Eid erklärte Weinstein 2023, randomisierte Studien zum Zusammenhang zwischen Paracetamol-Exposition im Mutterleib und neuroentwicklungsbedingten Problemen seien unethisch. Besser seien genau kontrollierte Beobachtungsstudien oder Analysen aus medizinischen Datenbanken.
J&J habe das Thema seit fast einem Jahrzehnt verfolgt, mit epidemiologischen, sicherheitsrelevanten und präklinischen Studien. „Wir haben im Wesentlichen eine systematische Übersicht durchgeführt“, sagte sie, ohne ein Veröffentlichungsdatum zu nennen.
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Interne Unterlagen von 2018 beschreiben eine Analyse von J&J von 16 Studien, die einen „leicht konsistenten Zusammenhang“ zwischen pränataler Paracetamol-Exposition und Entwicklungsstörungen des Nervensystems fanden. Stärken waren prospektive Designs, Schwächen lagen in unterschiedlichen Altersmessungen bei Kindern.
Eine Kenvue-Präsentation von 2022 beschreibt die Ergebnisse einer Analyse der Firma von zwölf Studien und befand diese methodisch für zu begrenzt, um Kausalität zu belegen. Bei bestimmungsgemäßer Anwendung sei Paracetamol in der Schwangerschaft sicher. Eine von Kenvue finanzierte und durchgeführte Studie, veröffentlicht im Februar 2025 in „Critical Reviews in Toxicology“, fand in präklinischen Studien keine konsistenten Belege für schädliche Effekte bei therapeutischen Dosen.
Warnhinweise und „Project Cocoon“
Interne Dokumente bezeichneten die Untersuchungen als „Project Cocoon“ (Projekt Kokon) mit dem Ziel, Paracetamol zu „schützen“. Eine Präsentationsfolie lautete: „Mut: Wir brauchen keine Änderung der Arzneimittelkennzeichnung.“
Die Arzneimittelkennzeichnung für Tylenol lautet seit Langem: „Schwangerschaft und Stillzeit: Vor der Anwendung einen Arzt konsultieren.“ Und auf dem Beipackzettel für Paracetamol in Deutschland steht: „Fragen Sie vor der Einnahme von allen Arzneimitteln Ihren Arzt, Apotheker oder Ihre Hebamme um Rat.“
2017 fügte J&J dem Beipackzettel hinzu: „Dieses Produkt sollte in der Schwangerschaft oder Stillzeit nur verwendet werden, wenn der Nutzen für die Mutter die möglichen Risiken für den Fötus oder Säugling überwiegt.“
Leslie Shur, Direktorin für Pharmakovigilanz bei J&J, erklärte 2023 unter Eid, dies ermögliche Ärzten, Patientinnen über Risiken zu beraten, „einschließlich des Risikos, Fieber unbehandelt zu lassen“, als sie gefragt wurde, ob die Änderung bedeute, Ärzte könnten nun Patientinnen über mögliche Risiken für die Entwicklung des Kindes aufklären.
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Am 22. September 2025 kündigte die US-Arzneimittelbehörde FDA an, die Kennzeichnung von Produkten mit Acetaminophen zu überarbeiten, um auf mögliche Risiken für neurologische Störungen wie Autismus und ADHS hinzuweisen.
Die FDA betonte, dass kein kausaler Zusammenhang bewiesen sei und Paracetamol das einzige rezeptfreie Mittel gegen Fieber in der Schwangerschaft sei. Bereits 2014 hatte die FDA keine Maßnahmen ergriffen, doch 2016 und 2019 empfahlen Gutachter der Behörde, die Hinweise an Ärzte und Verbraucher zu kommunizieren, da pränatale Exposition nicht „vollständig harmlos“ für den Fötus sei.
Gerichtsverfahren und aktuelle Lage
Im Jahr 2024 wies US-Bezirksrichterin Denise Cote eine Sammelklage ab, da sie fand, dass die von den Klägern beauftragten Experten Studien verzerrt dargestellt hätten. Der Fall geht vor ein Berufungsgericht; die Verhandlungen sind für den 17. November 2025 angesetzt.
Die Klägeranwälte verwiesen auf die FDA-Maßnahme und zitierten Dr. Andrea Baccarelli von der Harvard T.H. Chan School of Public Health, der von einem kausalen Zusammenhang zwischen pränataler Acetaminophen-Exposition und neurologischen Entwicklungsstörungen ausgehe. Kenvue-Anwälte widersprachen. Die Belege unterstützten keine Kausalität.
In Kalifornien wies ein Richter im Mai 2025 eine Klage ab, da die Evidenz „tiefgreifend unsicher und widersprüchlich“ sei. Er lobte J&Js „offene interne Diskussion“ als „positives Unternehmensverhalten“. Der Fall ist in Berufung.
In Deutschland rät der Berufsverband der Frauenärzte dazu, Medikamente in der Schwangerschaft „grundsätzlich nur in Rücksprache mit der Frauenärztin oder dem Frauenarzt“ einzunehmen, wobei der Fortschritt der Schwangerschaft eine entscheidende Rolle spiele. Denn „eine sichere Schmerzmedikation in der Schwangerschaft erfordert eine genaue Abwägung – was der Mutter hilft, darf dem Kind nicht schaden“.
Der Verband betont, dass das BfArM aufgrund der bestehenden Studienlage kein hinreichendes Argument sieht, die Empfehlung für Paracetamol grundlegend zu ändern.
Das Vorgehen der US-Behörden und der Ausgang der Gerichtsverfahren in den USA könnten europäische und deutsche Behörden zu einer schärferen Prüfung der Arzneimittelsicherheit drängen.
Dieser Beitrag basiert auf dem Artikel „Tylenol Maker Said in Internal Emails Evidence of Link to Autism ‘Starting to Feel Heavy‘“ von Zachary Stieber, erschienen im Original auf theepochtimes.com.
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