Iran zwingt 450.000 Afghanen zur Ausreise – UNO sieht „Weiterwanderung nach Europa“

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) der UNO schlug am 7. Juli Alarm. Denn Ende Mai forderte der Iran afghanische Flüchtlinge ohne Papiere auf, das Land bis zum 6. Juli zu verlassen. Daraufhin machten sich allein im Juni nach IOM-Angaben 256.000 im Iran lebende Afghanen auf den Weg zurück in ihre Heimat; zwischen dem 1. und dem 5. Juni seien es etwa 450.000 gewesen.
Insgesamt habe der Iran in diesem Jahr bisher rund 900.000 Afghanen veranlasst, das Land zu verlassen, beziehungsweise abgeschoben. „Das Ausmaß der Rückkehr ist zutiefst alarmierend und erfordert eine stärkere und sofortige internationale Reaktion“, forderte Amy Pope, die Leiterin der IOM, in einem Post auf X. Welche „internationale Reaktion“ konkret gemeint ist, war trotz mehrfacher Versuche von Epoch Times von der IOM nicht zu erfahren.
UNHCR warnt vor instabiler Lage in Afghanistan
Aufgrund des Krieges in Afghanistan von Oktober 2001 bis Juni 2021 und der darauffolgenden radikal-islamischen Diktatur der Taliban flohen rund 4 Millionen Afghanen ins Nachbarland, den Iran. „Die hohen Zahlen [an Rückkehrern] bergen das Risiko, die ohnehin instabile Situation in Afghanistan weiter zu verschärfen“, gab das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am 3. Juli bekannt.
Die Vereinten Nationen schätzen, dass mehr als die Hälfte der afghanischen Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen ist. Das UNHCR „setzt sich weiterhin gegenüber Regierungen in der Region dafür ein, dass Rückführungen nach Afghanistan freiwillig, sicher und in Würde erfolgen“, heißt es in der Stellungnahme. „Zwang oder Druck zur Rückkehr sind keine tragfähige Lösung – weder für Afghanistan noch für die Region.“ Aktuell sei der UNHCR-Nothilfeplan für Afghanistan im Jahr 2025 „nur zu 23 Prozent finanziert“. Deshalb fordern neben der UNO auch Taliban-Vertreter mehr Mittel zur Unterstützung der Rückkehrer.
„Afghanen zur Rückkehr zu zwingen“, berge zudem das Risiko „der Weiterwanderung nach Europa“, wird das UNHCR weiterhin von der französischen Tageszeitung „Le Monde“ zitiert.
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Israel und Jobs werden vom Iran als Gründe genannt
Für die erzwungene Abschiebung in großem Ausmaß werden in iranischen Medien zwei Gründe genannt: Zum einen vermutet die iranische Regierung, dass „einige afghanische Flüchtlinge“ an Operationen des israelischen Geheimdienstes Mossad zur Bekämpfung iranischer Ziele beteiligt gewesen seien.
Dies berichtet etwa der im Londoner Exil ansässige Nachrichtensender „Iran International“ (IN). In einer Rede im Staatsfernsehen am 28. Juni habe Innenminister Eskandar Momeni die Abschiebung damit begründet, dass „einige Afghanen“, die in den letzten Jahren in den Iran eingereist seien, während des jüngsten iranisch-israelischen Konflikts „mit der Absicht gekommen sind, Sabotageakte durchzuführen“, berichtet IN. Und weiter: „Wir können nicht akzeptieren, dass einige Leute in unser Land kommen und unsere Sicherheit gefährden“, so der Minister.
Als zweiter Grund dürfte die als zunehmende gesellschaftliche „Belastung“ empfundene hohe Zahl an Flüchtlingen anzuführen sein. Die persischsprachigen sozialen Medien wurden in den letzten Jahren mit antiafghanischen Beiträgen geradezu überschwemmt. Forderungen nach der Ausweisung aller Afghanen waren eines der wichtigsten Themen bei den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr.
Die Kritiker argumentieren, dass billige afghanische Arbeitskräfte den Iranern Arbeitsplätze wegnähmen und das Gesundheits- und Bildungssystem belasten würden, während gleichzeitig die staatlichen Subventionen für lebenswichtige Güter wie Brot, Öl und Benzin steigen.
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Angesichts der rasant steigenden Inflation und hohen Arbeitslosigkeit in den letzten Monaten haben sich die Forderungen nach Ausweisung der Afghanen verschärft. Bis zur erneuten Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im Jahr 2021 betrug die Zahl der afghanischen Flüchtlinge laut IN im Iran lediglich rund 2 Millionen. Danach stieg die Zahl sprunghaft an. Iranischen Regierungsangaben zufolge lebten etwa 3 Millionen Afghanen legal und bis vor Kurzem 4 Millionen illegal im Iran.
Frankreich geht rabiat gegen Migranten vor
Auch in Frankreich sind in den letzten Tagen die Behörden besonders rabiat gegen Migranten vorgegangen. Dies hat internationale Kritik hervorgerufen. Ein Beitrag des britischen Staatsfernsehens BBC löste die Debatte aus. Gezeigt wurde, wie im hüfthohen Küstengewässer Gendarmen im nordfranzösischen Pas-de-Calais auf ein mit mehreren Dutzend Migranten beladenes Schlauchboot zugingen und dieses mit Messern aufschlitzten. Damit verhinderten sie die Überfahrt nach Großbritannien. Das französische Innenministerium verteidigte am 5. Juli diese Maßnahmen: „Die Gendarmen […] griffen ein, um Menschen in Gefahr zu retten“, zitierte die französische Hauptstadtzeitung „Le Monde“ das Ministerium.
„Le Monde“ zufolge habe die britische Regierung das „härtere Vorgehen“ der französischen Polizei begrüßt. Großbritannien hat der französischen Regierung für Maßnahmen zur Verhinderung von illegaler Migration über den Ärmelkanal seit 2018 „mindestens 760 Millionen Euro“ gezahlt, berichtet die Zeitung weiter.
Die britische Verkehrsministerin Heidi Alexander äußerte sich vor der britischen Presse zu dem von der BBC ausgestrahlten Vorfall und glaubt ebenfalls, dass dadurch die Migranten „von gefährlichen Fahrten abgehalten“ würden. Die britische Regierung berichtet auf ihrer Website immer wieder über Unglücke im Ärmelkanal, bei denen Migranten ertrinken. Dort wird zudem regelmäßig vor der Nutzung von Schlauchbooten gewarnt.
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London setzt Paris unter Druck
Die französische Presse vermutet, dass der französische Innenminister Bruno Retailleau vom britischen Premierminister Keir Starmer unter Druck gesetzt worden sei, an der Küste stärker durchzugreifen. Denn in diesem Jahr sei eine Rekordzahl an Überfahrten über den Ärmelkanal festgestellt worden. Mehr als 20.000 illegale Migranten hätten die Küste Großbritanniens im ersten Halbjahr erreicht, berichtet die saudische Zeitung „Arab News“ in ihrer Onlineausgabe. Dies entspreche einem Anstieg von etwa 50 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Im Jahr 2024 gelang insgesamt 37.000 Migranten die Überfahrt nach Großbritannien, die zweithöchste Jahreszahl nach 46.000 im Jahr 2022. Der arabischen Zeitung zufolge handelte es sich bei dem jüngsten festgestellten Vorfall um irakische und palästinensische Migranten.
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Kann man irreguläre Migration verhindern?
„Irreguläre Migration“ ist laut Definition des Europäischen Parlaments (EP) „die Bewegung von Menschen aus Nicht-EU-Ländern über die EU-Grenzen, ohne die rechtlichen Anforderungen für die Einreise, den Aufenthalt oder den Verbleib in einem oder mehreren EU-Mitgliedstaaten zu erfüllen“. Das EP betonte im Mai dieses Jahres in einem Artikel auf seiner Website, dass die „eigentlichen Ursachen der Migration“ bekämpft werden müssten. Dafür wurde im Juli 2017 ein EU-Programm über 44 Milliarden Euro beschlossen, mit dem „in Afrika und seinen Nachbarn“ die Ursachen angegangen werden sollen.
Bereits vorher, im Jahr 2016, wurde zwischen der EU und der Türkei ein Abkommen geschlossen, um „die steigende Zahl irregulärer Migranten und Flüchtlinge, die infolge des Bürgerkriegs in Syrien über die Türkei in die EU einreisen“, von Europa fernzuhalten. Die Türkei erklärte sich damals bereit, alle Migranten und Flüchtlinge, die nach dem 20. März 2016 aus der Türkei nach Griechenland gekommen waren, zurückzunehmen.
„Im Gegenzug erklärte sich die EU bereit, die Türkei bei der Aufnahme von Flüchtlingen in der Türkei finanziell zu unterstützen, den Beitrittsprozess der Türkei zur EU zu beschleunigen und die Visumspflicht für türkische Staatsbürger bei Reisen in die EU zu liberalisieren.“ Soweit die Theorie der EU zur Verhinderung von Migration.
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