„Kein deutscher Alleingang“: Merz verspricht Einhaltung von EU-Recht bei Migration

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel versichert, dass sich Deutschland beim Thema Migration, Grenzkontrollen und Zurückweisungen an EU-Recht halten werde. An den deutschen Grenzen werde künftig „intensiver“ kontrolliert und „wir werden auch weiter zurückweisen“, sagte Merz am Freitag. „Aber das ist alles im Einklang mit europäischem Recht.“ EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mahnte ein koordiniertes Vorgehen mit Brüssel und den deutschen Nachbarstaaten an.
Kein Notstand
Merz bekräftigte in Brüssel zunächst, dass die Bundesregierung keinen Notstand ausgerufen habe. Es habe da „einige Irritationen gegeben“, aber eine „Notlage“ sei nicht erklärt worden, sagte er. Hintergrund waren Äußerungen von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), der zur Begründung von verschärften Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylbewerbern auf Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU verwiesen hatte.
Dieser sieht vor, dass für die „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit“ von EU-Recht abgewichen werden kann. Regierungssprecher Stefan Kornelius wies aber schon am Donnerstag zurück, dass ein „nationaler Notstand“ ausgerufen worden sei. Tatsächlich kommen die Worte „Notstand“ oder „Notlage“ in Artikel 72 nicht vor. Dobrindts Ankündigung von Zurückweisungen an den Grenzen hatte Proteste bei den Nachbarn Polen und Schweiz ausgelöst.
Kritk an Merz
Der designierte FDP-Chef Christian Dürr warf der neuen Bundesregierung eine „Chaotisierung“ der Migrationspolitik vor. „Erst vollständige Zurückweisungen und dann doch wieder nicht. Das ist eine Katastrophe“, erklärte er.
Kritik kam auch von den Grünen. Merz müsse die europäische Zusammenarbeit und Einigkeit stärken, sagte Ko-Fraktionschefin Katharina Dröge der „Süddeutschen Zeitung“. „Doch Merz hat es schon am ersten Tag seiner Amtszeit geschafft, unsere europäischen Nachbarn erheblich zu verärgern.“
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Auch beim Koalitionspartner SPD regte sich Unmut. „Statt einseitig mit schärferen Maßnahmen vorzupreschen, braucht es eine enge Abstimmung mit unseren europäischen Partnern“, sagte die Fraktionsvize Sonja Eichwede der „Rheinischen Post“. „Wir wollen in der Migrationspolitik weiterhin verantwortungsvoll handeln und Humanität mit Ordnung verbinden.“
Zurückweisung in andere EU-Länder
In Brüssel begründete der Kanzler die Zurückweisungen von Asylsuchenden rechtlich damit, dass Deutschland bis auf die Grenze zur Schweiz keine EU-Außengrenzen habe und auch die Schweiz zum Schengenraum gehöre. Asylsuchende müssten daher nach geltendem Recht bereits andernorts einen Asylantrag gestellt haben. Ob dies Deutschland von der Pflicht eines mit dem Nachbarstaat koordinierten Rückführungsverfahrens entbindet, ist rechtlich umstritten.
Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, stellt sich auf die Seite von Merz und Dobrindt. „Es ist meines Erachtens schon immer richtig gewesen, dass die Mitgliedstaaten sich auf das Dublin-III-Verfahren berufen dürfen, wonach der Staat für das Asylverfahren zuständig ist, in den die Person in die EU eingereist ist“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Er halte die Zurückweisungen daher für rechtens.
Gespräch mit Nachbarstaaten
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen sagte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merz in Brüssel, dass Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen nur vorübergehend zulässig seien und sowohl mit Brüssel als auch den jeweiligen Staaten abgestimmt werden müssten. „Wie ich das verstehe, sucht Deutschland das Gespräch mit den Nachbarländern.“ Explizit zu Zurückweisungen äußerte sie sich nicht.
Zur Absprache mit den Nachbarn sagte Merz, dass diese „vollumfänglich informiert“ würden. Bei den Zurückweisungen gebe es „keinen deutschen Alleingang“.
Letzteren wünscht sich hingegen die AfD. Merz habe eine Wende bei der Migrationspoltik mit „klaren Maßnahmen gegen die illegale Masseneinwanderung“ versprochen, erklärte Parteichefin Alice Weidel. Doch nun enttäusche er die Wähler und knicke vor der SPD ein. (afp/red)
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