Kommunalwahlen in England: Anfang vom Ende der Tories?
Nigel Farage hat kein öffentliches Amt inne und schaffte es erst im achten Versuch, als Abgeordneter ins britische Parlament einzuziehen. Dennoch gilt der Brexit-Vorkämpfer und Chef der Reform-Partei als „Mann, den Großbritannien nicht ignorieren kann“, wie der „Economist“ schreibt.
1.640 Sitze stehen zur Wahl
Die Kommunalwahlen, die heute in Teilen Englands abgehalten werden, könnten ein Vorzeichen liefern. 1.640 Sitze in 23 Gemeinderäten stehen bei der Kommunalwahl zur Entscheidung an, in sechs Städten werden die Bürgermeister neu gewählt.
Besonders die Tories, die einst Größen wie Winston Churchill und Margaret Thatcher stellten, blicken den Wahlen mit Sorgen entgegen.
Tories übernahmen Farages Themen
Unter dem früheren Premier Boris Johnson errangen die Tories bei den Kommunalwahlen 2021 in etwa denselben Bezirken einen Erdrutschsieg. Nun droht ihnen der Verlust von rund der Hälfte ihrer knapp 1.000 Gemeinderatssitze – viele davon könnten an Farages Partei Reform UK gehen.

Der Brexit-Vorkämpfer und Chef der Partei Reform UK, Nigel Farage, träumt bereits vom Schlüssel zum Regierungssitz 10 Downing Stree (Archivbild). Foto: Joe Giddens/PA Wire/dpa
Lange hielten die Konservativen Farage auf Distanz. Doch ob als Chef von Ukip, der Brexit-Partei oder Reform UK – er machte ihnen Konkurrenz. Themen wie der EU-Austritt, Bootsflüchtlinge oder der Kampf gegen „woke“ Ideologien griffen die Tories auf und machten sie zu ihren eigenen.
Reform UK liegt in Umfragen vorne
Doch der Abstand schmilzt. Ähnlich wie die AfD in Deutschland hat auch die Farage-Partei nach der jüngsten Parlamentswahl in Umfragen deutlich zugelegt. Mit 25 Prozent liegt die Partei im Schnitt vor der Regierungspartei Labour (23 Prozent) und den Tories (21 Prozent). Zudem gilt die derzeitige konservative Parteichefin Kemi Badenoch als schwach.
Würde jetzt gewählt, könnte die Reform-Partei laut Schätzungen die größte Fraktion im britischen Parlament werden. Das wäre ein Schock, denn das britische Mehrheitswahlrecht sicherte bisher meist klare Mehrheiten für Labour oder die Tories. Großbritannien funktionierte de facto als Zwei-Parteien-System.
Pakt oder Koalition mit Farage?
Albtraum der konservativen Tories ist, dass dieses System dauerhaft gestört sein könnte, oder noch schlimmer, sich wieder einpendelt – aber nicht mit den Tories – sondern mit der Reform-Partei als Gegenpol zu Labour.
Innerhalb der Konservativen wird bereits über einen Pakt oder eine Koalition mit Farage diskutiert. Parteichefin Badenoch lehnt dies auf nationaler Ebene noch ab, doch ihr parteiinterner Rivale Robert Jenrick zeigt sich offen dafür.
Die nächste Parlamentswahl steht 2029 an, und lokale Wahlergebnisse sind nur eingeschränkt aussagekräftig für nationale Trends.
Tony Travers, Politikprofessor an der London School of Economics, glaubt, dass die Farage-Partei von einem Erfolg auf kommunaler Ebene deutlich profitieren würde: „Es wird die Fähigkeiten Reforms, Parlamentsmandate zu gewinnen, deutlich erhöhen“. Bislang stellt die Reform-Partei nur vier Abgeordnete im Unterhaus.
Labour fürchtet Farage und seine Partei
Auch in der regierenden Labour-Partei, den Sozialdemokraten, ist die Angst vor Farage groß. LSE-Politikprofessorin Sara Hobolt spricht von „Paranoia“. Viele traditionelle Labour-Wähler aus der Arbeiterschicht, vor allem im Norden, stimmten beim Brexit-Referendum für den EU-Austritt. Bei ihnen könnten Farages Botschaften Anklang finden.
Einen Achtungserfolg könnte Reform bei der Nachwahl im Bezirk Runcorn and Helsby nahe Liverpool erzielen. Dort wird ein neuer Abgeordneter gesucht, nachdem der Labour-Abgeordnete Mike Amesbury zurücktrat, weil er einen Mann niedergeschlagen hatte. In Umfragen lag Reform zuletzt knapp vorn.
Für Labour sieht es bei den Kommunalwahlen ebenfalls nicht gut aus. Ihre Verluste dürften sich jedoch in Grenzen halten, da die Partei schon bei der vergangenen Wahl schlecht abschnitt. Zudem verfügt Labour über eine satte Mehrheit im Parlament. Hobolt rät der Partei: „Vielleicht sollte sie sich ein bisschen mehr aufs Regieren und ein bisschen weniger auf Reform fokussieren“. (dpa/red)
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