Landwirte protestieren gegen die Einschränkung von Pestiziden: Wie wirksam sind ökologische Spritzmittel?

Europaweit fürchten Landwirte um ihre Existenz wegen erheblich einschränkender Regelungen der Europäischen Union bei der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln. Eine französische Petition gegen die Wiedereinführung des mutmaßlich krebserregenden Pestizids Acetamiprid hat in Frankreich über zwei Millionen Unterschriften bekommen. 
Globale Studie zeigt: Pestizide gefährden biologische Vielfalt.
Die EU reglementiert den Einsatz von Pestiziden stark. Landwirte sehen sich dadurch in ihrer Existenz bedroht.Foto: fotokostic/iStock
Von , 22. September 2025

 


In Kürze

  • 21 EU-Staaten unterstützten einen Antrag der Tschechischen Republik, um mehr Pflanzenschutzmittel zuzulassen.
  • Von ursprünglich 1.465 in der EU zugelassenen Pestiziden sind 974 mittlerweile verboten.
  • „Bienenkiller“ Acetamiprid bekommt keine Wiederzulassung in Frankreich.
  • Analyse: Wirksamkeit ökologischer Substanzen in der Schädlingsbekämpfung.

 

Seit mehreren Jahren beklagen sich Landwirte in ganz Europa darüber, dass die Europäische Union ihnen die Verwendung bestimmter chemischer Spritzmittel verbietet, was sich negativ auf ihre Erträge und Wettbewerbsfähigkeit auswirkt. So haben tschechische Landwirte am 14. Juli 2025 in einem Schreiben den Landwirtschaftsminister Marek Výborný (KDU-ČSL) aufgerufen, einzuschreiten.

Minister stellt Antrag zur Genehmigung von Ausnahmefällen

Der Minister der Volkspartei reagierte auf die Situation und bestätigte, dass er einen Antrag am selben Tag im Namen der Tschechischen Republik im EU-Rat für Landwirtschaft und Fischerei AGRIFISH vorgelegt habe. Darin geht es unter anderem darum, EU-Regeln zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zu vereinfachen. 21 EU-Staaten unterstützten den Antrag. Výborný erklärte, er wolle, dass die Europäische Kommission „schneller reagiere und Ausnahmen in Fällen zulasse, in denen es keine Alternative zu dem Wirkstoff gibt“. Eine Antwort der EU-Kommission steht noch aus, Hinweise auf Stellungnahmen sind bislang nicht zu finden.

Landwirte kritisieren, dass aufgrund der europäischen Verbote von verschiedenen chemischen Produkten immer weniger Pestizide verfügbar sind, die tatsächlich wirken. Die Europäische Kommission schlug 2022 im Rahmen des Green Deal vor, den Einsatz chemischer Pestizide in der Union bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren. Dieser Vorschlag wurde zwar 2024 nach heftigem Widerstand zurückgenommen, dennoch steigt die Zahl der verbotenen Wirkstoffe in Pestiziden weiter an.

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Nach Angaben des tschechischen Landwirtschaftsministeriums ist der Verbrauch von Pestiziden zwischen 2018 und 2023 um 10,4 Prozent zurückgegangen. Nach Angaben der Agrarkammer, die sich auf die Datenbank der EU bezieht, sind von ursprünglich 1465 Produkten insgesamt 974 verboten. Weitere 68 Produkte befinden sich im Zulassungsverfahren, sodass in der Praxis nur 423 Produkte verwendet werden dürfen.

„Wir können Stoffe, für die es keinen vollwertigen Ersatz gibt, nicht vollständig aus dem System ausschließen, solange keine nachweisbaren und schwerwiegenden Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit vorliegen, was derzeit der Fall ist“, erklärte Jan Doležal, Präsident der Agrarkammer, in einer Pressemitteilung.

Schädlinge entwickeln starke Resistenzen

Mit der Verringerung des Angebots an Pestiziden steigt auch die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von Resistenzen. Als Beispiel nannte er die Behandlung von Raps gegen den Rapsglanzkäfer. Nach seinen Angaben erlaubt die EU nur noch die Verwendung von zwei der ursprünglich vier Insektizide, und selbst gegen diese entwickelt der Schädling allmählich eine starke Resistenz. „Präparate, die letztes Jahr noch gegen diesen Schädling wirksam waren, zeigen dieses Jahr keine Wirkung mehr“, erklärte er.

Er fügte hinzu, dass aufgrund der Beschränkungen für Pestizide in der Tschechischen Republik der Anbau anspruchsvoller Kulturen wie Obst oder Gemüse zurückgeht und stattdessen vermehrt sogenannte einfachere Kulturen wie Weizen angebaut werden. Der Chef der Agrarvereinigung ist überzeugt:

„Die aktuelle Situation wird dazu führen, dass die heimische Lebensmittelproduktion allmählich zurückgehen wird.“

Seiner Meinung nach werden die europäischen Landwirte in den nächsten 10 bis 20 Jahren „keine erschwinglichen Lebensmittel mehr produzieren können“, wenn diese Situation weiter anhält. Er merkte an, dass zwar in der Praxis der Verbrauch von Pestiziden zurückgeht, aber aufgrund von Verboten Schädlinge, Unkraut oder Schimmelpilze allmählich resistent werden und die Landwirte die Mittel häufiger anwenden müssen. „Früher waren es zwei bis dreimal pro Saison, heute sind es bis zu achtmal“, sagte Doležal und fügte hinzu, dass häufigere Spritzungen die Kosten für die Landwirte erhöhen.

Bereits im Oktober 2024 wiesen Zuckerrübenbauern darauf hin, dass der Anbau von Zuckerrüben in der Tschechischen Republik innerhalb von zwei Jahren eingestellt werden müsse, wenn die derzeitigen Pestizide nicht weiterverwendet würden.

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Der „Bienenkiller“ bleibt in Frankreich weiterhin verboten

Die französische Nationalversammlung hatte am 8. Juli 2025 ein umstrittenes Gesetz zur erneuten Zulassung von Acetamiprid verabschiedet. Dieses Insektizid aus der Familie der Neonicotinoide ist in Frankreich seit 2018 verboten. Die Regierung hatte strengere Anforderungen für Pestizide eingeführt als von der Europäischen Union festgelegt.

In anderen Mitgliedstaaten, darunter auch in Tschechien, ist die Verwendung bis zum Jahr 2033 teilweise erlaubt. Französische Landwirte beklagen, dass sie aufgrund des Verbots Ernteausfälle und Wettbewerbsverluste erleiden. Vor allem Zuckerrüben-, Haselnuss- und Kirschbauern haben sich für die Wiederzulassung von Acetamiprid eingesetzt, da es ihrer Meinung nach keinen Ersatz für diesen Wirkstoff gibt, berichtete die französische Ausgabe der Epoch Times im November 2024.

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So beklagte sich der dortige Verband der Haselnussbauern, dass „30 Prozent der geernteten Nüsse unverkäuflich oder ungenießbar sind“, weil sie vom Haselnuss-Rüsselkäfer befallen sind, gegen den es keinen wirksamen Ersatz für Acetamiprid gibt.

Zwei Millionen Unterschriften gegen Wiederzulassung von Acetamiprid

Umweltschützer, Imker und einige Wissenschaftler argumentierten, dass die Chemikalie für Bienen und das umliegende Ökosystem giftig sei. Eine Petition zur Aufhebung des Gesetzes, das die Verwendung von Acetamiprid, auch bekannt als „Bienenkiller“, erlaubt, bekam in Frankreich über zwei Millionen Unterschriften und stieß eine intensive öffentliche Debatte an.

Am 7. August urteilte der französische Verfassungsrat: Das Pestizid Acetamiprid bleibt in Frankreich weiterhin verboten. Der Generalsekretär der Gewerkschaft „Coordination Rurale“, Christian Convers, erklärte gegenüber SRF:

„Der Entscheid des Verfassungsrats bringt einen ganzen Landwirtschaftszweig in Gefahr. Wer weiß, ob die Zuckerfabriken in Nordfrankreich morgen von Franzosen oder Deutschen betrieben werden oder ob sie endgültig geschlossen werden. Dass hier die Ideologie siegt, finde ich sehr bedenklich.“

Die Initiative „Duha“ (Regenbogen) gibt in ihrem Leitfaden zu Pestiziden an, dass deren Einsatz mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden ist. Es beeinträchtige das Nerven- und Fortpflanzungssystem sowie die Hormonproduktion. „Die wiederholte Verwendung verschiedener Pestizide führt zu Mischungen (Cocktails) von Rückständen in Lebensmitteln. Keiner davon überschreitet zwar den Grenzwert, aber zusammen können sie die Gesundheit schädigen. „Die toxikologischen Daten sind bislang begrenzt“, heißt es in dem Leitfaden.

Tschechischer Hersteller bereit, chemische Fungizide zu ersetzen

Pestizide lassen sich in drei Hauptgruppen einteilen: Herbizide gegen Unkraut, Fungizide gegen Pilze und Insektizide gegen Schädlinge. Den größten Anteil davon machen mit mehr als 40 Prozent die Fungizide aus.

Laut dem tschechischen Hersteller von nicht-chemischen Fungiziden, der Firma Biopreparáty, hat die Chemie heute nichts mehr zu bieten. Die Zukunft liegt in neuen Technologien, die „chemische Fungizide vollständig ersetzen können“. Die Präparate des Unternehmens basieren auf dem Algenpilz Pythium oligandrum, der auf Pilzen parasitiert. Das Unternehmen baut seinen Erfolg hauptsächlich auf dem Export auf. Der tschechische Markt macht dabei nur 3 Prozent seines Umsatzes aus. Neben den EU-Ländern exportiert es auch in die USA, nach Brasilien und nach China.

Martin Suchánek, Gründer und Geschäftsführer von Biopreparáty, erklärte gegenüber Epoch Times:

„Die derzeitigen chemischen Präparate sind nicht in der Lage, die Anforderungen der Landwirte zu erfüllen. Pilzkrankheiten sind heute so weit fortgeschritten, dass Chemikalien gegen sie nicht mehr wirken.“

„Landwirte halten aus Gewohnheit an Pestiziden fest“

Suchánek nannte als Beispiel Hopfen, der als „tschechisches Gold“ bezeichnet wird. Sein Anbau wird nicht nur dort durch den Pilz Verticillium nonalfalfae bedroht, der zum Welken und Absterben des Hopfens führt. Gegen diese Krankheit hilft kein chemisches Spritzmittel. Laut Suchánek verfügt das Unternehmen Biopreparáty über eine Zulassung für die Behandlung von Hopfen und erzielt „sehr gute Ergebnisse, die den chemischen Schutz übertreffen“.

Seiner Meinung nach halten die Landwirte aus Gewohnheit an chemischen Pestiziden fest. „Bereits an den Hochschulen, wo sie erste Informationen über den Pflanzenschutz erhalten, werden sie in erster Linie über chemische Präparate unterrichtet, und die Chemieunternehmen bestätigen sie durch gezielte Werbung in dieser Meinung“, sagte er.

Er fügte hinzu, dass ihre Produkte genauso erschwinglich oder sogar billiger als chemische Produkte sind. Eine Verteuerung der Lebensmittel sei daher nicht zu befürchten. Den größten Vorteil für Verbraucher sieht er jedoch darin, dass die Präparate keine Pestizidrückstände auf Lebensmitteln hinterlassen. Auch verunreinigten sie das Wasser nicht.

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Suchánek wies auch auf den Widerspruch hin, dass die Wirkstoffe in den heutigen Pestiziden aus China oder Indien importiert werden. Die Präparate seines Unternehmens würden hingegen in Tschechien hergestellt. China sei ein Handelspartner, dorthin würden sie in großem Umfang geliefert. Doch auch in Europa sieht Suchánek Raum für eine Steigerung der Produktion. „Wir verfügen über die Kapazitäten, um chemische Fungizide in der gesamten Europäischen Union sofort zu ersetzen. Ferner haben wir in all diesen Ländern Registrierungen und Vertriebspartner“, führte er weiter aus.

Geschäftspolitik multinationaler Chemiekonzerne

Um eine weitere Meinung einzuholen, wandte sich Epoch Times an den Verband für private Landwirtschaft (ASZ). Er vertritt vor allem kleinere Landwirte. Obwohl sie in vielen Punkten nicht mit der Agrarkammer übereinstimmen, in der große landwirtschaftliche Genossenschaften ein starkes Mitspracherecht haben, sind sie in der Frage der Pestizide einer Meinung.
Der Vorsitzende des Verbandes, Jaroslav Šebek, kritisierte, dass die Menge der zugelassenen Wirkstoffe in Pestiziden sehr schnell reduziert werde, ohne dass es einen Ersatz dafür gibt. Dies sei weitgehender Konsens unter den Mitgliedern des Verbandes.

Ökologische Spritzmittel lehnt er nicht ab. Doch meint er, dass sie nicht so wirksam seien:

„Ich denke, dass dies definitiv der richtige Weg ist, aber bisher nicht das Niveau der klassischen Chemie erreicht.“

Er fügte hinzu, dass es auch andere Wege gibt. Bei Unkraut könnten dies beispielsweise präzise Hacktechniken sein. Er sprach auch einen weiteren Aspekt des gesamten Problems an. Die Verfügbarkeit von chemischen Spritzmitteln werde seiner Meinung nach nicht nur durch EU-Vorschriften bestimmt, sondern auch durch die Geschäftspolitik multinationaler Chemiekonzerne. Sie seien nicht bereit, ihre Produkte in bestimmten Ländern zu registrieren und zu verkaufen, weil es sich einfach um einen zu kleinen und uninteressanten Markt handele. Auf diese Weise können die Düngemittelhersteller gleichzeitig wirksam beeinflussen, welche Pflanzen wo angebaut werden, erläutert Šebek.

Öko-Substanzen kein vollwertiger Ersatz

Auch der stellvertretende Vorsitzende der ASZ, Jan Staněk, der in Südböhmen wirtschaftet, bestätigte, dass ökologische Spritzmittel nicht so wirksam seien und häufiger eingesetzt werden müssen, darunter auch die Präparate von Suchánek. „Es handelt sich dabei noch nicht um einen vollwertigen Ersatz“, erklärte er gegenüber Epoch Times.

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Denisa Charvátová von der Firma Zeva Bečov in der Region Ústí nad Labem gab an, dass sie das Produkt Polyversum von Biopreparáty bereits seit Jahren verwendet. Das Produkt kommt auf einer gesamten Anbaufläche von 1.000 Hektar zum Einsatz. Es sei nicht zu 100 Prozent wirksam, aber insgesamt doch recht hoch. Das hänge auch von der Art der Kulturpflanze ab. Bei Getreide funktioniere es gut. „Dort liegt die Wirksamkeit bei etwa 80 Prozent“, sagte sie gegenüber Epoch Times.

Pflanzensamen mit einem höheren Anteil an Ölen sind nach ihrer Ansicht anspruchsvoller. Sie können sogar den Einsatz zusätzlicher chemischer Spritzmittel erfordern. Das hat jedoch einen Haken. Wenn ein Landwirt biologische Präparate verwendet und zusätzlich auch chemische Mittel einsetzen möchte, muss er eine Genehmigung der Zentralen Kontroll- und Prüfstelle für Landwirtschaft beantragen. Diese wird erst nach einer persönlichen Besichtigung der betroffenen Fläche erteilt, erläuterte Charvátová. Insgesamt ist sie jedoch mit dem Produkt Polyversum zufrieden, auch weil es im Vergleich zu chemischen Spritzmitteln günstiger ist.

Dieser Artikel ist angelehnt an einen ursprünglichen Beitrag auf epochtimes.cz unter dem Titel „Zemědělci se bouří kvůli omezování chemických postřiků. Jak funkční jsou ekologické fungicidy?“. (deutsche Bearbeitung os)



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