Nach Protesten in Serbien: Wie stark ist Präsident Vučić noch?

Nach mehr als neun Monaten weitgehend friedlicher Proteste gegen Korruption kam es Mitte August in zahlreichen serbischen Städten zu heftigen Zusammenstößen zwischen der Bereitschaftspolizei, den von Studenten angeführten Demonstranten sowie Anhängern der Regierungspartei.
Wie zahlreiche nationale unter internationale Medien berichteten, hätten Anhänger der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (SNS) die Demonstranten mit Feuerwerkskörpern, Steinen und Glasflaschen beworfen. Die Polizei habe die regierungskritischen Demonstranten mit Tränengas und Schlagstöcken vertrieben. Dutzende Menschen seien verletzt und zahlreiche festgenommen worden.
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Russland: Westen will Vučić beseitigen
Auslöser der Proteste war der Einsturz einer Betonüberdachung am kurz zuvor renovierten Bahnhof in Novi Sad. Dabei kamen 16 Menschen ums Leben. Studenten warfen der Regierung von Präsident Aleksandar Vučić rasch vor, das Unglück sei auf Vetternwirtschaft und Korruption innerhalb der serbischen Regierung und der Bauindustrie zurückzuführen.
Die Massendemonstrationen führten in den vergangenen Monaten zur Besetzung von Universitätsgeländen sowie Straßenblockaden. Inzwischen richten sich die Demonstrationen gegen die ihrer Meinung nach generell grassierende Korruption in der Regierung von Präsident Aleksandar Vučić. Dieser wiederum beschuldigte bereits im Februar die Demonstranten, sie würden vom westlichen Ausland gelenkt werden.

Der serbische Präsident Aleksandar Vučić nimmt am 17. Mai 2025 an einer Kundgebung in der südlichen Stadt Niš teil. Foto: Sasa Djordjevic / AFP via Getty Images
Nun erhielt der serbische Präsident Unterstützung in dieser Annahme von Alexander Botsan-Kharchenko, russischer Botschafter in Belgrad. Der Westen beabsichtige, den serbischen Präsidenten durch einen schwachen Politiker zu ersetzen, der von der Europäischen Union kontrolliert werden könne, soll der russische Diplomat verlautbart haben. Dies berichtete am 24. August der Privatsender N1 aus Belgrad. Der TV-Sender ist Partner des amerikanischen Nachrichtenanbieters CNN und sendet für Slowenien, Kroatien, Serbien und Bosnien-Herzegowina. Laut der Gesellschaft für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSCE), sei N1 in Serbien „der einzige unabhängige Sender“.
N1 beruft sich in seiner Berichterstattung auf ein Interview des Botschafters mit der russischen Nachrichtenagentur „Ria Novosti“. Der Sender berichtet auch darüber, dass laut Botsan-Kharchenko der Westen eine serbische Mitgliedschaft in der EU und NATO beabsichtige:
Der Westen möchte auch, dass Serbien endlich dieses Kapitel der NATO-Bombardierungen abschließt. […] Sie sagen, dass es möglich sein wird, Serbien schrittweise in die NATO zu integrieren. Sie brauchen das, weil es die Verantwortung und Schuld für die Aggression von 1999 beseitigen wird.“
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Bertelsmann-Stiftung: Demokratie in Serbien erodiert
Die anhaltenden Studentenproteste in Serbien haben laut einer Analyse des Nachrichtenportals „European Western Balkans“ (EWB) vom 18. August „die Gesellschaft überrascht und die politische Landschaft erheblich verändert“. Sie würden die „bislang größte Herausforderung“ für die Regierung von Präsident Vučić darstellen. Zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt im Jahr 2012 sei seine Position als Wahlsieger gefährdet.
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In Serbien stehen in zwei Jahren reguläre Parlamentswahlen an. Das EWB führt in seiner Analyse weiter aus, dass die von Studenten angeführten Proteste „alle bisherigen Rekorde hinsichtlich der Teilnehmerzahlen“ gebrochen hätten. Um sie herum habe sich „eine neue soziale Bewegung“ mit einem klaren Ziel gebildet:
die Wiederherstellung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Serbien“.
Das EWB beruft sich bei seiner Kritik an der serbischen Regierung auf den sogenannten „Transformations-Index“ (BTI) der deutschen Bertelsmann-Stiftung, demzufolge ein „stetiger Rückgang der Qualität bei Wahlen festgestellt“ worden sei. Zwar könnten Oppositionsparteien weiterhin an Wahlen teilnehmen, doch seien „die Wettbewerbsbedingungen zunehmend zugunsten von Vučićs SNS verzerrt“.
Das Gleiche gelte für Medien, „deren Eigentumsverhältnisse zunehmend in den Händen von Personen konzentriert“ seien, „die der herrschenden Elite nahestehen, wodurch alle nationalen Fernsehsender regierungsfreundlich geworden“ seien. Das BTI will zudem einen Rückgang an Meinungsfreiheit, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sowie bei der Unabhängigkeit der Justiz festgestellt haben.
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Demonstranten wollen Neuwahlen
All dies führe zu einer zunehmenden Unzufriedenheit im Land. Der serbische Thinktank „CRTA“ erklärte im April 2025 in einem Report, „Mindestens die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung ist mit fast allen Aspekten der Regierungsarbeit unzufrieden“. 61 Prozent seien mit der Korruptionsbekämpfung unzufrieden.
Aufgrund dieses Unzufriedenheitspotentials glaubt EWB, „zum ersten Mal seit 2012 scheint die [Regierungspartei von Vučić] SNS in Wahlfragen angreifbar zu sein“. Die Protestbewegung fordert seit Anfang Mai vorgezogene Neuwahlen.
Vučić bekräftigte inzwischen mehrfach seine Dialogbereitschaft mit den Demonstranten. „Ich werde weiterhin den Dialog anbieten. Mit allen, die mich Hitler, Mörder, Verbrecher, Mafioso, Satan, Affe, Verrückter nennen […]. Ich habe 75 solcher Beleidigungen aufgeschrieben. Und dennoch bin ich trotz alledem weiterhin bereit zu reden“, wurde Vučić am 25. August von der bulgarischen Nachrichtenseite „Novinite“ zitiert. Der serbische Präsident hat zudem einen TV-Talk mit Vertretern der Demonstranten angeboten. Diese lehnten das Angebot ab.
Der russische Botschafter in Belgrad, Alexander Botsan-Kharchenko, erklärte gegenüber „Ria Novosti“, es handele sich bei den Protesten um eine „nach dem üblichen Muster“ organisierte Farbrevolution.
Es ist kein Zufall, dass die heutigen Zeitungen voller Schlagzeilen und Unterüberschriften sind, in denen es um den Wunsch dieser Organisatoren der Farbrevolution in Serbien geht, einen Maidan in Serbien für (Präsident) Vučić zu organisieren.“
Am 23. August kam es innerhalb von drei Tagen zur zweiten Gegendemonstration der Anhänger von Präsident Vučić. Etwa 70.000 Personen sollen in mehreren serbischen Orten daran teilgenommen haben, berichtete die auf den Westbalkan spezialisierte Nachrichtenagentur „dtt-net“.
Öl und Gas: Serbien zwischen West und Ost
In Serbien geht es aber seit Ausbruch des Ukraine-Krieges auch noch um einen anderen Aspekt: Das Balkanland steht offensichtlich sowohl unter westlichem als auch unter russischem Druck. Weil dem Westen missfällt, dass Serbien weiterhin Energie aus Russland bezieht und damit nicht Teil der westlichen Sanktionspolitik gegen Russland ist, befindet sich der serbische Energiesektor in einer Krise.
Deshalb bemüht sich Energieministerin Dubravka Dedovic Handanovic um ein neues langfristiges Erdgaslieferabkommen mit dem russischen Energielieferanten Gazprom. In einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur „TASS“, sagte die serbische Energieministerin am 21. August: Der Dialog zwischen dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über eine Friedenslösung für den Krieg in der Ukraine, könnte auch „dazu beitragen, den Druck auf den serbischen Energiesektor zu senken“.
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Die EU-Sanktionen gegen Russland hätten sich aufgrund der Beteiligung Russlands am Kapital des serbischen Energieunternehmens „Naftna Industrija Srbije“ (NIS) „negativ ausgewirkt“, sagte die Ministerin. Die Situation sei komplizierter geworden, nachdem das US-Finanzministerium Sanktionen verhängt habe.
Am 10. Januar hat das US-Finanzministerium Gazprom sowie mehr als 20 Tochtergesellschaften, darunter NIS, auf die Sanktionsliste gesetzt. NIS ist eines der größten Energieunternehmen in Südosteuropa. Laut „TASS“ sind seine Mehrheitsaktionäre Gazprom Neft (44,85 Prozent der Anteile), Gazprom (11,3 Prozent) und Serbien (29,87 Prozent). Am 28. Juli berichtete das serbische Energieministerium, dass Belgrad die inzwischen fünfte Aufschiebung der US-Sanktionen gegen NIS um weitere 30 Tage erreicht habe. Seit dem 22. August sind erneute Verhandlungen mit den USA im Gespräch.
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