Nationale und internationale Reaktionen auf Israels Gaza-Plan

Netanjahus Sicherheitskabinett hat die Einnahme von Gaza-Stadt beschlossen. Tausende Israelis demonstrierten gestern Abend in Jerusalem und Tel Aviv gegen diese Ausweitung des Krieges. Sie fürchten um das Leben der verbliebenen Geiseln. Auch die politische Opposition ist empört. Die Bundesregierung kündigte an, bestimmte Waffenexporte an Israel zu stoppen. Erste internationale Reaktionen warnen Israel vor einem falschen Schritt.
A demonstrator wears a mask in effigy of US President Donald Trump during an anti-government protest calling for action to secure the release of Israeli hostages held by Palestinian militants in the Gaza Strip since October 7, 2023, outside the prime minister's office in Jerusalem on August 7, 2025. (Photo by AHMAD GHARABLI / AFP) (Photo by AHMAD GHARABLI/AFP via Getty Images)
Ein Demonstrant trägt eine Maske mit dem Konterfei von US-Präsident Donald Trump während einer Protestkundgebung, bei der die Freilassung israelischer Geiseln und ein Ende des Militäreinsatzes im Gazastreifen gefordert werden, vor dem Büro des Premierministers in Jerusalem am 7. August 2025.Foto: Ahmad Gharabli/AFP via Getty Images
Von 8. August 2025

Nach einer mehr als zehnstündigen Sitzung hat das israelische Sicherheitskabinett am Freitag, 8. August, den Plan zur Übernahme der Kontrolle über Gaza-Stadt gebilligt und damit die von Premierminister Benjamin Netanjahu vorgeschlagene Ausweitung der Militäroperation in dem palästinensischen Gebiet bestätigt.

Kurz vor dem Treffen in Jerusalem, das von mehreren Protestaktionen auf den Straßen begleitet wurde, hatte Netanjahu seine Absicht bekannt gegeben, er strebe an, die militärische Kontrolle über den gesamten Gazastreifen zu übernehmen. Derzeit hat Israel etwa 75 Prozent des Gazastreifens besetzt.

Wörtlich heißt es in einem auf X verbreiteten Stellungnahme des Büros Netanjahus: „Das Sicherheitskabinett hat den Vorschlag des Premierministers zur Bekämpfung der Hamas gebilligt. Die IDF [israelischen Streitkräfte] wird Vorbereitungen treffen, um die Kontrolle über Gaza-Stadt zu übernehmen, während sie humanitäre Hilfe an die Zivilbevölkerung außerhalb der Kampfgebiete verteilt.“

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Hunderte demonstrieren in Israel

In Tel Aviv und Jerusalem gingen Tausende Israelis vor und während der nächtlichen Beratung des Sicherheitskabinetts auf die Straße, um gegen die Ausweitung der Militäraktionen zu demonstrieren, und warnten ihre Regierung, dass dies das Todesurteil für die noch immer von der Hamas und dem Islamischen Dschihad gefangen gehaltenen Entführten bedeuten könne.

Es wird angenommen, dass von den verbliebenen 50 Geiseln mindestens 20 noch am Leben sind. Während der Demonstration sei es laut der israelischen Tageszeitung „Jerusalem Post“ zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen. Michel Illouz, der Vater der Geisel Guy Illouz, etwa sei „gewaltsam entfernt“ worden.

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Oppositionspolitiker will Regierung stürzen

Yair Golan, ehemaliger stellvertretender Generalstabschef und Knesset-Vertreter der Oppositionspartei der Partei Demokratisches Israel, rief in einem Beitrag auf X zum Sturz der Regierung auf. Dort heißt es unter anderem: „Wir müssen den Kampf intensivieren. Der Sturz dieser Regierung wird Leben retten.“

Außerdem äußerte er die Vermutung, ohne Netanjahu beim Namen zu nennen, dass der neue Gaza-Plan dem „politischen Überleben“ diene. Damit spielt Golan darauf an, dass Netanjahu daran interessiert sein könnte, an der Macht zu bleiben, weil ihm nach dem Ausscheiden aus dem Amt des Premiers eine Anklage wegen Korruption drohe. Der neue Gaza-Plan des Premiers stelle zudem „ein Todesurteil“ für die entführten Geiseln dar, befürchtet Golan.

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„Genau das wollte die Hamas“

Auch der Oppositionsführer Yair Lapid bezeichnete die Entscheidung des Sicherheitskabinetts als „Katastrophe, die zu vielen weiteren Katastrophen führen wird“, wird Lapid von der „Jerusalem Post“ zitiert. Und weiter: „Im völligen Gegensatz zu der Militärführung und ohne Rücksicht auf die Strapazen der Streitkräfte haben [Itamar] Ben-Gvir und [Bezalel] Smotrich Netanjahu zu einem Schritt gedrängt, der viele Monate dauern, zum Tod von Geiseln und Soldaten führen, den israelischen Steuerzahler Dutzende Milliarden kosten und zu einem diplomatischen Zusammenbruch führen wird.“

Sicherheitsminister Ben-Gvir und Finanzminister Smotrich gelten als „ultra-konservativ“. Die Niederlande habe für beide Minister ein Einreiseverbot ausgesprochen. Grund: Sie würden zu schweren Menschenrechtsverletzungen und zu Gewalt gegen Palästinenser aufrufen.

Unter Hinweis auf die Hamas äußerte Lapid zudem die Befürchtung:

„Genau das wollte die Hamas: dass Israel in dem Gebiet gefangen ist, ohne ein Ziel zu haben, ohne eine Vorstellung davon zu haben, wie es danach weitergehen soll, in einer sinnlosen Besatzung, von der niemand weiß, wohin sie führen soll.“

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Internationale Reaktionen

Die ersten Reaktionen in internationalen Medien fielen verhalten aus. Überwiegend wurde zunächst nachrichtlich deskriptiv über die israelische Regierungsentscheidung berichtet.

Allerdings liegen einige erste Stellungnahmen von Regierungen und der UNO vor:

Deutschland: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kündigte an, dass vorerst keine Ausfuhren von Rüstungsgütern genehmigt würden, die im Gaza-Krieg verwendet werden könnten.

Merz betonte, Israel habe das Recht, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen. Die Freilassung der Geiseln und zielstrebige Verhandlungen über einen Waffenstillstand hätten für Deutschland oberste Priorität. Die Hamas müsse entwaffnet werden und dürfe in der Zukunft von Gaza keine Rolle spielen.

„Das in der vergangenen Nacht vom israelischen Kabinett beschlossene, noch härtere militärische Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen lässt aus Sicht der Bundesregierung immer weniger erkennen, wie diese Ziele erreicht werden sollen“, hieß es in der schriftlichen Erklärung des Kanzlers. „Unter diesen Umständen genehmigt die Bundesregierung bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können“, so Merz.

Großbritannien: Der britische Premier Keir Starmer bezeichnete die Entscheidung als „falsch“. Er forderte die israelische Regierung „dringend“ dazu auf, „diese Entscheidung unverzüglich zu überdenken. Diese Maßnahme wird weder zur Beendigung des Konflikts noch zur Freilassung der Geiseln beitragen. Sie wird nur zu weiterem Blutvergießen führen“, so Starmer in seiner Stellungnahme.

Erforderlich sei vielmehr „ein Waffenstillstand, eine Aufstockung der humanitären Hilfe, die Freilassung aller Geiseln durch die Hamas und eine Verhandlungslösung“. Anzustreben sei eine Zwei-Staaten-Lösung, die „letztlich eine bessere Zukunft für Palästinenser und Israelis“ erreichen könne.

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Türkei: Die türkische Regierung verurteilte die Entscheidung Israels am Freitag „aufs Schärfste“ und bezeichnete diese in einer Stellungnahme auf der Website des Außenministeriums als eine „neue Phase in Tel Avivs „expansionistischer und völkermörderischer Politik“ in der Region.

Die „Besatzungsmacht Israel“ müsse ihre „Kriegspläne unverzüglich aufgeben“ sowie einem Waffenstillstand in Gaza zustimmen und Verhandlungen über eine Zwei-Staaten-Lösung aufnehmen. Die Türkei fordert „den UN-Sicherheitsrat nachdrücklich auf, verbindliche Maßnahmen zu ergreifen, um Israels Handlungen, die gegen das Völkerrecht und humanitäre Werte verstoßen, zu stoppen“, heißt es in der Erklärung des Außenministeriums.

Vereinte Nationen: Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, forderte unmittelbar nach Bekanntwerden des Plans der israelischen Regierung dessen „sofortigen Stopp“. Türk: „Er steht im Widerspruch zum Urteil des Internationalen Gerichtshofs, wonach Israel seine Besatzung so schnell wie möglich beenden muss, zur Verwirklichung der vereinbarten Zwei-Staaten-Lösung und zum Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser.“

Nach allem, was bisher bekannt sei, werde „diese weitere Eskalation zu noch mehr Zwangsvertreibungen, noch mehr Toten, noch mehr unerträglichem Leid, sinnloser Zerstörung und Gräueltaten führen“, so der österreichische Diplomat. Sein Appell: „Der Krieg in Gaza muss jetzt beendet werden. Und Israelis und Palästinenser müssen in Frieden nebeneinander leben können.“

Australien: Die australische Außenministerin Penny Wong hatte noch während der Sitzung des israelischen Sicherheitskabinetts die israelische Regierung dazu aufgerufen, „Gaza nicht zu besetzen und die humanitäre Katastrophe nicht zu verschlimmern“, berichtet der öffentlich-rechtliche australische Sender ABC. Und sie warnte, dass eine dauerhafte Zwangsumsiedlung einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt.

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Ägypten: Ebenfalls vorab ablehnend habe sich Ägypten am 5. August geäußert, wie die katarische Tageszeitung mit Sitz in London „The New Arab“ berichtete. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt noch die gesamte Besetzung des Gazastreifens im Gespräch. Die arabische Zeitung beruft sich auf nicht näher genannte ägyptische Quellen. Demzufolge befürchte Ägypten, „dass ein solcher Schritt eine ernsthafte Bedrohung für die nationale Sicherheit Ägyptens darstellen und den Friedensvertrag von Camp David zwischen Israel und Ägypten aus dem Jahr 1979 gefährden könnte“.

Ägypten ist mittels des Grenzübergangs Rafah unmittelbar mit dem Gazastreifen verbunden und hat bereits in der Vergangenheit mehrfach erlebt, dass die israelischen Militäroperationen dazu führten, dass Tausende Palästinenser nach Ägypten fliehen.



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