Nepal: Gen-Z-Proteste stürzen Regierung – Rückschlag für Peking

Innerhalb weniger Tage hat eine vornehmlich junge Protestbewegung in Nepal die Regierung von der Kommunistischen Partei Sharma Olis gestürzt. Die ehemalige Verfassungsrichterin Sushila Karki wurde als interimistische Regierungschefin eingesetzt. Vorgezogene Wahlen sind für den 5. März 2026 angesetzt.
Titelbild
Die neu gewählte Premierministerin der Übergangsregierung Nepals, Sushila Karki (m), hält zusammen mit Beamten eine Schweigeminute ab, um den Opfern der jüngsten Proteste in Kathmandu am 14. September 2025 zu gedenken. Sie versprach am 14. September, den Forderungen der Demonstranten nach einem „Ende der Korruption” nachzukommen.Foto: Prabin Ranabhat/AFP via Getty Images
Von 17. September 2025

In Kürze:

  • Eine vor allem von Jugendlichen getragene Protestbewegung stürzte die Regierung von K. P. Sharma Oli. Schwere Ausschreitungen kosteten Dutzende das Leben.
  • Die ehemalige Verfassungsrichterin Sushila Karki leitet interimistisch die Geschäfte. Vorgezogene Parlamentswahlen sind für den 5. März 2026 terminiert.
  • Die unmittelbaren Auslöser: Sperre von 26 sozialen Plattformen und Empörung über Korruption, Nepotismus und fehlende Perspektiven für junge Menschen.
  • Für das Regime in Peking ist die Ablösung der maoistischen Führung ein Rückschlag. Stattdessen wird der indische Einfluss auf das Land am Himalaja größer.

 

Innerhalb von wenigen Tagen ist es einer vorwiegend von der jüngeren Generation getragenen Protestbewegung in Nepal gelungen, eine korrupte kommunistische Regierung zu stürzen. Dem Rücktritt des Premierministers Khadga Prasad Oli waren tagelange schwere Ausschreitungen vorangegangen. Mindestens 51 Menschen starben im Zuge der sogenannten Generation-Z-Revolte, im Zuge derer unter anderem Verwaltungsgebäude oder Paläste in Brand gesetzt wurden.

Mittlerweile hat die frühere Verfassungsrichterin Sushila Karki interimsmäßig die Regierungsgeschäfte übernommen. Sie soll diese bis zur Wahl einer neuen Regierung leiten. Das Militär und Vertreter der Protestbewegung haben sich auf diese Vorgehensweise verständigt. Vorgezogene Parlamentswahlen sind für den 5. März 2026 vorgesehen. Der vorherige Regierungschef Oli und mehrere seiner Kabinettsminister haben sich bis auf Weiteres ins Ausland abgesetzt.

Nepal: Steiniger Weg zu Demokratie und Stabilität

Wiederkehrende Proteste hatte es in Nepal bereits seit Monaten gegeben. Dabei ging es vor allem um die massive Korruption innerhalb der politischen Klasse und deren Unfähigkeit, der jüngeren Generation Perspektiven zu eröffnen. Das Land stand nach der Unabhängigkeit Indiens 1947 unter dem Einfluss Neu-Delhis. Es existierte als konstitutionelle Monarchie. Von 1960 bis 1991 waren politische Parteien verboten.

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Obwohl ein 1963 eingeführtes Zivilgesetzbuch Diskriminierungen aufgrund der sozialen Zugehörigkeit verbot, blieb das über Generationen überlieferte Kastensystem de facto aufrecht. Die soziale Mobilität nach oben litt darunter ebenso wie die ökonomische Dynamik. Dazu kamen interne Fehden innerhalb der Königsfamilie und ein hohes Maß an Korruption im Staatsapparat.

Maoisten nutzten die sozialen Spaltungen für ihre Zwecke, wobei sie Unterstützung durch das kommunistische Regime in Peking erhielten. In den 1990er-Jahren lieferte sich eine Guerilla, die sich den „Leuchtenden Pfad“ in Peru zum Vorbild nahm, einen Bürgerkrieg mit Regierungstruppen. Im November 2006 kam es zum Friedensschluss – die Monarchie wurde abgeschafft, alle politischen Akteure strebten eine parlamentarische Demokratie mit einer neuen Verfassung an.

Schattenwirtschaft und massive Abwanderung junger Menschen

Die Umsetzung des Vorhabens erwies sich als langwierig. Am Ende gelang es, Nepal in eine parlamentarische Republik umzuwandeln. Politisch gaben kommunistische Parteien den Ton an, insbesondere die Maoisten, die sich der Rückendeckung durch das KP-Regime in China erfreuen konnten.

Nepal blieb jedoch stets instabil. Ständig wechselten Koalitionen und in nur 16 Jahren verzeichnete das Land 13 Regierungskabinette. Reformen wurden nicht verwirklicht. Die Korruption blieb weitverbreitet. Dazu kam, dass es im eigenen Land kaum Perspektiven gab. Der Weltbank zufolge lag die Arbeitslosenquote der 15- bis 24-Jährigen im Vorjahr bei etwa 20 Prozent.

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Dies ist jedoch nicht einmal die ganze Wahrheit. Etwa 82 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung sind in der Schattenwirtschaft tätig. Jedes Jahr verlassen etwa 2.000 junge Menschen das Land, um in den Golfstaaten oder in Südostasien nach Arbeit zu suchen und den Familien durch Überweisungen ein Überleben zu ermöglichen. Von diesen dürfte ebenso wie von öffentlichen Geldern ein nicht geringer Teil in dunklen Kanälen der Korruption versickern. Etwa 14 Prozent aller nepalesischen Staatsangehörigen leben im Ausland.

Empörung über „Nepo-Kids“ und regierungshörige Medien

Die Protestbewegung gegen die Korruption intensivierte sich mit der Verbreitung sozialer Medien. Für Empörung sorgten vor allem Videos von Politikerkindern, die mit teuren Autos, Markenartikeln und Auslandsreisen prahlten. Im Unterschied zu den Normalbürgern können sie sich auf Beziehungsgeflechte verlassen, die es ihnen ermöglichen, einen opulenten Lebensstil zu genießen. Die Rede war von „Nepo-Kids“, die ihre Privilegien dem Nepotismus verdanken.

Am 4. September führte die nepalesische Regierung eine Razzia durch und blockierte anschließend 26 soziale Plattformen, darunter Facebook, Instagram und YouTube. Sie begründete dies mit „nicht abgeschlossener Registrierung“ der Plattformen beim Ministerium für Kommunikationstechnologie und dem „Kampf gegen Desinformation“. Für viele junge Bürger des Landes fiel damit auch das Tor zur Welt weg, das es ihnen ermöglichte, im Ausland Arbeit zu finden.

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Ein weiterer Faktor, der die Entschlossenheit der Protestierenden angefacht hatte, war das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte am 8. September. Als diese auch mit scharfer Munition in die Menge schossen, starben mindestens 19 Menschen und 300 wurden verletzt.

Die Zahl der Todesopfer auf 51 angewachsen

Am 8. September trat mit Innenminister Ramesh Lekhak das erste Kabinettsmitglied zurück. Einen Tag später kündigte Premier Oli an, eine „politische Lösung“ suchen zu wollen. Wenig später wurde bekannt, dass der 2015, 2018, 2021 und 2024 zum Regierungschef gewählte Politiker nicht mehr im Land sei.

Auch am 9. September widersetzten sich Demonstranten den zuvor verhängten Ausgangssperren. Sie stürmten das Parlamentsgebäude, die Residenz des Premierministers, Ministerien und unter anderem die Privatresidenz von Premier Oli. Sie griffen auch Mediengebäude an und steckten unter anderem jenes der Kantipur Media Group in Brand. Die Protestbeteiligten beschuldigten die Medien, ein verlängerter Arm des Regimes zu sein und dieses zu stabilisieren.

Am 12. September gab Polizeisprecher Binod Ghimire an, die Zahl der Todesopfer im Zuge der Revolte habe sich auf 51 erhöht. 21 davon seien Demonstranten, neun Gefangene, drei Polizeibeamte gewesen. Es habe mehr als 1.300 Verletzte gegeben. Im Zuge des Chaos seien etwa 13.500 Gefangene ausgebrochen. Nur etwa 1.000 konnte man wieder einfangen.

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Indiens Premier Modi beglückwünscht Bürger des Nachbarlandes

Premier Olis Ausscheiden aus dem Amt ist eine deutliche Niederlage für die Kommunistische Partei Chinas. Sie hatte mit Oli einen loyalen Statthalter, der erst vor wenigen Wochen nach Peking gereist war, um dort mit Machthaber Xi Jinping die Militärparade zum Jahrestag der japanischen Kapitulation zu sehen. Oli hatte Nepal auch zu einem für Peking wichtigen Faktor im Bereich der „One Belt, One Road“-Initiative (Neue Seidenstraße) geführt.

Diese stellt eine wichtige Basis zur Machtprojektion des Pekinger Regimes auf internationaler Ebene dar. Offiziell als Infrastrukturinitiative dargestellt, eröffnet sie Peking Macht über die häufig armen und auf ausländische Hilfe angewiesenen Teilnehmerländer. Viele sind durch die „Neue Seidenstraße“ bereits in eine Schuldenfalle geraten.

Sollten die Maoisten bei den Wahlen im März eine deutliche Niederlage erleiden, würde der chinesische Einfluss in Nepal bis auf Weiteres deutlich sinken. Stattdessen würde jener Indiens größer. Dessen Regierungschef Narendra Modi hat von Pretoria aus die Bürger von Nepal dazu beglückwünscht, dass diese „demokratische Werte in herausfordernden Zeiten“ hochgehalten hätten.

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Allerdings haben Premierministerin Kalki und die Protagonisten der Generation-Z-Revolte in Nepal nicht nur Freunde im Land. Es gibt eine Vielzahl an Akteuren und Strukturen im Staatsapparat, die bereits zuvor Reformen blockiert hatten, die nicht in ihrem Sinne waren – und dies wohl weiterhin machen werden. Es gibt keine Garantien dafür, dass dem aktuellen Machtwechsel dauerhafte Stabilität folgen würde.

Will NGO in Nepal neue nepotistische Strukturen errichten?

Schon jetzt regt sich Kritik an den Protestführern. Der YouTuber Bhavesh Gujrati weist darauf hin, dass eine NGO Premierministerin Karki einen Forderungskatalog übermittelt habe. Diesem zufolge sollen Familienmitglieder getöteter Protestteilnehmer drei bis vier Sitze im Kabinett erhalten. Zudem sollen den verstorbenen Demonstranten Bilder auf den internationalen Flughäfen und Statuen im Parlament gewidmet werden.

Der YouTuber wirft der NGO Hami Nepal vor, nun selbst ein System des Nepotismus aufbauen zu wollen. Ihr Chef, der DJ Sudan Gurung, soll die Armee mit Konfrontation bedroht haben, sollte diese nicht umgehend Karki zur Regierungschefin machen. Gujrati befürchtet nun eine weitere Infiltration und Vereinnahmung der Demokratie durch unqualifizierte Minister. Er schreibt:

„Der richtige Weg nach vorn ist einfach: Führen Sie eine gründliche Untersuchung durch, zahlen Sie den Familien eine faire Entschädigung und setzen Sie sinnvolle Reformen um, damit sich solche Tragödien nie wiederholen. Alles andere ist nur Theatralik.“

Kurzfristig stehen nach dem Umsturz die Stabilisierung der Sicherheitslage, die Aufarbeitung der Gewalt und die Vorbereitung der Wahl im Vordergrund. Langfristig jedoch wird entscheidend sein, ob die neue Führung nachhaltige Reformen gegen Korruption durchsetzt und echte Arbeits- und Aufstiegsperspektiven für junge Menschen schafft. Nur so lässt sich das Vertrauen in die demokratischen Institutionen wiederherstellen. Gelingt dies nicht, könnten der alte Apparat und die chinesische Führung schon bald wieder Gelegenheit finden, zurückzuschlagen.



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