Netanjahu bei Trump: Gaza, Geiseln, Iran, Zölle

Binnen drei Monaten spricht Netanjahu zum zweiten Mal mit Trump über die Nahostlage. Nach Jahren des Zerwürfnisses mit dessen Vorgänger Joe Biden wird hier ein drastischer Kurswechsel der USA gegenüber Israel deutlich. Bei dem Gespräch geht es um die Zukunft der gesamten Region: um Gaza, die verbliebenen Geiseln, den gemeinsamen Umgang mit dem Iran und um Zölle, mit denen auch Israel belegt wurde. Eine Analyse.
WASHINGTON, DC - FEBRUARY 04: U.S. President Donald Trump greets Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu as he arrives at the White House on February 04, 2025 in Washington, DC. Netanyahu is the first foreign leader to visit Trump since he returned to the White House last month. (Photo by Chip Somodevilla/Getty Images)
US-Präsident Donald Trump begrüßt den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu bei seiner Ankunft im Weißen Haus am 4. Februar 2025 in Washington, D.C. Netanjahu war das erste ausländische Staatsoberhaupt, das Trump besuchte, nachdem er im Januar ins Weiße Haus zurückgekehrt war.Foto: Chip Somodevilla/Getty Images
Von 7. April 2025

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu spricht binnen drei Monaten zum zweiten Mal in Washington persönlich mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Allein dieser Tatsache wird in den israelischen und auch teilweise in arabischen Medien große Aufmerksamkeit gewidmet.

Sorge vor iranischer Atombombe

Die „Jerusalem Post“ erinnert daran, dass Netanjahu von Trumps Vorgänger Joe Biden (Demokrat) nur einmal im Weißen Haus empfangen worden sei. „Dieser Kontrast spricht Bände“, schreibt die israelische Tageszeitung und verweist darauf, dass es während der 29 Monate, in denen sich die Amtszeit beider Staatslenker überschnitten hatte, „regelmäßig zu Spannungen“ zwischen den USA und Israel gekommen sei. „Unter Trump ist der Rhythmus völlig anders: offene Türen, enge Abstimmung.“

In Israel steht das Treffen Netanjahus mit Trump am Montag, 7. April, unter einem gewissen öffentlichen Druck. Im Gazastreifen ist der ursprünglich seit 19. Januar geltende Waffenstillstand zwischen der palästinensischen Terrororganisation Hamas und Israel schleichend im März zusammengebrochen. Die israelischen Streitkräfte haben vielmehr wieder eine neue militärische Offensive in Gaza begonnen. Und die Hamas feuert Raketen auf Israel.

Außerdem wächst in Israel die Sorge vor dem iranischen Programm zur Entwicklung einer Atombombe für das radikal-islamische Land. Auch dazu war in jüngster Zeit außer Drohungen seitens der USA gegenüber Teheran nichts mehr zu hören.

Geisel, Gaza, Internationaler Strafgerichtshof

Israelischen Medien zufolge soll das Gespräch Netanjahus mit Trump zahlreiche unterschiedliche Themen umfassen: Es wird erwartet, dass die Bemühungen zur Rückführung israelischer Geiseln aus der Hand der Hamas im Mittelpunkt stehen. Aber auch die generelle iranische Bedrohung sowie die Verbalattacken des Präsidenten des NATO-Landes Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, und die Spannung mit dem Internationalen Strafgerichtshof aufgrund dessen internationalen Haftbefehls gegen Netanjahu sollen Gegenstand der Gespräche sein.

Laut Medienberichten soll der israelische Premierminister einen längeren Reiseweg in Kauf genommen haben, um den Überflug über Länder zu vermeiden, die den internationalen Haftbefehl gegen ihn vollstrecken könnten.

Der israelischen Nachrichtenagentur „Jewish News Syndicate“ (JNS) zufolge soll des Weiteren der Vorschlag Trumps erörtert werden, Palästinenser aus dem Gazastreifen in andere Staaten umzusiedeln.

US-Militärschlag gegen den Iran?

Am Wochenende gab Mike Pence, der ehemalige Vizepräsident aus Trumps erster Amtszeit, bekannt, Trump würde seiner Meinung nach nicht mit militärischen Maßnahmen gegen den Iran zögern, sollte sich der Iran weigern, sein Atomwaffenprogramm einzustellen. Trump hatte vor vier Wochen dem Iran ein Ultimatum gestellt, binnen der nächsten beiden Monate an den Verhandlungstisch zurückzukehren, um ein neues Atomabkommen auszuhandeln. Die Beziehungen zum Iran hatte indes Trump selbst unterbrochen. 2018 war er in seiner ersten Amtszeit aus der Wiener Nuklearvereinbarung mit dem Mullah-Regime ausgestiegen und verhängte schwerwiegende Sanktionen gegen das Land.

Teheran zeigte sich bislang von den jüngsten Drohungen aus Washington unbeeindruckt. „Ich denke, Trump glaubt, dass Frieden durch Stärke [peace through strength] entsteht“, erläuterte Pence seine Ansichten über den US-Präsidenten. Ziel der Politik Trumps sei es, den Nahostkonflikt komplett zu beenden und „amerikanische Truppen aus verschiedenen Teilen der Welt abzuziehen“.

Trotz des zerrütteten Verhältnisses zwischen Washington und Teheran hätten laut Medienberichten iranische Regierungsvertreter kürzlich ihre Bereitschaft zur Aufnahme indirekter Gespräche mit den USA erklärt, nachdem zuvor Trump einen Brief an den iranischen Staatschef Ayatollah Ali Khamenei geschickt habe.

Erdoğans religiöse Kriegsrhetorik

Von israelischer Seite war zu erfahren, dass schließlich auch die Verbalattacken und die zunehmend kriegerische Rhetorik des türkischen Präsidenten Erdoğan gegenüber Israel bei den Gesprächen in Washington eine Rolle spielen sollen. Vergangene Woche hatte Erdoğan als vehementer Unterstützer der Hamas, die er als „Widerstandsgruppe“ bezeichnet, öffentlich gesagt, er hoffe, dass „Allah Israel zerstören“ werde.

Hier stellt sich zunehmend die Frage, ob und inwieweit die USA Einfluss auf den türkischen Präsidenten nehmen können oder wollen. In der Region wird darüber spekuliert, dass sich Erdoğans Ton gegenüber Israel mäßigen könnte, sofern die USA dem NATO-Verbündeten im Norden Syriens mehr Einfluss einräumen würden. In Nordsyrien unterstützen die USA syrisch-kurdische Separatisten, die von der Türkei bekämpft werden.

Treffen als Signal

Die Begegnung Trumps mit Netanjahu im Weißen Haus am 7. April wird von israelischen Medien als „ein Signal“ gewertet, das Netanjahu sowohl an die israelische Öffentlichkeit als auch an die Region senden möchte. Was den Nahen Osten betrifft, dürfte Netanjahus Empfang in Washington in der arabischen Welt als deutliche Unterstützung Israels durch Trump gewertet werden.

Völlig unklar bleibt indes, über welche Druckmittel gesprochen werden, um die Hamas zum Einlenken zu bewegen. Offenkundig ist, dass Trump bislang – und nach Einschätzung der „Jerusalem Post“ auch weiterhin – Netanjahu „wahrscheinlich weiterhin grünes Licht geben“ werde, „das zu tun, was er in Gaza für notwendig hält, um die Hamas zu zerstören und die Geiseln zu befreien“.

Und in Teheran dürfte verstanden werden, dass sich die USA wieder enger als unter Biden mit Israel abstimmen, wie gegen den Iran vorgegangen werden könnte. Trump lässt seine Truppen in der Region wieder agieren, wie die jüngsten US-Raketenangriffe im März und am vergangenen Wochenende auf die vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen im Jemen offenbart haben.

Es geht auch um Zölle

Bei der Ankündigung seiner Reise sagte Netanjahu, er werde zudem der erste ausländische Staatschef sein, der persönlich mit dem Präsidenten über die neuen US-Zölle sprechen werde. Auch Israels Wareneinfuhr in die USA ist mit 17 Prozent Zoll betroffen. Diese Entscheidung des amerikanischen Präsidenten würde die israelische Wirtschaft, die bereits durch 18 Monate Krieg angespannt sei, weiter belasten, gab Netanjahu vor Abflug bekannt. Deshalb fand auch schon am Sonntag kurz nach Ankunft Netanjahus ein Treffen mit dem US-Handelsminister Howard Lutnick statt, wie der „Jerusalem Post“ zu entnehmen ist.

Dieses Ansinnen entspricht Trumps Verständnis für seine Zollpolitik. Netanjahu bedient damit – bewusst oder beiläufig spielt keine Rolle – Trumps Erwartung nach „Deals“ mit aller Welt. Und diese kämen, so seine Überzeugung, nur aufgrund seiner Zollpolitik zustande.

Zum Autor:
Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C. und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.


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