Neue Verteidigungsallianz: Deutschland, Frankreich und Großbritannien schließen sich zusammen

Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben sich diesen Monat außerhalb der NATO zu einer Allianz zusammengeschlossen, ohne Bündnisvertrag – und dennoch wurden Verträge geschlossen. Es geht um gegenseitigen militärischen Beistand und um die Führung in Europa, wenn die USA nicht mehr helfen wollen. Es geht aber um noch mehr. Eine Analyse.
Titelbild
(V. l. n. r.) Großbritanniens Premierminister Keir Starmer, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Friedrich Merz auf dem Weg nach Kiew.Foto: Ludovic Marin/Pool/AFP via Getty Images
Von 23. Juli 2025

„Dreiecksallianz“ nannte die „New York Times“ kürzlich die neue enge Zusammenarbeit der drei europäischen führenden Nationen Deutschland, Frankreich und Großbritannien – oder auch schlicht als E3 abgekürzt. Ein Bündnisvertrag wurde nicht abgeschlossen. Der britische Premierminister Keir Starmer bemüht sich aber, sein aus der Europäischen Union ausgetretenes Land durch bilaterale Einzelverträge wieder enger an die EU zu binden, insbesondere dort, wo den Briten ein Schulterschluss erforderlich erscheint. Das ist in erster Linie auf dem Gebiet der gemeinsamen Verteidigungspolitik der Fall.

Merz: „Beistand im Falle eines bewaffneten Angriffs“

So ist auch die Stippvisite von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am 17. Juli in London zu bewerten. Merz unterzeichnete mit Starmer ein als „Freundschaftsvertrag“ bezeichnetes Papier, bei dem die „Sicherheit im Fokus“ liege, wie die Bundesregierung mitteilte. Es gehe darum, „bilaterale Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich zu verbessern und weiter zu verstärken“, heißt es dort. Merz wird mit den Worten zitiert: „In letzter Konsequenz sichern wir einander militärischen Beistand im Falle eines bewaffneten Angriffs zu. Wir tun dies im Einklang mit unseren Verpflichtungen in der NATO.“

Das neue bilaterale Abkommen, das nach dem Londoner Stadtteil, wo es unterzeichnet wurde, auch „Kensington-Vertrag“ genannt wird, umfasst eine Vielzahl von Zusagen, die von gemeinsamen militärisch-industriellen Exporten bis zur Förderung des Schulaustauschs zwischen den beiden Ländern reichen. Merz bezeichnete den Vertrag als „ein neues Kapitel der deutsch-britischen Beziehungen“.

In britischen Medien wurde darauf hingewiesen, dass dies der erste Verteidigungsvertrag zwischen London und Berlin seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sei. Konkret geht es in dem deutsch-englischen Pakt um die Förderung des Eurofighter-Typhoon-Kampfflugzeugs, das in England, Italien und Spanien hergestellt wird, sowie um den vielseitig verwendbaren deutschen Panzer vom Typ Boxer, der in Deutschland von Rheinmetall produziert wird. Außerdem diskutierten die beiden politischen Führer die Entwicklung einer Langstreckenrakete mit einer Reichweite von mehr als 2.000 Kilometern, wie Merz in einem Interview mit der BBC erklärte.

Nukleare Abschreckung

Um Raketen ging es Starmer auch in seinen Gesprächen mit Frankreich. Denn dem Staatsvertrag mit Deutschland war ein ähnliches Abkommen mit Frankreich wenige Tage zuvor vorausgegangen: London und Paris wollen ihre ohnehin schon engen Beziehungen im Bereich der Rüstungsindustrie weiter vertiefen. Dafür war der französische Präsident Emmanuel Macron am 8. Juli für drei Tage zu einem Staatsbesuch nach London gereist.

Bei Macrons hochkarätigem Besuch, dem ersten Staatsbesuch eines EU-Staats- oder Regierungschefs seit dem Brexit, ging es laut einigen Medienberichten zudem um einen umfassenden Plan zur engeren Zusammenarbeit bei der separaten nuklearen Abschreckung Großbritanniens und Frankreichs. Solch eine „strategische Partnerschaft“ zwischen beiden Ländern gibt es bereits seit dem Jahr 2010. Damals wurden zwischen London und Paris die zwei Verträge von Lancaster House vereinbart. In einem davon geht es um gemeinsame nukleare Kriegsführung.

Die Militärplattform SLDinfo.com weist in diesem Zusammenhang auf die Äußerungen des französischen Luftwaffengenerals Bruno Cunat hin. Er ist Leiter der Generaldirektion für Internationale Beziehungen und Strategie (DGRIS) und hat vor der französischen Presse von einer „Auffrischung“ der Verteidigungsbeziehungen des Lancaster-House-Vertrags mit Großbritannien gesprochen. Großbritannien und Frankreich hätten als einzige europäische Atommächte die Verantwortung, „strategische Solidarität“ für die europäische Sicherheit zu zeigen und ihre Zusammenarbeit zu „modernisieren“, sagte General Cunat laut Presse.

Einer der herausragenden Punkte des jüngsten Treffens zwischen Macron und Starmer sei die Einrichtung eines englisch-französischen „Aufsichtsausschusses“ zur Koordinierung der nuklearen Fähigkeiten, fügte General Cunat hinzu und betonte abschließend: „Die russischen Drohungen machen es notwendig, dass Großbritannien und Frankreich eng miteinander sprechen und Moskaus Eskalation der nuklearen Bedrohung bewältigen.“

Trump als Auslöser für neue E3-Allianz?

Mehr noch als eine vermeintliche Bedrohung Europas durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin dürfte als Auslöser dieser rasch aufeinanderfolgenden E3-Vertragsabschlüsse die Politik des amerikanischen Präsidenten Donald Trump sein. Zum einen fordert Trump mit Handelszöllen die Beziehungen der USA zu Europa heraus. Zum anderen hat er in zahlreichen Äußerungen das Engagement der USA innerhalb der NATO infrage gestellt. In diese Richtung ist denn auch die Äußerung von Merz am 17. Juli in London zu verstehen, wenn er mit Blick auf Großbritannien sagte: „Wir werden gemeinsam unseren Beitrag leisten, den euroatlantischen Raum zu schützen und zu verteidigen.“

Europa will wieder mächtig werden

„Diese aufeinanderfolgenden Besuche symbolisieren und bekräftigen die Rückkehr der E3-Gruppe – Frankreich, Deutschland und Großbritannien – als treibende Kraft der europäischen Sicherheit“, bewertete Nicolai von Ondarza, führender Analyst des Londoner Thinktanks Chatham House, die jüngste Politik zwischen London, Paris und Berlin. Trotz Brexit habe diese Konstellation das Potenzial, „die komplexe europäische Sicherheitsarchitektur zusammenzuhalten“.

Ungewöhnlich für die beiden bilateralen Verträge Großbritanniens mit Frankreich und Deutschland ist zudem, dass sie ausdrücklich das Ziel der Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den drei Staaten erwähnen. Möglicherweise zeichnet sich in dieser Formulierung eine künftige echte Allianz ab, die innerhalb der EU, der NATO, der G7 und der UNO geschlossen auftritt und die drei Mittelmächte Frankreich, Deutschland und Großbritannien weltpolitisch zu einem ernst zu nehmenden Machtblock formt.

Der französische Staatspräsident gab genau zu diesem Hintergrund am 13. Juli in einer Rede an die französischen Streitkräfte einen Hinweis: „Wir Europäer müssen nun selbst für unsere Sicherheit sorgen […]. Um in dieser Welt frei zu sein, muss man gefürchtet werden, und um gefürchtet zu werden, muss man mächtig sein.“



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