Paris wählt: Kommen 500 weitere autofreie Straßen?

Am häufigsten sind die Menschen in Frankreichs Hauptstadt zu Fuß unterwegs. Jetzt sollen sie entscheiden, ob 500 Straßen für Autos tabu werden. Das Votum spaltet – Gegner sprechen von Propaganda.
Die Stadt Paris informiert großflächig über die Abstimmung.
Die Stadt Paris informiert großflächig über die Abstimmung.Foto: Rachel Boßmeyer/dpa
Epoch Times23. März 2025

Schmale Fußwege, überall parkende Wagen am Straßenrand, kein Radweg: Etliche Straßen in Paris sind vor allem auf Autos ausgerichtet. Das könnte sich nun ändern: Die Pariser sollen heute darüber abstimmen, ob Autos aus Hunderten Straßen der Stadt verbannt werden sollen.

Mitbestimmung, Raum für die Bürger und weniger Verschmutzung schwärmen die einen. Propaganda, hohe Kosten und krasse Einschränkungen schimpfen die anderen.

Zwischen 9:00 Uhr und 19:00 Uhr können die knapp 1,4 Millionen eingetragenen Wähler entscheiden, ob 500 weitere Straßen in der ganzen Stadt bepflanzt und zur autofreien Zone gemacht werden sollen.

10.000 Parkplätze würden damit wegfallen, Autofahrer müssten sich auf Umwege einstellen. Erstmals dürfen auch 16- und 17-Jährige mitwählen. Das Ergebnis wird am späten Abend erwartet.

Toranian meint: «Wenn es einen Pariser gibt, der abstimmt, wäre das bereits ein Erfolg.»

Toranian meint: „Wenn es einen Pariser gibt, der abstimmt, wäre das bereits ein Erfolg.“ Foto: Rachel Boßmeyer/dpa

Autoverkehr seit 2002 gesunken

Am häufigsten sind die Menschen in Paris zu Fuß unterwegs. Nach Angaben der Stadt legen sie fast zwei Drittel ihrer Wege gehend zurück. Das Auto werde auf innerstädtischen Strecken eher selten genutzt. Es nehme mehr als die Hälfte des öffentlichen Raums ein.

Seit 2002 ist der Autoverkehr in Paris um fast 50 Prozent gesunken. Die Zeiten, in denen Autos etwa direkt neben der Seine entlangfuhren, sind längst vorbei. Auch auf zahlreichen großen Straßen, die die Stadt durchziehen, mussten Fahrspuren Radwegen und breiteren Fußwegen weichen.

Pariser Rathaus sehr um Verkehrswende bemüht

In großen Teilen der sozialistisch regierten Stadt gilt Tempo 30, in der Innenstadt ist neuerdings eine Zone für den Durchgangsverkehr gesperrt, an Sonntagen gehören hier und dort Straßen Radlern und Fußgängern.

Schon jetzt sind rund 220 der mehr als 6.000 Pariser Straßen autofreie Zone – viele von ihnen in der Nähe von Schulen.

Paris geht es dabei auch um Anpassung an Klimaveränderungen. Die Fußgehzonen sind kleine grüne Orte in der sonst dicht bebauten Stadt. Paris hat inzwischen erheblich weniger mit schlechter Luft zu kämpfen als noch vor zehn Jahren.

Jedes Arrondissement könnte 25 neue Fußgängerstraßen bekommen

Sollten die Pariser sich bei der Bürgerbefragung für die autofreien Straßen aussprechen, könnten davon in jedem der 20 Arrondissements, also Stadtbezirke, bald circa 25 weitere entstehen.

Welche Straßen genau das sein könnten, steht noch nicht fest. Die Umsetzung würde laut dem stellvertretenden Pariser Bürgermeister Patrick Bloche wohl etwa drei bis vier Jahre dauern.

In Paris könnte es bald deutlich mehr von solchen Fußgehzonen geben.

In Paris könnte es bald deutlich mehr von solchen Fußgehzonen geben. Foto: Rachel Boßmeyer/dpa

Jedoch: Im kommenden Jahr stehen in Paris Wahlen an. Möglich, dass dann die konservativen Pariser Kräfte das Rathaus von der bisherigen sozialistischen Bürgermeisterin Anne Hidalgo übernehmen.

Dass die Konservativen die Umwandlung der Straßen weiterverfolgen würden, ist äußerst fraglich. Ihr Sprecher Aurélien Véron kritisierte die Bürgerbefragung als Kommunikationskampagne und Propaganda.

Die Fragestellung sei demagogisch, Menschen würden für dumm verkauft. Händler, alte Menschen und sogar Rettungsdienste würden durch die Fahrverbote eingeschränkt. Und die Kosten beliefen sich auf 250 Millionen Euro. Tatsächlich hatte Bürgermeister-Vize Bloche im „Parisien“ von etwa 500.000 Euro Ausgaben pro Straße gesprochen.

Wo heute Menschen an der Seine den Abend genießen, fuhren früher Autos. (Archivbild)

Wo heute Menschen an der Seine den Abend genießen, fuhren früher Autos. (Archivbild) Foto: Rachel Boßmeyer/dpa

Anouch Toranian, die im Rathaus für Bürgerbeteiligung zuständig ist, hält dagegen, dass es um Raum gehe, der den Menschen zur Verfügung gestellt werde, um weniger Verschmutzung und weniger Lärmbelästigung.

Außerdem will die Stadt die Menschen stärker einbeziehen. Bereits zweimal hatte Paris seine Bewohner in Sachen Verkehrswende befragt – zum Verbot von E-Tretrollern zum Leihen und zu höheren Parkgebühren für schwere Autos.

Bei den Abstimmungen beteiligten sich nur etwa 7,5 und 6 Prozent der Wahlberechtigten. Toranian wäre jetzt schon mit einem Prozent zufrieden, sagt sie. „Wenn es einen Pariser gibt, der abstimmt, wäre das bereits ein Erfolg.“

Straßensperrung per Bürgerbefragung in Deutschland nicht denkbar

In Deutschland wäre ein Vorgehen wie in Paris nicht denkbar. Straßen können hier nicht per Bürgerabstimmung gesperrt werden, sondern über ein Verfahren zur Entwidmung, wie Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, schildert. Dabei würden die Interessen aller Straßennutzer berücksichtigt – etwa auch von Händlern.

An dieser autofreien Straße liegt eine Schule.

An dieser autofreien Straße liegt eine Schule. Foto: Rachel Boßmeyer/dpa

Viele deutsche Städte bemühten sich längst um einen guten Verkehrsmix. „Dazu kann auch die Sperrung von Straßen für den motorisierten Verkehr gehören, wenn es zum Verkehrskonzept vor Ort passt.“

Klar sei aber: „Wenn wir weniger Autoverkehr haben wollen, dann brauchen wir mehr öffentliche Verkehrsmittel, mit guter Taktung und guter Erreichbarkeit.“

Hier hake es, denn die Finanzlage der Städte sei dramatisch. Sie bräuchten mehr finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern für den öffentlichen Nahverkehr. (dpa/red)



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