Putins Türöffner im Westen: Wer ist Russlands Sondergesandter Kirill Dmitriev?

Die Wiederannäherung zwischen den USA und Russland sowie die Lösung des blutigen Ukraine-Konflikts sind längst nicht mehr nur Themen für offizielle Gipfeltreffen. Vielmehr findet seit Monaten ein intensiver Austausch auf diplomatischen Nebenkanälen statt.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bestätigte vergangene Woche, dass die gegenseitigen Besuche zwischen den Sonderbeauftragten beider Länder „sehr aktiv“ seien. Er sprach von einem „zuverlässigen Kanal“ für sensible Verhandlungen.
Zwei Namen prägen diesen diskreten Dialog maßgeblich. Auf der amerikanischen Seite der Immobilienmogul Steve Witkoff – langjähriger Vertrauter von Donald Trump und der Sondergesandte des Präsidenten für den Nahen Osten.
Und auf russischer Seite? Kirill Dmitriev – ein Name, der bis vor Kurzem selten Schlagzeilen gemacht hat. Dmitriev ist ein enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Geboren in Kiew, ausgebildet in den USA und vernetzt im Nahen Osten.
Als Sonderbeauftragter des Präsidenten gilt Dmitriev heute als Putins wichtigster Vermittler im Ukraine-Konflikt – entscheidend im Hintergrund, selten im Rampenlicht.

Kirill Dmitriev (l.) redet am 11. April 2025 in Sankt Petersburg mit Steve Witkoff, dem Sonderbeauftragten von US-Präsident Donald Trump. Foto: Vyacheslav Prokofyev/Pool/AFP via Getty Images
Geboren in Kiew, ausgebildet in Stanford und Harvard
Dmitriev wurde 1975 in Kiew geboren – damals noch Teil der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik innerhalb der Sowjetunion. Als Sohn zweier Biologen studierte er zunächst Physik und Mathematik. In den 1990er-Jahren erhielt Dmitriev die damals ungewöhnliche Chance, seine Ausbildung in den USA an renommierten Universitäten fortzusetzen, zunächst an der Stanford University, später an der Harvard Business School.
Diese internationale Ausbildung machte Dmitriev später auch in Russland zu einer gefragten Schlüsselfigur.
Bis 2000 arbeitete Dmitriev noch in New York, und zwar für einige der weltweit bedeutendsten Unternehmen: die Investmentbank Goldman Sachs sowie die internationale Unternehmensberatung McKinsey, welche ihm das Studium an der Harvard Business School finanzierte.
Global vernetzt, strategisch platziert
Dmitriev entschied sich schließlich im Alter von 25 Jahren, trotz lukrativer Angebote führender US-Unternehmen, nach Moskau zurückzukehren. Zu dieser Zeit verfolgte Russland aktiv Strategien, um im Ausland ausgebildete Talente zurück ins Land zu holen.
In Moskau wurde Dmitriev zunächst stellvertretender Generaldirektor eines IT-Unternehmens. Kurz darauf übernahm er die Position des Investmentdirektors bei Delta Private Equity Partners, einem Unternehmen, das im Rahmen des von US-Präsident Bill Clinton initiierten U.S.-Russia Investment Fund gegründet wurde.
Im Jahr 2007 kehrte er für einige Jahre auch in die Ukraine zurück und leitete den Investmentfonds Icon Private Equity des ukrainischen Oligarchen Viktor Pinchuk. Pinchuk war als Schwiegersohn des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma Teil des inneren Zirkels der Macht in der Ukraine.
Im Jahr 2009 wurde Dmitriev vom Weltwirtschaftsforum in Davos zum „Young Global Leader“-Programm eingeladen. Diese WEF-Initiative für Fortbildung und Networking richtet sich an „außergewöhnliche Persönlichkeiten unter 40 Jahren […], die nachweislich Veränderungen in ihren Gemeinden und darüber hinaus vorangetrieben haben“.
2018 ehrte ihn Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit dem Orden der Ehrenlegion für seine Beiträge zur Annäherung zwischen Russland und Frankreich.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verleiht RDIF-Chef Kirill Dmitriev 2018 die Ehrenmedaille der französischen Ehrenlegion. Foto: Pressedienst des Russischen Direktinvestitionsfonds
Auf dem Weg in die obersten russischen Kreise
Mit seinem internationalen Profil zog Dmitriev Anfang der 2010er-Jahre die Aufmerksamkeit der Moskauer Führung auf sich. Im Jahr 2011 kehrte Dmitriev nach Russland zurück, um die Leitung des neu geschaffenen Russischen Direktinvestitionsfonds zu übernehmen. Der RDIF ist ein staatlicher Investmentfonds mit dem Ziel, internationale Investitionen (vor allem in den Bereichen Infrastruktur, Energie, Technologie und Gesundheit) nach Russland zu lenken und strategische Partnerschaften zu fördern.
Eines der bekanntesten Projekte von RDIF unter Dmitrievs Führung war der russische COVID-19-Impfstoff Sputnik V. Dmitriev selbst wurde zu einem der bekanntesten Fürsprecher des Impfstoffs und versuchte, Sputnik V auf den internationalen Märkten zu etablieren.
Bis heute ist er CEO des RDIF und nimmt gleichzeitig mehrere einflussreiche Rollen in internationalen Wirtschaftsgremien wahr. Er ist Mitglied des BRICS- und APEC Business Councils und sitzt in den Aufsichtsräten führender russischer Unternehmen.
Eine besondere Beziehung zu Putin
Dmitriev verfügt auch über enge persönliche Verbindungen zum Kreml. Seine Ehefrau Natalja Popowa gilt als langjährige, enge Freundin von Katerina Tichonowa – jener Frau, die international weithin als die jüngere Tochter von Putin angesehen wird. Popowa ist auch Vizechefin bei der russischen milliardenschweren Nichtregierungsorganisation Innopraktika, welche von Tichonowa geleitet wird.
Tichonowa war mit Kirill Schamalow verheiratet – dem Sohn eines engen Freundes von Präsident Putin. Diese Verbindungen dürften für Dmitriev von Bedeutung gewesen sein. So soll es laut einem Bericht der „Ukrainska Pravda“ Schamalow gewesen sein, über den Dmitriev den einflussreichen Politiker Sergej Iwanow kennenlernte. Letzterer war zu jener Zeit Kabinettschef unter dem damaligen Präsidenten Dmitri Medwedew.
Iwanow war maßgeblich an der Vorbereitung des RDIF beteiligt, im Rahmen der wirtschaftlichen Modernisierung und Verbesserung des Investitionsklimas in Russland. Dmitriev passte mit seinem internationalen Profil ideal in dieses Konzept.
Draht nach Washington
Dmitriev trat im Zusammenhang mit dem russisch-ukrainischen Konflikt öffentlich bei den russisch-amerikanischen Gesprächen in Saudi-Arabien im Februar 2025 in Erscheinung. Zu dieser Zeit begleitete er die russische Verhandlungsdelegation, die offiziell von Außenminister Sergej Lawrow geführt wurde.
Obwohl seine Ernennung zum Sonderbeauftragten erst später bekannt gegeben wurde, war offensichtlich, dass Dmitriev bereits an den Verhandlungen in Riad teilnahm. Auf amerikanischer Seite war Witkoff, der US-amerikanische Sonderbeauftragte, auch anwesend.
Die beiden Sonderbeauftragten stehen in regelmäßigem Kontakt. Gemeinsam führten sie auch einen erfolgreichen Gefangenenaustausch zwischen den USA und Russland durch. Dmitrievs und Witkoffs Beziehungen sowie ihre Interessengebiete überschneiden sich zudem im politischen und wirtschaftlichen Bereich des Nahen Ostens.
Als Leiter des RDIF war Dmitriev an zahlreichen Investitionen im Nahen Osten beteiligt. Zu den größten Partnern des RDIF gehören Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, deren Führungskräfte regelmäßige Gesprächspartner von Dmitriev sind.
Auch Witkoff hat enge Verbindungen in der Region. Seit Beginn des russisch-ukrainischen Konflikts haben die nahöstlichen Staaten regelmäßig als Vermittler zwischen den Parteien agiert.
Die Biden-Regierung verhängte nach dem Einmarsch von Russland in die Ukraine Anfang 2022 persönliche Sanktionen gegen Dmitriev. Diese mussten für ein Treffen zwischen Dmitriev und Witkoff Anfang des Monats in Washington, D.C. ausgesetzt werden.

Der russische Präsident Wladimir Putin (M.) mit Kirill Dmitriev (2. von r.) während eines Treffens mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff (l.) am 11. April 2025 in Sankt Petersburg. Foto: Vyacheslav Prokofyev/POOL/AFP via Getty Images
Ein Dorn im Auge der ukrainischen Führung
Während Dmitrievs ukrainische Wurzeln, seine engen wirtschaftlichen Verbindungen zu internationalen Partnern und seine westliche Ausbildung für den Kreml einen geopolitischen Vorteil im Dialog mit den USA darstellen könnten, wird sein Engagement in der Ukraine mit wachsendem Argwohn betrachtet.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerte sich Anfang April auf einer Pressekonferenz scharf über Dmitriev. Er bezeichnete ihn als „Schurken, der in der Ukraine geboren wurde“ – und warf ihm vor, lediglich ein Ziel zu verfolgen: Die Wirtschaftsbeziehungen wieder zu normalisieren und die Sanktionen gegen bestimmte Personen aufzuheben.
Besonders kritisch sieht Selenskyj Dmitrievs weitreichende Kontakte in den Nahen Osten. Seiner Ansicht nach könnten diese genutzt werden, um Forderungen an eingefrorene russische Mittel an dortige Staatsfonds oder Superreiche zu verkaufen.
Dmitriev wies ähnliche Vorwürfe in einem Interview mit CNN Anfang April zurück. Die Aufhebung von Sanktionen sei derzeit kein Thema, erklärte er. „Derzeit fordern wir keine Sanktionslockerungen. Wir sagen lediglich: Wenn Amerika wieder mehr Geschäfte mit Russland machen möchte […], dann steht es den USA selbstverständlich frei, dies zu tun.“
Chance für die Lösung des Konflikts?
Dmitriev hat bisher kaum detaillierte öffentliche Aussagen zu den Ursachen des Ukraine-Krieges oder zur Souveränität des angegriffenen Landes gemacht. Er konzentriert sich vor allem auf wirtschaftliche und diplomatische Themen.
Nach seinen Gesprächen in Washington Anfang April erklärte er, dass „wir zweifellos eine positive Dynamik in unseren Beziehungen erleben“ und dass die Regierung von Trump „auf die Lösung der Fragen hinarbeitet, im Gegensatz zu Präsident Biden“.
Es sei auch „keine Frage“, dass das Team von Trump „nicht nur den Dritten Weltkrieg verhindert habe, sondern bereits erhebliche Fortschritte bei der Lösung des Ukraine-Konflikts erzielt worden seien.“
Dmitriev sagte auch, er könne sich vorstellen, dass einige Sicherheitsgarantien für die Ukraine akzeptabel sein könnten, ohne jedoch zu präzisieren, um welche Garantien es sich handeln könnte. Gleichzeitig betonte er, dass der NATO-Beitritt der Ukraine „überhaupt nicht möglich“ sei.
Am Donnerstag, 17. April, kurz vor einem Treffen des französischen Präsidenten Macron mit dem US-Außenminister Marco Rubio und Witkoff, erklärte Dmitriev gegenüber Reportern: „Es gibt viele Leute, Strukturen und Länder, die versuchen, unseren Dialog mit den Vereinigten Staaten zu sabotieren“. Er meinte, es sei deswegen sehr wichtig für ihn, die russische Position „direkt rüberzubringen“.
Der russische Sondergesandte ist kein Diplomat im klassischen Sinne. Er versteht sich vor allem auf eines: Geschäfte. Vielleicht liegt gerade in dieser Art des pragmatischen Wirtschaftsdialogs ein Baustein für eine baldige Entspannung des Konflikts?
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