Rechtsruck in Lateinamerika? José Antonio Kast in Chile Favorit – Linke unter Druck

In Chile deutet nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen vieles auf einen Rechtsruck hin. Während die linke Kandidatin Jeannette Jara knapp führt, sprechen die Mehrheiten der ausgeschiedenen Bewerber und die Stimmung im Land klar für den konservativen Herausforderer José Antonio Kast. Die Stichwahl könnte weit über Chile hinaus Bedeutung entfalten.
Titelbild
Die chilenischen Präsidentschaftskandidaten José Antonio Kast von der Republikanischen Partei am 29. Oktober 2025 und Jeannette Jara von der Koalition Unidad Por Chile am 15. Oktober 2025. Einig sind sich die beiden Politiker in der Notwendigkeit, hart gegen die kriminellen Banden vorzugehen.Foto: Raul Bravo und Rodrigo Arangua/AFP via Getty Images
Von 19. November 2025

In Kürze:

  • Hohe Wahlbeteiligung und klare Verschiebung zugunsten konservativer Kräfte
  • Kast erhält breite Unterstützung ausgeschiedener Kandidaten
  • Linke kann kaum Reserven mobilisieren – Umfragen sehen Kast vorne
  • Lithiumpolitik und Sicherheitsfragen prägen die neue politische Lage

 

Nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Chile deutet vieles darauf hin, dass sich der zuletzt in vielen lateinamerikanischen Ländern zu beobachtende Rechtstrend fortsetzt. Während Argentinien bei den jüngsten Zwischenwahlen Präsident Javier Milei und dessen Verbündete gestärkt hat, endete mit dem Sieg von Rodrigo Paz in Bolivien im Oktober eine fast 20-jährige Herrschaft der Sozialisten.

Rechtskandidat konnte seinen Rückhalt in Chile stetig steigern

In Chile liegt zwar nach der ersten Runde der Präsidentenwahl noch die linke Kandidatin Jeannette Jara mit 26,8 Prozent der Stimmen und knapp 400.000 Stimmen voran. Allerdings haben die ausgeschiedenen Johannes Kaiser (13,9 Prozent) und Evelyn Matthei (12,5) bereits zur Wahl des Rechten José Antonio Kast für die Stichwahl aufgerufen.

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Kast, der seit 2017 seinen Rückhalt in der Wählerschaft stetig steigern konnte, kam im ersten Wahlgang auf 23,9 Prozent. Der mit 19,7 Prozent drittplatzierte Ökonom Franco Parisi hat sich bislang noch nicht festgelegt. Dass er sich eindeutig auf die Seite Jaras schlagen wird, gilt jedoch als unwahrscheinlich – insbesondere vor dem Hintergrund, dass es im Senat und in der Deputiertenkammer nun strukturelle rechte Mehrheiten gibt.

Bereits im ersten Wahlgang hatten sich alle bedeutenden Kräfte der Linken hinter Jara geschart. Die beiden Außenseiter, der unabhängige Linke Marco Enríquez-Ominami und der orthodoxe Marxist-Leninist Eduardo Artés, kamen nicht einmal zusammen auf mehr als 2 Prozent. Der als Unabhängiger ins Rennen gegangene Harold Mayne-Nicholls, ein früherer Präsident des Fußballverbandes, kam ebenfalls nur auf 1,3 Prozent.

Erste Umfrage nach dem ersten Wahlgang sieht Kast bei 61 Prozent

Auf eine erhebliche Mobilisierungsreserve kann keiner der beiden Kandidaten für die Stichwahl mehr zählen. Nach Wiedereinführung der Wahlpflicht im Jahr 2022 hatten sich 85,26 Prozent der Stimmberechtigten schon an der ersten Runde beteiligt. Für Jara und Kast wird es entsprechend vor allem darauf ankommen, die Wähler der ausgeschiedenen Bewerber auf ihre Seite zu ziehen.

Kast scheint dafür die besseren Voraussetzungen mitzubringen. Eine erste Stichwahlumfrage des Panel Ciudadano sieht ihn mit 61 zu 39 Prozent der Stimmen voran. In Oktoberumfragen sahen ihn ebenfalls alle namhaften Meinungsforscher für den Fall einer Stichwahl gegen Jara voran.

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Anders als 2021, als Kast in der Stichwahl Gabriel Boric unterlag, bestimmt die Linke nicht mehr das öffentliche Narrativ. Vor vier Jahren war der Wahlkampf geprägt von der Corona-Pandemie. In den Jahren zuvor hatte der Konservative Sebastián Piñera regiert. Es fiel dem Boric-Lager vor diesem Hintergrund leicht, Themen wie Armut und Wirtschaftskrise, die durch Corona verschärft wurden, der Rechten anzulasten.

Anläufe zu neuer Verfassung scheitern deutlich

Der Versuch, die seit 1980 geltende Verfassung aus der Ära von Augusto Pinochet durch eine neue zu ersetzen, scheiterte zweimal. Im Jahr 2022 lehnten knapp 62 Prozent einen von einer Verfassungsgebenden Versammlung vorgelegten Entwurf ab, den die Opposition als ideologisch und juristisch unbrauchbar kritisiert hatte. Ein weiterer, eher konservativer Entwurf fand Ende 2023 jedoch auch keine Mehrheit. Bis dato gab es keine weiteren Vorstöße hin zu einer neuen Verfassung.

Darüber hinaus haben sich die beherrschenden Themen im Wahlkampf geändert – ebenso wie das geopolitische Umfeld. Kast setzt hauptsächlich auf die Sicherheit und scheint damit den Nerv eines erheblichen Anteils der Wähler zu treffen.

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Ein weiteres zentrales Thema wird aber auch der Umgang mit den erheblichen Lithiumreserven des Landes sein. Der weltweite Verbrauch des Rohstoffs wird bis 2040 voraussichtlich von derzeit 205.000 auf mehr als 900.000 Tonnen steigen. Die weltweite Elektrifizierung des Verkehrswesens ist dabei ein wesentlicher Faktor.

Bereits jetzt ist Chile zweitgrößter Lithiumproduzent

Chile verfügt über geschätzte Reserven von 9,3 Millionen Tonnen und ist derzeit zweitgrößter Lithiumproduzent der Welt mit zuletzt 44.000 Tonnen. Die Linke setzt beim Abbau der Lithiumreserven auf starke staatliche Kontrolle, ökologische Verträglichkeit und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen.

Kast hingegen will die Verwertung der Rohstoffreserven nicht klimapolitischen Sachzwängen unterwerfen. Er kommt als katholischer Konservativer zwar nicht aus der libertären Schule von Argentiniens Präsident Javier Milei. Es wäre jedoch im Fall seines Wahlsieges mit einer deutlichen Annäherung Chiles an das Nachbarland sowie außenpolitisch an die USA unter Donald Trump zu rechnen.

Die Stichwahl wird am 14. Dezember stattfinden. Zur Wahl aufgerufen sind 15.779.102 Personen in 16 Regionen und im Ausland.



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