Südkorea: Verfassungsgericht bestätigt Absetzung von Präsident Yoon – Neuwahlen stehen an

Yoon Suk Yeol rief im Dezember überraschend das Kriegsrecht aus – und stürzte Südkorea damit in eine tiefe Krise. Nun steht das Land vor Neuwahlen.
Auch nach dem jüngsten Urteil sind die juristischen Auseinandersetzungen für Yoon nicht beendet. (Archivfoto)
Auch nach dem jüngsten Urteil sind die juristischen Auseinandersetzungen für Yoon nicht beendet. (Archivfoto)Foto: Song Kyung-seok/Pool Kyodo News/dpa
Epoch Times4. April 2025

Der wegen der Verhängung des Kriegsrechts im Dezember suspendierte südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol ist endgültig seines Amtes enthoben worden. Das Verfassungsgericht in Seoul bestätigte den zuvor vom Parlament beschlossenen Antrag zur Amtsenthebung des rechtskonservativen Politikers. Nun stehen dem Land Neuwahlen bevor.

Das Gericht begründete sein einstimmig getroffenes Urteil damit, dass Yoon das Kriegsrecht nicht hätte verhängen dürfen, weil es keine nationale Krise gab. Außerdem habe er gegen das Gesetz verstoßen, als er Soldaten zur Nationalversammlung beorderte, um eine Aufhebung des Kriegsrechts durch das Parlament zu verhindern.

Richter: „Ernsthafte Bedrohung für die Stabilität“

Gerichtspräsident Moon Hyung Bae sprach von „schwerwiegenden negativen Auswirkungen und weitreichenden Folgen der Verfassungsverstöße“ Yoons. Die Handlungen des Präsidenten hätten „die Grundprinzipien des Rechtsstaats“ und der demokratischen Regierungsführung verletzt. Sie stellten zudem eine „ernsthafte Bedrohung für die Stabilität der demokratischen Republik“ dar, urteilten die Richter.

Yoons Entscheidung, Soldaten ins Parlament zu schicken, um die Abgeordneten an der Aufhebung seines Dekretes zur Ausrufung des Kriegsrechts zu hindern, „verletzte die politische Neutralität der Streitkräfte“. Yoon habe die Soldaten für „politische Zwecke“ eingesetzt, führten die Richter fort. Die „verfassungswidrigen und illegalen Handlungen“ Yoons seien ein Verrat am Vertrauen des Volkes und stellten einen „schwerwiegenden Gesetzesverstoß“ dar, der aus Sicht des Schutzes der Verfassung „nicht toleriert werden kann“.

Yoon entschuldigt sich bei Bevölkerung

Yoon selbst bat kurz nach der Gerichtsentscheidung bei der Bevölkerung um Entschuldigung. „Es tut mir aufrichtig leid und bricht mir das Herz, dass ich nicht in der Lage war, Ihre Erwartungen zu erfüllen“, erklärte er. Auch Yoons Partei erklärte, das Urteil zu akzeptieren. Es sei „bedauerlich“, aber die PPP „akzeptiert und respektiert die Entscheidung des Verfassungsgerichts“, sagte der Abgeordnete Kwon Young Se.

Oppositionsführer Lee Jae Myung begrüßte die Entscheidung des Gerichts. Yoon habe die Verfassung „zerstört“, sagte Lee, der Umfragen zufolge bei Neuwahlen als Favorit gilt. Die vorgezogene Wahl muss nun laut Verfassung innerhalb von 60 Tagen stattfinden. Ein Datum soll in den kommenden Tagen verkündet werden. Laut südkoreanischen Medien ist eine Abstimmung in der ersten Juniwoche wahrscheinlich.

Yoons Absetzung tritt mit sofortiger Wirkung ein. Alle militärischen Einrichtungen des Landes erhielten unmittelbar die Anordnung, die Porträts des Oberbefehlshabers aus den Büros zu entfernen, wie das Verteidigungsministerium laut der Nachrichtenagentur Yonhap mitteilte. Yoon erwartet nun wegen des Vorwurfs der Anstiftung zum Aufstand ein vermutlich langwieriger Prozess. Bei einer Verurteilung könnte ihm schlimmstenfalls sogar die Todesstrafe drohen.

Yoons Vorgehen stürzte das Land in eine Krise

Die seit vier Monaten anhaltende Staatskrise begann in den Abendstunden des 3. Dezembers, als Yoon überraschend und kurzfristig das Kriegsrecht ausrief. Hintergrund war ein Haushaltsstreit mit den Oppositionsparteien, die seine Gesetzesvorhaben weitgehend blockiert hatten. Yoon begründete seine Kriegsrechtsentscheidung unter anderem mit dem Vorwurf, die linke Opposition agiere staatsfeindlich und sei von kommunistischen Kräften unterwandert. Beweise gibt es dafür nicht.

Kurz nach Verhängung des Kriegsrechts schickte der 64 Jahre alte Staatschef Soldaten zum Parlament in Seoul, um das Gebäude vollständig abzuriegeln. Laut den Aussagen mehrerer hochrangiger Militärs und Polizeibeamter befahl Yoon den Soldaten zudem, gezielt Abgeordnete zu verhaften. Yoon selbst bestreitet den Vorwurf.

Trotz der Militärpräsenz gelang es den Parlamentariern, sich während jener Ausnahmesituation in der Nationalversammlung einzufinden und in einer hastig einberufenen Abstimmung das wenige Stunden zuvor verhängte Kriegsrecht wieder aufzuheben.

Zurzeit führt Ministerpräsident Han Duck Soo übergangsweise die Amtsgeschäfte des Präsidenten. Han wurde zwischenzeitlich ebenfalls nach einer Abstimmung in der Nationalversammlung suspendiert, konnte nach einem Urteil des Verfassungsgerichts im März aber wieder ins Amt zurückkehren.

Nach der Bestätigung der am 14. Dezember vom Parlament beschlossenen Amtsenthebung Yoons in letzter Instanz müssen jetzt innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen stattfinden. Als aussichtsreichster Kandidat gilt nach aktuellen Umfragen der linke Oppositionsführer Lee Jae Myung, der bereits bei den Präsidentschaftswahlen 2022 gegen Yoon antrat und nur knapp unterlag.

Staatskrise belastet Südkoreas Wirtschaft

Die anhaltende Staatskrise hat nicht nur die politische Reputation der demokratischen Republik Südkorea beschädigt, sondern auch die Wirtschaft stark ausgebremst. Die Zentralbank in Seoul korrigierte in den vergangenen Monaten ihre Wachstumsprognose für das Bruttoinlandsprodukt wiederholt nach unten, was maßgeblich mit den politischen Ereignissen zusammenhängt. Ausländische Unternehmen hielten sich aufgrund des Machtvakuums und fehlender Planbarkeit mit Investitionen stark zurück.

Ob das Land mit dem höchstrichterlichen Urteil nun wieder in ruhigere Fahrwasser zurückkehren wird, muss sich noch zeigen. Zum einen haben sich die politischen Gräben in der ohnehin polarisierten Gesellschaft Südkoreas zuletzt immer weiter vertieft. Zum anderen wird befürchtet, dass die Anhänger Yoons den Urteilsspruch des Verfassungsgerichts nicht akzeptieren und möglicherweise tumultartigen Widerstand leisten könnten.

Polizei befürchtet gewalttätige Ausschreitungen

Seit Beginn der Staatskrise im Dezember gab es nahezu täglich Demonstrationen, die nicht immer friedlich blieben. So stürmten wütende Unterstützer Yoons im Januar ein Gerichtsgebäude in Seoul. Die Randalierer griffen Polizisten mit Ziegelsteinen und Stahlrohren an, 17 Einsatzkräfte wurden während der Ausschreitungen verletzt.

Zur Urteilsverkündung am Freitag war die Polizei in größter Alarmbereitschaft. Beamte umstellten das Gerichtsgebäude mit einem Ring aus Fahrzeugen und stationierten Spezialeinheiten in der Nähe. Abgeordnete der Opposition applaudierten, als das ihren Worten nach „historische“ Urteil fiel, während Parlamentarier aus Yoons Partei den Gerichtssaal verließen.

Gegner des entmachteten Präsidenten versammelten sich im Freien, um eine Live-Übertragung der Urteilsverlesung zu verfolgen. „Als die Entlassung verkündet wurde, war der Jubel so laut, dass es sich angefühlt hat, als würde die Kundgebung mitgerissen“, sagte die 25-jährige Demonstrantin Kim Min Ji der Nachrichtenagentur AFP. „Wir weinten Tränen und riefen, dass wir, die Bürger, gewonnen haben!“

Yoons Unterstützer wütend

Tränen der Trauer und Wut wurden dagegen unter einigen Anhängern des abgesetzten Präsidenten vergossen. Sie hatten sich vor Yoons Wohnsitz versammelt. Als das Urteil bekannt wurde, stießen einige von ihnen Flüche aus, auch Todesdrohungen gegen die Richter waren zu hören. Ein Yoon-Unterstützer, der versucht hatte, ein Polizeiauto mit einem Stock anzugreifen, wurde nach Angaben der Polizei festgenommen.

Während Südkorea in den vergangenen Wochen auf das Urteil gewartet hatte, war es immer wieder zu Protesten von Anhängern und Gegnern des entmachteten Präsidenten gekommen. Mindestens zwei Unterstützer hatten sich aus Protest über Yoons Absetzung selbst angezündet und waren gestorben.

Für den ehemaligen Staatsanwalt Yoon sind die juristischen Auseinandersetzungen auch nach dem jüngsten Urteil nicht beendet. Er muss sich weiterhin in einem Strafprozess verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem Aufruhr und Machtmissbrauch vor. Im Falle eines Schuldspruchs würde Yoon eine lebenslängliche Haftstrafe drohen. (dpa/afp/red)



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