Übernahme von Nexperia durch Niederlande signalisiert neue Kalter-Krieg-Denkweise im Westen

Die Niederlande haben den Chiphersteller Nexperia übernommen, um technologische Souveränität zu sichern. Experten sehen den Fall als Signal für eine neue Kalter-Krieg-Denkweise im Westen, bei der selbst einfache Halbleiter als strategisch gelten.
Eine Festplatte. (Symbolbild) Foto: FinkAvenue/iStock
Eine Festplatte. (Symbolbild)Foto: FinkAvenue/iStock
Von 3. November 2025

In Kürze:

  • Die Niederlande übernehmen Chiphersteller Nexperia und stoppen chinesische Kontrolle.
  • Dahinter steht das Bemühen Europas, Lieferketten und technologische Souveränität zu sichern.
  • Laut Experten signalisiert der Fall eine neue Kalter-Krieg-Denkweise im Westen.

 

Am 30. September ergriff die niederländische Regierung eine außergewöhnliche Maßnahme: Sie übernahm die Kontrolle über den Chiphersteller Nexperia, fror dessen Vermögenswerte ein und setzte die chinesischen Führungskräfte ab. Hintergrund ist der wachsende Versuch des Westens, Halbleitertechnologien als strategische Vermögenswerte zu sichern und die technologische Souveränität Europas gegenüber China zu behaupten.

Analysten sehen in diesem Schritt ein Signal dafür, dass selbst einfache, aber für Industrie und Lieferketten unverzichtbare Chips zunehmend als kritische Technologien betrachtet werden.

Nexperia wurde 2019 von der chinesischen Firma Wingtech übernommen, die teilweise unter Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) steht und in den USA auf der schwarzen Liste steht. Nexperia war früher eine Sparte des niederländischen Elektronikkonzerns Philips.

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Ein Chiphersteller im Kreuzfeuer

Nexperia gehört zu den weltweit größten Herstellern einfacher Computerchips sowie von Dioden und Transistoren. Diese Chips sind zwar nicht hochmodern, sondern gelten als eher einfache Bauteile, aber sie sind für Europas Automobil- und Industriesektoren unverzichtbar. Bis zu 80 Prozent deren Produkte werden in China weiterverarbeitet und verpackt.

Die niederländischen Behörden griffen ein, nachdem der ehemalige CEO Zhang Xuezheng offenbar begonnen hatte, wesentliche Abläufe, Daten und Ausrüstung von Europa nach China zu verlagern. Am 1. Oktober fror die Regierung Vermögenswerte von 30 Nexperia-Unternehmenseinheiten weltweit ein und setzte Zhang ab.

Die Muttergesellschaft Wingtech war ursprünglich privat, ist jetzt aber teilweise staatlich und steht damit direkt unter Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Wingtech hatte Nexperia 2019 für rund 3,78 Milliarden US-Dollar übernommen – die damals größte Übernahme Chinas eines Chipherstellers im Ausland.

Warum Nexperia ins Visier geraten ist

Der Schritt der Niederlande zeigt, dass westliche Exportkontrollen nun auch grundlegende Produktionsprozesse und Lieferketten betreffen, nicht nur Spitzentechnologien wie KI-Beschleuniger.

Wingtech steht im Westen seit Langem unter Beobachtung. Die britische Regierung forderte das Unternehmen zuvor auf, eine Chipfabrik im walisischen Newport zu verkaufen. Im Dezember 2024 setzte das US-Handelsministerium Wingtech auf die Schwarze Liste, weil das Unternehmen den Erwerb von Firmen mit sensiblen Halbleiterfähigkeiten unterstützt. Nach den neuen „50-Prozent-Besitz“-Regeln des Bureau of Industry and Security Mitte 2025 fiel Nexperia automatisch unter US-Handelsbeschränkungen, da es vollständig Wingtech gehört.

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Ein Richtungswechsel in der Politik

Experten sehen den Fall als Zeichen eines grundlegenden Wandels in der Sichtweise der USA und ihrer westlichen Verbündeten auf technologische Souveränität.

Sun Kuo-hsiang, Professor für Internationale Beziehungen und Wirtschaft an der Nanhua University in Taiwan, erklärte, dass die Entscheidung der Niederlande ein deutliches Signal sei. Europa erkenne zunehmend, dass die industriellen Ambitionen der KPCh nicht nur wirtschaftliche Risiken bergen. Auch die nationale Sicherheit sei davon betroffen.

„Erstens würde die Kontrolle eines einzigen kritischen Glieds in Europas Automobilindustrie durch die KPCh erhebliche Risiken für die Lieferketten schaffen“, sagte er. „Zweitens ist die technologische Souveränität gefährdet. Herstellungs-Know-how, Produktionsparameter, Qualitätssysteme und Teams für Forschung und Entwicklung, die Europa über Jahrzehnte aufgebaut hat, könnten vollständig an Tochtergesellschaften in China übergehen und dort in das Industriesystem integriert werden. Dadurch würde die ursprüngliche industrielle Basis in Europa ausgehöhlt.“

Durch die Berufung auf ein Gesetz aus der Zeit des Kalten Krieges haben die Niederlande Chips für ausgereifte Prozesse als „sensible Technologien“ eingestuft. Bisher galt diese Kategorie nur für Spitzentechnologien wie 3-Nanometer-Chips oder KI-Beschleuniger.

„Europa und Amerika setzen nun stärker auf das Konzept der ‚Lieferkettensouveränität‘, nicht nur auf die Dominanz bei Spitzentechnologien“, sagte er. „Der Nexperia-Fall zeigt diese neue Logik erstmals vollständig.“

Als Reaktion darauf verbot Chinas Handelsministerium am 4. Oktober den Export von in China hergestellten Nexperia-Produkten. Damit wurde das Unternehmen effektiv zu einem Instrument diplomatischer Vergeltung. Am 1. November gab Chinas Handelsministerium bekannt, Ausnahmen für die blockierten Exporte des Unternehmens zu prüfen. Von dem Lieferstopp sind auch Autobauer und Zulieferer in Deutschland betroffen.

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Denkweise des Kalten Krieges

Feng Chongyi, außerordentlicher Professor für China-Studien an der University of Technology Sydney in Australien, erklärte gegenüber der englischsprachigen Ausgabe der Epoch Times, dass der Schritt der Niederlande „längst überfällig“ gewesen sei. Er betonte, dass der Westen erkennen müsse, dass er sich de facto bereits in einem Kalten Krieg mit der KPCh befände.

„Westliche Regierungen sprechen von einer ‚Achse des Bösen‘, doch viele zögern noch, die KPCh als Teil des kommunistischen autoritären Blocks zu sehen“, sagte er. „In Wirklichkeit sind der laufende Tech-Krieg, Informationskrieg und Handelskrieg alle Manifestationen einer neuen Kalter-Krieg-Dynamik.“

Er warnte, dass die Nichtanerkennung dieser Realität zu strategischen Fehlentscheidungen führen würde. „Der Kalte Krieg war im Kern ein Zusammenprall inkompatibler Systeme. Technologie an die KPCh zu übertragen, bedeutet, dem Feind zu helfen.“

Feng betonte, dass westliche Eliten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die „Illusion vom Ende der Geschichte“ angenommen haben. Sie ging davon aus, dass wirtschaftliche Einbindung zu einer Liberalisierung Chinas führen würde. Dieser unrealistische Optimismus öffnete der KPCh die Tür, westliche Technologie unter dem Deckmantel der Globalisierung zu plündern.

Das „Kopiere und Stehle“-Modell der KP Chinas

Experten betonen, dass Chinas technologischer Aufstieg stark auf Kopieren, Reverse Engineering (technisches Nachbauen), Diebstahl und Spionage beruht. Der aktuelle Fünfjahresplan der KPCh fordert offen außergewöhnliche Maßnahmen zur Förderung der Autarkie bei der Halbleiterproduktion. Analysten sehen darin eine klare Offenbarung der Absichten des Regimes.

Sun erklärte, dass das „Staatskapitalismus“-Modell der KPCh die Übernahme ausländischer Technologien als übliche Abkürzung nutzt, um Konkurrenten zu überholen.

„[Beijing] verzichtet auf schrittweise, unabhängige Forschung und Entwicklung“, sagte er. „Chinesische Unternehmen glänzen nicht durch Originalinnovationen, sondern durch Industrialisierung und Skalierung bestehender Technologien, Senkung der Stückkosten und Nutzung von politischen Maßnahmen und Subventionen, um globale Märkte zu erobern.“

Su nannte zahlreiche Fälle von Spionage und verdecktem Technologietransfer. Dazu gehören gestohlene Blaupausen für den F-35-Kampfjet von Lockheed-Martin und die Diebstähle von Teslas Robotertechnik. Er erklärte, dass die elektromagnetische Katapultanlage auf Chinas Flugzeugträger Fujian von Magnetschwebetechnologie adaptiert wurde, die ursprünglich für die Maglev-Züge in Shanghai von Siemens importiert worden war.

Feng fügte hinzu, dass das KPCh-System an sich Originalität unterdrücke. „Ohne Gedanken-, Rede- oder akademische Freiheit kann es keine Innovation geben. Wie die Sowjetunion verlässt sich China auf Diebstahl.“

Er betonte, dass der Kapitalismus geistiges Eigentum schützt und Kreativität belohnt. Das bürokratische Modell der Partei fördere dagegen Korruption und Plagiat. „Alle [Forschungsergebnisse], die jedes Jahr verkündigt werden, sind vorgetäuscht. Sie entstehen durch erzwungenen Technologietransfer und Diebstahl.“

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Folgt Europa dem Beispiel der USA?

Der Nexperia-Fall ist nur das jüngste Beispiel dafür, wie Europa zunehmend gegen chinesische Übernahmen vorgeht. Seit der Einführung der ersten Reihe von Exportkontrollen für Technologie unter der Trump-Regierung hat Europa die Überprüfung chinesischer Investitionen Schritt für Schritt verschärft. Dies zeigt einen klaren Kurswechsel hin zu stärkerem Schutz strategischer Industrien und Technologien.

2016 kauften chinesische Konglomerate Volvo, Syngenta und das deutsche Robotikunternehmen Kuka. Seitdem hat Europa seinen Kurs geändert. Italien blockierte mehrere chinesische Übernahmen. Zuletzt entzog es der China National Chemical Corp. Stimmrechte am Reifenhersteller Pirelli und stoppte ein gemeinsames Flugzeugprojekt mit Shenyang Aircraft Corp. Deutschland griff auch ein, um chinesische Staatsfirmen am Kauf strategischer Vermögenswerte zu hindern, und verwies dabei auf nationale Sicherheitsbedenken.

Feng warnte jedoch, dass Europas Maßnahmen fragmentiert bleiben. „Die meisten sind noch isolierte Unternehmensfälle und noch nicht auf nationaler Strategieebene verankert“, sagte er. „Für echte Wirkung müssen Länder wie die Niederlande, Deutschland und Großbritannien koordinierte Exportkontrollen wie die USA einführen.“

Bis dahin, so warnte er, „lassen diese [europäischen] Länder der KPCh im Wesentlichen eine Hintertür zu westlicher Technologie offen“.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Dutch Seizure of Nexperia Signals Europe’s Shift on Chinese Tech Investments“. (deutsche Bearbeitung zk)



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