Ukraine überrascht mit Zahl ihrer Millionäre

Ruslan Kravtschenko, der Leiter des ukrainischen Staatlichen Steuerdienstes, gab kürzlich auf seinem Telegram-Kanal bekannt, dass es 2024 in der Ukraine mehr als 17.000 Einkommensmillionäre gab. Das Bemerkenswerte an dieser Meldung ist, dass die Zahl der Vermögenden in einem Jahr um 6.600 zugenommen hat – ein Anstieg von fast 40 Prozent.
1 Million ukrainische Hrywnja entspricht etwa 21.000 Euro. Das Durchschnittseinkommen in der Ukraine beläuft sich allerdings auf nur rund 3.800 Euro im Jahr.
Die Steuerbehörde hat zudem auch weitere Einzelheiten zu den Vermögenszuwächsen bekannt gegeben, unter anderem genaue Angaben zu den Einnahmequellen.
Die Entwicklung wirft mehrere Fragen auf: Wie ist ein solcher Anstieg zu erklären? Welche wirtschaftlichen oder politischen Mechanismen könnten dahinterstehen?
Immer mehr Reiche
Ein Einwohner von Kiew fällt mit seiner Steuererklärung besonders auf. Er allein erklärte die Zahlung von 4,6 Milliarden Hrywnja an Einkommensteuer und Militärsonderabgabe. Das entspricht rund 100 Millionen Euro. Nimmt man den geltenden Einkommensteuersatz von 18 Prozent als Grundlage, bedeutet das vermutlich ein Einkommen von über 500 Millionen Euro.
Der jüngste Einkommensmillionär ist ein 3,5 Jahre altes Kind, das Einkommen in Form einer Erbschaft und eines Geschenks von nicht nahen Verwandten realisierte.
Laut den veröffentlichten Daten erklärten die Einkommensmillionäre in der Ukraine insgesamt ein Einkommen von rund 5,42 Milliarden Euro (253,6 Milliarden Hrywnja) und verpflichteten sich zur Zahlung von etwa 186 Millionen Euro an Steuern (8,7 Milliarden Hrywnja).
Die Konzentration hoher Einkommen ist vorrangig in der Hauptstadt und einigen größeren Städten zu beobachten. Das höchste Durchschnittseinkommen meldeten die Einwohner von Kiew, Zentralukraine, nämlich rund 3,39 Milliarden Euro. Es folgten die Region Dnipropetrowsk in der Ostukraine mit etwa 642 Millionen Euro und die Region Lemberg in der Westukraine mit rund 389 Millionen Euro.
In der Ukraine ist jedoch die jährliche Steuererklärung nicht für alle Bürger verpflichtend. Dies erklärt, warum im Jahr 2024 lediglich etwa 170.000 Steuererklärungen eingereicht wurden, obwohl die Gesamtbevölkerung des Landes laut Schätzungen der Vereinten Nationen im Jahr 2023 rund 37,9 Millionen betrug.
Ein Blick auf die Superreichen
Im Jahr 2025 schafften es sieben ukrainische Staatsbürger in das weltweit führende Milliardärsranking des „Forbes“-Magazins, das am 1. April 2025 veröffentlicht wurde.
Mit einem geschätzten Vermögen von 7,9 Milliarden US-Dollar gilt Rinat Akhmetow als der reichste Ukrainer. Seine SCM Group ist in Schlüsselindustrien wie Energie, Stahl und Telekommunikation aktiv und prägt die ukrainische Wirtschaft maßgeblich.
Ihm folgt der Stahlunternehmer Viktor Pinchuk mit 3,3 Milliarden US-Dollar. Er ist Schwiegersohn des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma. Pinchuk betreibt das Unternehmen Interpipe, das Rohre und Eisenbahnräder produziert, sowie Starlight Media, das sechs Fernsehsender umfasst.
Platz drei belegt Petro Poroschenko mit 1,8 Milliarden US-Dollar. Poroschenko ist nicht nur als ehemaliger ukrainischer Präsident (2014–2019), sondern auch als „Schokoladenkönig“ bekannt – dank seiner Süßwarenfabrik Roshen. Diese verkauft jährlich Süßwaren im Wert von rund 800 Millionen US-Dollar in 35 Ländern. Nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine hat sich sein Vermögen jedoch mehr als halbiert. Er war auch gezwungen, mehrere Süßwarenfabriken zu schließen.

Die bekannten Roshen-Süßigkeiten sind in 35 Ländern erhältlich. Dieses Geschäft befindet sich in Lemberg, einer Stadt in der Ukraine nahe der polnischen Grenze. Foto: ASphotowed/iStock
Erwerb von Reichtum durch Todesfälle?
Vermögenszuwachs kann zudem nicht nur geschäftliche Gründe haben, sondern auch mit tragischen Ereignissen zusammenhängen. Aus den neu veröffentlichten Daten zeigt sich auch, dass in den Steuererklärungen der Einkommensmillionäre ein hoher Anteil an Erbschaften zu finden ist. Dies wirft die Frage auf: Könnte dies auf den Krieg und die damit verbundenen Todesfälle hindeuten?
Aus den Steuererklärungen lässt sich diese Frage nicht eindeutig beantworten, auch da die Vererbung an enge Verwandte nicht steuerpflichtig ist. Laut Daten von Opendatabot wurden in der ersten Hälfte des Jahres 2024 über 521.000 Erbscheine in der Ukraine ausgestellt, was einem Anstieg von fast 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Seit 2022 ist auch ein kontinuierlicher Aufwärtstrend zu beobachten. Ähnliches gilt für die Zahl der Testamente.
Die Zunahme der Einkommensmillionäre scheint nicht damit zu tun zu haben, dass sich das Land in einer besseren wirtschaftlichen Lage befindet. Laut Daten der Weltbank sind 9 Millionen Menschen in der Ukraine oder 20 Prozent der Gesamtbevölkerung von Armut betroffen. Dies ist ein Anstieg seit Beginn des Krieges im Jahr 2022 um 1,8 Millionen. Das Land wird zudem in den nächsten zehn Jahren mindestens 524 Milliarden US-Dollar für den Wiederaufbau benötigen.
Suche nach sicheren Investitionen im Ausland
Zu den bedeutendsten Einkommensquellen laut der Steuerbehörde gehörten ausländische Einkünfte mit circa 790 Millionen Euro (34,2 Milliarden Hrywnja), gefolgt von Erbschaften und Schenkungen mit circa 315 Millionen Euro (13,6 Milliarden Hrywnja).
Das Finanzverhalten ukrainischer Bürger hat in Polen Spuren hinterlassen. Im Jahr 2023 erreichte die Anzahl der an Ausländer verkauften Wohnungen im westlichen Nachbarland mit 14.346 einen neuen Rekord. Ukrainische Staatsbürger waren dabei die aktivsten Käufer und erwarben etwa 7.700 Immobilien.
Im vergangenen Jahr wurde ein neuer Rekord bei den an Ausländer verkauften Wohnungen aufgestellt. Insgesamt wurden 17.330 an Nichtpolen veräußert, berichtete die polnische Zeitung „Rzeczpospolita“. Die meisten davon gingen wiederum an ukrainische Staatsbürger.
Diese investieren in Immobilien oft als Vermietungsobjekte zur Generierung passiver Einnahmen. Die Zeitung zitiert einen Analysten. Ihm zufolge gilt Warschau als vergleichsweise günstig. Vor dem Krieg lagen die Immobilienpreise in Kiew sogar über dem polnischen Niveau.
Das Phänomen steht mit der Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine in den vergangenen Jahren in Verbindung, deutet aber auch auf die Suche nach sicheren ausländischen Investitionen hin. Viele Ukrainer suchen heute nach ähnlichen stabilen Einkommensquellen im Ausland – nicht nur in Polen, sondern zunehmend auch in Ländern wie Portugal, Spanien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Darüber hinaus gründen viele Ukrainer Unternehmen im Ausland, insbesondere in der EU. Allein in Polen wurde im vergangenen Jahr jede zehnte neue Firma von Ukrainern gegründet. Die daraus erzielten Auslandseinkünfte tauchen jedoch nicht immer in den ukrainischen Steuererklärungen auf – oft aufgrund bestehender Doppelbesteuerungsabkommen.
Weitverbreitete Korruption
Laut der NGO Transparency International gehört die in die EU und die NATO strebende Ukraine nach Russland zu den korruptesten Staaten Europas. Im Zuge des Krieges wurden immer wieder Skandale aufgedeckt, in denen sich nicht zuletzt auch Militärangehörige bereicherten.
Männer, die den Kriegsdienst vermeiden wollen, sind zudem bereit, viel zu zahlen. Bestechungsgelder in Höhe von 5.000 bis 10.000 US-Dollar sind keine Seltenheit. Das Geld wird entweder an die für die Musterung zuständigen Beamten oder an Ärzte gezahlt.
Laut dem Global Organized Crime Index war die Ukraine zudem schon 2021 ein bedeutender Hotspot für Menschen-, Drogen- und Waffenhandel. Die Lage verschlechterte sich nur in den vergangenen Kriegsjahren. Diese Umstände werfen ebenfalls Fragen im Zusammenhang mit dem steigenden Reichtum mancher Personen auf.
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