UN: Israel fast 70 Prozent des Gazastreifens unter Kontrolle gebracht

Israels Verteidigungsminister spricht von eroberten Gebieten, die als „Sicherheitszonen“ dienen sollen. UN-Chef Guterres ist besorgt. In Israel mehren sich Forderungen nach einem Ende des Kriegs.
Israels Armee hat umfangreiche Gebiete in Gaza erobert. (Archivbild)
Israels Armee hat umfangreiche Gebiete in Gaza erobert. (Archivbild)Foto: Leo Correa/AP/dpa
Epoch Times16. April 2025

Anderthalb Jahre nach Beginn des Kriegs im Gazastreifen stehen rund zwei Drittel des abgeriegelten Küstengebiets nach UN-Angaben unter Israels Evakuierungsbefehl oder werden von der Armee als Sperrzone betrachtet. Das gelte für fast 70 Prozent des Gazastreifens, schrieb UN-Generalsekretär António Guterres auf der Plattform X. „Ich bin sehr besorgt, da die (humanitäre) Hilfe weiterhin blockiert wird, mit verheerenden Folgen.“

Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz hatte Anfang des Monats angekündigt, die Armee werde große Gebiete im Gazastreifen erobern. Sie sollen als israelisch kontrollierte „Sicherheitszonen“ dienen. Inzwischen hätten Israels Truppen etwa ein Drittel des abgeriegelten Gazastreifens eingenommen und die dortigen Bewohner vertrieben, berichtete das „Wall Street Journal“. Diese Strategie unterscheide sich von der zu Beginn des Kriegs, als Israel Truppen von Ort zu Ort verlegte und erklärte, es werde kein Gebiet besetzt.

Israels Soldaten sollen nach Angaben des israelischen Verteidigungsministers in allen eroberten Gebieten im Gazastreifen dauerhaft die Kontrolle behalten. Die Armee werde in den „Sicherheitszonen“ bleiben und als Puffer zwischen dem Feind und den israelischen Gemeinden fungieren, „in jeder vorübergehenden oder dauerhaften Realität“, sagte Katz nach Angaben seines Büros. Dies gelte auch im Libanon sowie in Syrien.

Anders als in der Vergangenheit werde die Armee keine Gebiete mehr räumen, teilte er weiter mit. Sollte die Hamas die Geiseln nicht freilassen, würden die Einsätze ausgeweitet.

Immer häufigere Evakuierungsbefehle

Nach UN-Angaben wurden allein zwischen dem 18. März und dem 8. April fast 400.000 Palästinenser innerhalb des Küstenstreifens vertrieben. Insgesamt leben in dem dicht besiedelten Gebiet am Mittelmeer mehr als zwei Millionen Menschen.

Kürzlich teilte das UN-Menschenrechtsbüro mit, die immer häufigeren Evakuierungsbefehle hätten dazu geführt, dass die Palästinenser gewaltsam in immer kleiner werdende Gebiete gedrängt werden, in denen sie kaum oder gar keinen Zugang zu Wasser, Nahrung und Unterkünften hätten.

Israel droht damit, die eroberten Gebiete auf unbestimmte Zeit unter eigener Kontrolle zu halten, um die islamistische Hamas zum Einlenken zu zwingen. Sie soll die restlichen 24 Geiseln freilassen, von denen man annimmt, dass sie noch am Leben sind, und 35 Leichen anderer aus Israel Entführter übergeben. Unter den vermutlich noch Lebenden sind auch ein Nepalese sowie ein Thailänder, auch unter den Toten sind mehrere Ausländer, die in Israel arbeiteten. Sie waren beim Terrorüberfall der Hamas und anderer islamistischer Extremisten auf den Süden Israels am 7. Oktober 2023 nach Gaza verschleppt worden.

Ausbleibende humanitäre Hilfe

Katz hat angekündigt, Israel werde Hilfslieferungen für die Menschen im Gazastreifen weiter blockieren. „Israels Politik ist klar: Es kommt keine humanitäre Hilfe nach Gaza“, erklärte Katz am Mittwoch. Die Blockade dieser Hilfe sei eines der wichtigsten Druckmittel gegen die islamistische Palästinenserorganisation Hamas.

Die UNO hatte angesichts der ausbleibenden Hilfslieferungen für das Palästinensergebiet am Montag vor der schlimmsten humanitären Krise im Gazastreifen seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas gewarnt. Es fehle an Wasser, medizinischen Produkten, Brennstoffen, Wasser und weiteren essenziellen Gütern. Nach Angaben des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten (Ocha) gelangt seit über sechs Wochen keine Hilfe mehr in den Gazastreifen.

Netanjahu droht Hamas weitere Schläge an

Die Hamas werde immer mehr Schläge einstecken müssen, sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach Angaben seines Büros während eines Besuchs bei israelischen Soldaten im Norden Gazas. Er wurde demnach von Katz und Generalstabschef Ejal Zamir begleitet. Je länger die Hamas sich weigere, die Geiseln freizulassen, desto heftiger würden die Schläge, habe Katz gedroht.

Die Hamas überdenke derzeit einen Vorschlag der ägyptischen Vermittler zur Freilassung von bis zu elf der 24 Geiseln sowie der Leichen mehrerer weiterer Entführter im Gegenzug für eine neue Waffenruhe von bis zu 70 Tagen, zitierte das „Wall Street Journal“ ägyptische Beamte. Der Vorschlag beinhaltet auch die Forderung, dass die Hamas ihre Waffen abgibt, was die Terrororganisation zurückwies.

Netanjahu drängt auf ein Abkommen, das die Freilassung der Geiseln vorsieht, Israel aber erlaubt, den Krieg fortzusetzen, bis die Hamas vollständig besiegt ist oder von sich aus die Waffen niederlegt. Die Islamisten sind jedoch nur zur Freilassung der Entführten bereit, wenn Israel einem Ende des Kriegs zustimmt.

Ex-Soldaten fordern Vorrang der Geiseln

In Israel mehren sich derzeit Stimmen aus den Reihen der Armee, die Kritik am Vorgehen der Streitkräfte im Gazastreifen äußern. 472 Ex-Soldaten aus Spezialeinheiten, darunter aktive Reservisten, hätten einen Brief unterzeichnet, in dem sie dazu aufrufen, der Freilassung der Geiseln Vorrang vor der Weiterführung des Kriegs zu geben, meldete die israelische Zeitung „Haaretz“.

Kritik von Künstlern und Architekten

Laut der „Times of Israel“ sprachen sich auch etwa 1.700 Künstler und Kulturschaffende für einen sofortigen Stopp der Kämpfe und die Freilassung der Geiseln aus. In einem Schreiben der Gruppe hieß es demnach, der Gaza-Krieg würde politischen Interessen dienen und bringe Geiseln und Soldaten in Gefahr und führe zu Leid und Tausenden Opfern auf beiden Seiten.

Netanjahus Koalitionspartner fordern seit längerem eine Wiederbesiedlung des Küstenstreifens, aus dem Israel sich vor 20 Jahren zurückgezogen hat. US-Präsident Donald Trump als Netanjahus wichtigster Verbündeter sagte kürzlich, Israel hätte das „unglaublich wichtige Stück Grundbesitz“ nicht aufgeben sollen. (dpa/red)



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