UN-Plastikabkommen: 184 Staaten ringen um Einigung

Im Ringen um ein globales Abkommen zur Eindämmung des Plastikmülls ist in Genf bisher keine Einigung in Sicht.
Die erwartete Abschlusssitzung wurde am Donnerstag schon auf den Abend verschoben, und wenn der Konferenzvorsitzende mangels Aussicht auf einen Kompromiss in letzter Minute dann nicht das Handtuch wirft, dürfte es eine Nachtsitzung in Genf geben.
Gut 180 Länder sind sich einig, dass die Flut an Plastik in Meeren, auf Bergen, in der Luft und inzwischen auch im menschlichen Körper eine große Gefahr darstellt. Sie streiten aber darüber, was dagegen zu tun ist. Die Länder verhandeln seit drei Jahren. In Genf sollte der Vertragstext fertig werden. Die Umsetzung würde wegen der nötigen Ratifizierungen ohnehin noch Jahre dauern.
Die unversöhnlichen Positionen
Auf der einen Seite stehen mehr als 100 Länder mit besonders ehrgeizigen Zielen (High Ambition Coalition), die eine Beschränkung der Plastikproduktion auf nachhaltigem Niveau fordern. Dazu gehören Deutschland, die EU und dutzende Länder in Südamerika, Afrika und Asien.
Sie wollen auch Einwegplastik wie Becher oder Besteck aus dem Verkehr ziehen, Plastikprodukte zur Mehrfachverwendung und eine Kreislaufwirtschaft fördern, bei der die Rohstoffe eines Abfallprodukts aufbereitet und erneut verwendet werden.
Auf der anderen Seite stehen vor allem die Länder, die den Rohstoff für das Plastik haben: Öl. Dazu gehören Saudi-Arabien, der Iran und Russland. Sie nennen sich Gruppe der Gleichgesinnten (like-minded group). Sie möchten sich weitgehend auf besseres Abfallmanagement beschränken.
Für den offiziell letzten Verhandlungstag befinden sich viele Minister in Genf. Frankreichs Umweltministerin Agnès Pannier-Runacher hält es für „möglich, einen Text über zehn Seiten zu verfassen, der alle wichtigen Punkte beinhaltet“.
Jüngster Vertragsentwurf wurde abgelehnt
Am Mittwoch war der jüngste Entwurf des Vorsitzenden der Verhandlungen, Luis Vayas Valdivieso, von allen Seiten abgeschmettert worden. Unter anderem die Delegationen der EU, Panamas, Chiles und Mexikos bezeichneten den Entwurf wegen fehlender verbindlicher Auflagen als „inakzeptabel“. Die erdölproduzierenden Staaten wiederum sahen viele ihrer roten Linien überschritten.
Für die EU sagte Umweltkommissarin Jessika Roswall: „Die EU ist zum Handeln bereit, aber nicht um jeden Preis.“ Im Last-Minute-Entwurf des Konferenzvorsitzenden waren praktisch alle ehrgeizigen Ziele und Auflagen für Regierungen gestrichen worden.

Der Vertrag soll auch das Recyceln von Plastikprodukten stärken. Foto: Fernando Vergara/AP/dpa
„Dieser Text ist inakzeptabel und liefert nicht einmal das Minimum, das nötig ist, um mit der Dringlichkeit der Herausforderung umzugehen“, warnte der dänische Delegierte im Namen der 27 EU-Länder. „Inakzeptabel“ und „rote Linien überschritten“ – so äußerten sich zahlreiche Regierungsvertreter.
Kenia: „Nur noch ein Managementplan für Abfall“
Der Vertreter Chiles bezeichnete den Entwurf als „eindeutig unausgewogen“. Alles werde auf nationale Ebene verlagert, es werde kein Raum für internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Plastikverschmutzung geschaffen.
Der neue Vertragsentwurf sei nur noch ein Managementplan für Abfall, monierten Kenia, die Philippinen und zahlreiche andere Länder. Eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner sei keine Option, sagte die Vertreterin Großbritanniens. Selbst Öl-Produzent Saudi-Arabien, das eine Produktionsbegrenzung seit langem bekämpft, kritisierte den Text.
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„Der Text ist ein Geschenk an die petrochemische Industrie und ein Verrat an der Menschheit“, meinte der Chef der Delegation der Umweltorganisation Greenpeace, Graham Forbes. Die Wurzel des Übels, die unermüdliche Plastik-Produktion, werde ignoriert.
Knackpunkt Produktionsbegrenzung
Mehr als 120 Länder stehen hinter der Forderung, den Gebrauch und die Produktion von Plastik auf ein nachhaltiges Niveau zu begrenzen. Ziel ist, bestimmte Einwegplastikprodukte wie Strohhalme oder Becher aus Styropor weltweit aus dem Verkehr zu ziehen.
Für Öl produzierende Länder ist das Thema Produktionsbegrenzung ein rotes Tuch. Sie sehen ihre Geschäfte schwinden. Plastik wird überwiegend aus Öl hergestellt. Die Länder wollen stattdessen nur eine Einigung auf den Umgang mit Abfall akzeptieren.

Die Recyclingrate ist weltweit gesehen nahezu gleich geblieben (Archivbild). Foto: Bernd Thissen/dpa/dpa-tmn
„Das Problem der internationalen Plastikverschmutzung ist gigantisch“, sagte der Staatssekretär im deutschen Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, am Vorabend des Finaltags. „Die produzierten Mengen sind nicht nachhaltig. Das immer neue Hinzufügen des Plastiks muss Grenzen finden.“
Umweltorganisationen warnten vor den Konsequenzen, die ein Scheitern der Verhandlungen nach sich ziehen würde. „Die Folgen eines verwässerten Kompromisses sind für Menschen und die Natur überall in der Welt enorm“, erklärte die Organisation WWF. Der Leiter der Greenpeace-Delegation rief die anwesenden Minister auf, „die Ambitionen, die sie versprochen haben“, aufrechtzuerhalten.
Auch im Dezember scheiterten die Verhandlungen
Die Verhandlungen in Genf folgen auf die gescheiterten Gespräche im südkoreanische Busan vom vergangenen Dezember. Diese Gespräche hätten eigentlich bereits die letzte Verhandlungsrunde für ein Plastikabkommen sein sollen. Bei der zehntägigen Konferenz in Genf hatten die Unterhändler nun auf einen Durchbruch gehofft.
Plastikmüll sorgt weltweit für massive Umweltverschmutzungen. Mikropartikel des Kunststoffabfalls treten auch im menschlichen Körper auf. Derzeit werden jährlich mehr als 400 Millionen Tonnen Plastik produziert, die Hälfte davon für Einwegprodukte. Weniger als zehn Prozent des Plastikmülls wird recycelt. Bis 2060 könnte sich die Plastikproduktion Schätzungen zufolge verdreifachen. (afp/dpa/red)
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