Von der Leyen verteidigt sich mit den Bildern von Bergamo und Verweis auf „lebensrettende Impfstoffe“

Das Europäische Parlament hat gestern über den Misstrauensantrag gegen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen debattiert. Diese erinnerte an die Anfänge der Pandemie und erklärte, es werde „nie jemand von uns die tragischen Bilder von Militärlastwagen vergessen, die durch Bergamo fuhren, in der Nacht, voller Leichen“. Redebeiträge waren nur den jeweiligen Fraktionsführungen gestattet, Nachfragen wurden untersagt.
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Ursula von der Leyen rechtfertigte sich gestern in einer Debatte um ihre Leistungen als EU-Kommissionspräsidentin.Foto: Jean-Christophe Verhaegen/AFP via Getty Images
Von 8. Juli 2025

Die Debatte zum Misstrauensantrag gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Europäischen Parlament am Montagabend in Straßburg war von klaren politischen Fronten geprägt. In der knapp einstündigen Debatte (etwa ab 17:24) wurde schnell deutlich, dass die CDU-Politikerin der Abstimmung am kommenden Donnerstag (10. Juli) gelassen entgegensehen kann.

Fraktionslose Mitglieder ohne Rederecht

Die Debatte war geprägt von einer restriktiven Auslegung der Geschäftsordnung. EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola von der EVP – und somit Parteifreundin der deutschen Kommissionspräsidentin, ließ nur einen Redebeitrag je Fraktion zu. Nachfragen oder weitere Redebeiträge waren untersagt. Die AfD-Politikerin Christine Anderson, die im EU-Parlament der mit 25 Abgeordneten kleinsten Fraktion EVN angehört, kritisierte vorab die Tagesordnung. Sie wies darauf hin, dass sich 77 Abgeordnete für einen Misstrauensantrag einsetzten, davon auch zahlreiche fraktionslose Parlamentarier. „Die Abgeordneten, die den Antrag eingebracht haben, sollten sich austauschen können“, sagte sie und forderte eine „vollumfängliche Debatte“. Dass nur die Fraktionsführer zu Wort kommen, spiegele nicht die Ernsthaftigkeit des Themas wider. Vielmehr entstehe der Eindruck, als wolle „dieses Haus etwas unter den Teppich kehren“.

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Antragsteller Piperea fordert Rückkehr zur Demokratie

Der rumänische EKR-Abgeordnete Gheorghe Piperea, der Initiator des Misstrauensvotums, warf von der Leyen unter anderem vor, die demokratische Kontrolle des EU-Parlaments systematisch zu untergraben. Vor allem kritisierte er erneut die mangelhafte Transparenz beim rund 35 Milliarden Euro teuren Impfstoffdeal während der Corona-Pandemie. Ein Beleg dafür seien die nicht offengelegten SMS mit Pfizer-Chef Albert Bourla. Dabei verwies der rumänische Politiker auf das Urteil des EU-Gerichts vom 14. Mai dieses Jahres. Es warf der EU-Kommission vor, keine plausible Erklärung für das Fehlen von angeforderten Dokumenten zu haben. Entscheidungsprozesse seien willkürlich und undurchsichtig. Das werfe Fragen des Missbrauchs und der Korruption auf.

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Des Weiteren sah er die mögliche Einmischung der Kommission in die rumänische Präsidentschaftswahl als schwerwiegenden Verstoß gegen die Neutralität der EU-Institutionen an. Piperea forderte eine „Rückkehr zur Demokratie“. So müsse sich die Kommission wieder an die Grundsätze der Rechenschaftspflicht und Offenlegung halten.

Von der Leyen sieht sich als Verteidigerin demokratischer Werte

Auf die Rede des Antragstellers folgte ein rund 15-minütiger Auftritt von der Leyens, den diese zur Verteidigung ihres Handelns und als Verteidigerin „demokratischer Werte“ nutzte. So sei das „tatsächliche Ziel“ hinter dem Misstrauensantrag, „die Geschichte neu zu schreiben“. Pipereas Ausführungen stammten „aus dem ältesten Handbuch für Extremisten“, in dem „das Vertrauen in die Demokratie mit falschen Beschuldigungen ausgehöhlt wird“. So solle geleugnet werden, „wie erfolgreich wir die Pandemie überwunden haben“. Auch würden Verschwörungstheorien über Textnachrichten verbreitet.

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Nun müsse man sich entscheiden, ob man in Pipereas „Welt der Verschwörung hinabsteigen“ wolle, „oder wir können ganz klar das sagen, was wir hier sehen: Einen weiteren primitiven Versuch, einen Keil zwischen die europäischen Institutionen zu treiben“. Dies dürfe und werde man nicht zulassen, betonte sie energisch. Da viele der Vorwürfe gegen sie im Kontext der Pandemie im Raum stünden, führte sie noch einmal an deren Beginn zurück.

So werde „nie jemand von uns die tragischen Bilder von Militärlastwagen vergessen, die durch Bergamo fuhren, in der Nacht, voller Leichen“. Es folgten Lockdown und Grenzschließungen, es habe so ausgesehen, als gebe es „kein Licht am Ende des Tunnels“. Doch habe es dank europäischer Wissenschaft schnell Impfstoffe gegeben und jedes Mitgliedsland habe Zugang zu „lebensrettenden Impfstoffen“ bekommen. „Das ist das Europa der Solidarität, das ich liebe. Und das ist das Europa, das die Extremisten hassen.“

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In der Folge wies sie alle Anschuldigungen – etwa zur Impfstoffbeschaffung und angeblicher Wahlbeeinflussung – als „falsch und manipulativ“ zurück. Auf die Kritik an den Pfizer-SMS ging sie nicht direkt ein, sondern wies auf die Notwendigkeit schneller Entscheidungen in Krisenzeiten hin.

EVP-Chef Manfred Weber lobte von der Leyens Rolle in der Pandemie, sie habe „das Heft in die Hand genommen, um viele Leben zu retten“. Daher werde seine Fraktion gegen den Misstrauensantrag stimmen.

Liberale Valérie Hayer: „Sie wollen Europa zerstören“

Die Sozialdemokratin Iratxe García Perez sagte, dass der Misstrauensantrag der „extremen Rechten“ die Stimmen ihrer Fraktion nicht bekommen werde. Das läge nicht daran, „dass wir allem zustimmen, was die Kommission sagt“, aber man werde sich nicht auf die Seite derer schlagen, „die die Union zerstören wollen“. In dem Antrag gehe es nicht um Rechenschaftspflicht, sondern „um eine reaktionäre Wendung gegen das Herz Europas“.

Der französische Abgeordnete der Fraktion Patrioten für Europa (PfE), Fabrice Leggeri, unterstützte den Misstrauensantrag. Der frühere Direktor der EU-Grenzschutzagentur Frontex sagte, dass Europa mehr verdiene „als Schweigen und Intransparenz“. Seit sechs Jahren leite von der Leyen die Kommission „abgetrennt von den Menschen, von den Werten, von den Völkern“. Pfizer-Gate sei „kein administrativer Fehler, sondern ein Machtmissbrauch“.

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Der Italiener Nicola Procaccini, ein Parteifreund Giorgia Melonis und Vizepräsident der EKR im EU-Parlament, könne nicht für seine gesamte Fraktion sprechen. Doch aus Sicht der zwei Drittel, die wie er den Antrag ablehnten, sei er

„ein Fehler, ein Geschenk an die politischen Feinde“.

Valérie Hayer, Vorsitzende der liberalen Fraktion Renew Europe, bezeichnete den Antrag als Angriff auf die europäische Stabilität. „Sie wollen Europa zerstören“, da gebe es keine Zweifel. „Dabei brauchen wir Europa – mehr denn je“, sagte sie mit Blick auf die vielen Krisenherde in der Welt.

Bas Eickhout, einer der Vorsitzenden der Europäischen Grünen, bezeichnete den Antrag als eine „riesige Show der extremen Rechten“. Diese versuchten, die Demokratie zu unterwandern. Der EVP warf er vor, gemeinsam mit den Rechten gegen grüne Ziele zu kämpfen.

Linke werfen von der Leyen maximale Intransparenz vor

Martin Schirdewan von den Europäischen Linken ging mit der Kommissionsvorsitzenden hart ins Gericht:

„Die wieder mal durch einen Korruptionsskandal auffällig gewordene Rechte zeigt mit dem Finger auf die Kommission und schreit: Haltet den korrupten Dieb! Das ist der Zustand europäischer Institutionen im Jahr 2025. Und Sie, Frau von der Leyen, haben dieses unwürdige Schauspiel mit Ihrer maximalen Intransparenz erst möglich gemacht.“

Europa brauche den Mut für einen Politikwechsel, der soziale Gerechtigkeit herstelle, den Frieden erringen und Klima und Umwelt schützen wolle. Die Kommission habe diesen Mut nicht, daher brauche Europa „eine neue politische Idee und eine neue politische Führung“.

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Der AfD-Politiker und Vorsitzende der Fraktion Europa der souveränen Nationen, René Aust, warf von der Leyen vor, dass sie „wo auch immer sie Verantwortung übertragen bekommt“, Schaden anrichte und kritisierte ihre Arbeit in früheren politischen Ämtern.

Seit sechs Jahren führe sie nun ihr „zerstörerisches Werk“ auf EU-Ebene fort. So habe der „Green Deal“ zu Deindustrialisierung und Verlust von Arbeitsplätzen in weiten Teilen Europas geführt. Doch über allem liege der Schatten der Pfizer-Affäre. Daher wolle seine Fraktion den Weg für eine „neue Kommission“ frei machen und von der Leyen „in den unverdienten politischen Ruhestand“ schicken.

Die Redebeiträge der Fraktionen dauerten zwischen 1,5 und 4 Minuten. Die Dauer ist abhängig von der Fraktionsgröße und in Artikel 171 der Geschäftsordnung der EU geregelt. Ursula von der Leyen durfte 15 Minuten sprechen, weil sie als betroffene Person im Zentrum des Misstrauensantrags steht. Damit hat sie laut Geschäftsordnung des Parlaments ein erweitertes Rederecht.



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