Von Tierfutter bis zur Luxuskreuzfahrt: Die bisherigen Misstrauensanträge im EU-Parlament

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss sich am Donnerstag einem Misstrauensvotum im EU-Parlament stellen. Der Misstrauensantrag ist die schärfste Waffe des EU-Parlaments. Es kann damit den Rücktritt der gesamten EU-Kommission erzwingen.
Laut Geschäftsordnung muss der Antrag von einem Zehntel der Abgeordneten beantragt werden – das sind derzeit 72 von 720 Parlamentariern. In der Geschichte des Parlaments gab es bisher elf Misstrauensvoten. Der einzig erfolgreiche Antrag war jedoch einer, über den nie abgestimmt wurde.
Juni 1976: Kommission Ortoli
Während der Amtszeit des Franzosen François-Xavier Ortoli stellte der britische EU-Abgeordnete Peter Kirk im Namen der Europäischen Volkspartei (EVP) einen Misstrauensantrag, der mit 109 zu 18 Stimmen abgelehnt wurde.
Der Grund für den Antrag: Die Einarbeitung von Magermilch in Tierfutter ohne Absprache mit dem EU-Parlament.
März 1977: Kommission Jenkins
Während der Amtszeit des einzigen britischen Kommissionspräsidenten, Roy Jenkins, stellte der französische Abgeordnete Christian de La Malène von der Gruppe der Europäischen Progressiven Demokraten einen Misstrauensantrag. Wieder ging es um ein landwirtschaftliches Thema, wieder wurde der Antrag mit 95 zu 15 Stimmen klar abgelehnt.
Februar 1990: Kommission Delors II.
Auch 13 Jahre später, während der zweiten Amtszeit des Franzosen Jacques Delors, war die Landwirtschaftsstrategie der Kommission Anlass für ein Misstrauensvotum.
Die Gruppe um den rechtsextremen französischen Gründer der Partei Front National (FN), Jean-Marie Le Pen, kritisierte zudem die Ausweitungen der Befugnisse der Kommission – und scheiterte mit nur 16 Stimmen für ihren Misstrauensantrag kläglich.
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Juli 1991: Kommission Delors II.
Wegen ihrer Reaktion auf den Krieg im damaligen Jugoslawien musste die zweite Delors-Kommission sich 1991 einem weiteren Misstrauensvotum der extrem rechten Technischen Fraktion der Europäischen Rechten stellen. Diesmal bekam der Antrag sogar nur acht Stimmen.
Dezember 1992: Kommission Delors II.
Und gleich noch ein Misstrauensvotum gegen die zweite Delors-Kommission, diesmal auf Antrag der belgischen Grünen. Diese kritisierten die Position der Kommission in den Verhandlungen um das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (Gatt), das umfangreiche Zollsenkungen vorsah.
Die Grünen erhielten immerhin 96 Ja-Stimmen, was aber bei weitem nicht für die nötige Zweidrittelmehrheit von 238 Stimmen ausreichte.
Februar 1997: Kommission Santer
Der belgische Sozialist José Happart und seine Mitstreiter stellten einen Misstrauensantrag gegen die Kommission des Luxemburgers Jacques Santer wegen massiver Vorwürfe im Zusammenhang mit der Vertuschung und Verharmlosung der Gefahr durch Rinderwahnsinn (BSE). 118 Abgeordnete stimmten für den Antrag, 326 dagegen.
Januar 1999: Kommission Santer
Knapp zwei Jahre später ein weiterer Misstrauensantrag gegen die Kommission Santer: In der Kritik stand vor allem die französische Wissenschaftskommissarin Edith Cresson, der Vetternwirtschaft vorgeworfen wurde.
Die Initiatoren der europaskeptischen Fraktion Europa der Nationen und des rechtsextremen FN bekamen immerhin 232 Stimmen für ihren Antrag zusammen, scheiterten aber immer noch deutlich an der Zweidrittelmehrheit von 368 Stimmen.
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März 1999: Kommission Santer
Das vernichtende Urteil eines Expertengremiums zu den Korruptionsvorgängen in der Kommission führt zu einem dritten, fraktionsübergreifenden Misstrauensantrag. Wieder richten sich die Vorwürfe vor allem gegen Cresson. Da aber einzelne Kommissare nicht durch das Parlament abgesetzt werden können, sieht sich erneut die gesamte Kommission einem Misstrauensvotum gegenüber.
Doch Santer kommt der Abstimmung zuvor: Am 16. März tritt die EU-Kommission geschlossen zurück.
Mai 2004: Kommission Prodi
Wegen angeblicher Misswirtschaft bei der EU-Statistikbehörde Eurostat stellt der EU-kritische dänische Abgeordnete Jens-Peter Bonde einen Misstrauensantrag gegen die Kommission des Italieners Romano Prodi. 88 von 788 Parlamentariern stimmen für den Antrag zur Absetzung der Kommission.
Juni 2008: Kommission Barroso
Wegen einer Gratis-Kreuzfahrt auf der Jacht eines griechischen Reeders gerät der portugiesische Kommissionspräsident José Manuel Barroso in die Kritik.
Der Misstrauensantrag, den eine Gruppe von Euroskeptikern und Linken gegen den Kommissionspräsidenten eingebracht hatte, bekam jedoch nur 35 Stimmen. Barroso konnte auf die Unterstützung aller großen Fraktionen im EU-Parlament zählen.
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November 2014: Kommission Juncker
Auch das Misstrauensvotum EU-feindlicher und rechtslastiger Parteien gegen den Luxemburger Jean-Claude Juncker scheiterte klar. Nur 101 der insgesamt 751 Abgeordneten stimmen für den Antrag, darunter die Vertreter der Alternative für Deutschland (AfD).
Hintergrund des Misstrauensantrags war die Affäre um Steuervorteile für Großunternehmen in Luxemburg, wo Juncker rund zwei Jahrzehnte Regierungschef und Finanzminister war.
Juli 2025: Kommission von der Leyen II.
Mehr als zehn Jahre nach dem letzten Misstrauensvotum im EU-Parlament wird am Donnerstag über einen Antrag zur Absetzung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen abgestimmt.
Der Antrag kommt vom rechtsradikalen rumänischen Abgeordneten Gheroghe Piperea von der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), der dies mit mangelnder Transparenz bei der Beschaffung von Impfstoffen während der Corona-Pandemie begründet. Die Chancen für einen Erfolg des Antrags gelten als gering. (afp/red)
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