Vor dem Sturz von Bayrou: Frankreich hat den höchsten Schuldenberg Europas

Frankreichs Regierung kommt wohl über den Haushalt 2026 zu Fall. Bayrou will 43,8 Milliarden Euro einsparen, die Sozialisten nur die Hälfte. Mittlerweile hat Paris rund 3.300 Milliarden Euro Schulden – mehr als Italien und Griechenland. Mehr als den nächsten Regierungswechsel fürchtet Macron vermutlich das Entstehen einer neuen Protestbewegung.
Mit Milliardenaufwand wurde die Wasserqualität der Seine verbessert (Archivbild).
Frankreichs Schuldenstand erreicht inzwischen knapp 114 Prozent des BIP, damit liegt das Land in der EU an dritter Stelle hinter Griechenland und Italien (Symbolbild).Foto: -/kyodo/dpa
Epoch Times7. September 2025

Wenn der französische Regierungschef François Bayrou am 8. September wie erwartet gestürzt wird, dann wird er gut drei Mal länger im Amt gewesen sein als sein Vorgänger – zehn Monate. Sein Vorgänger war bereits nach drei Monaten gestürzt worden, der Vorvorgänger nach sieben. Die häufige Regierungswechsel erinnern an italienische Verhältnisse vor einigen Jahren. Sie schränken die Handlungsfähigkeit von Präsident Emmanuel Macron erheblich ein.

Der erneute Regierungssturz ist auch eine Niederlage für Macron. Der Präsident schließt Neuwahlen und einen Rücktritt bislang kategorisch aus – obwohl inzwischen knapp zwei Drittel der Franzosen laut einer Umfrage vorgezogene Präsidentschaftswahlen befürworten.

Blockadetag 10. September

Mehr noch als den nächsten Regierungswechsel seit 2024 fürchtet der Präsident vermutlich das Entstehen einer neuen Protestbewegung. Ein Online-Aufruf eines bis dahin unbekannten Aktivisten zu einem Blockadetag am 10. September hat sich in Frankreich massiv verbreitet und wird sowohl von Rechts als auch Links unterstützt.

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Gewerkschaften wollen am 18. September mit einem eigenen Aktionstag nachlegen. Dies erinnert an den Beginn der Gelbwesten-Bewegung, die 2018/19 zu massiven Protesten und Randale geführt hatte.

In seiner Wahl eines Premierministers ist Macron völlig frei. Es ist absehbar, dass auch Bayrous Nachfolger angesichts der komplizierten Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung die Hände gebunden sein werden. Im Gespräch sind der konservative Justizminister Gérald Darmanin und Finanzminister Eric Lombard, ein Ex-Bänker. Die größten Chancen werden dem 39 Jahre alten Verteidigungsminister Sébastien Lecornu eingeräumt, der schon vor zehn Monaten für den Posten vorgesehen war.

Höchster Schuldenberg in Europa

Frankreichs Schuldenstand erreicht inzwischen knapp 114 Prozent des BIP, damit liegt das Land in der EU an dritter Stelle hinter Griechenland und Italien. 2026 muss Frankreich nach Regierungsangaben 66 Milliarden Euro allein zur Begleichung der Zinsen von aufgenommenen Schulden zahlen. Dies wird damit zum größten Haushaltsposten, noch vor der Bildung. Das Defizit lag im vergangen Jahr bei 5,8 Prozent des BIP.

In absoluten Zahlen hat Frankreich mit rund 3.300 Milliarden Euro den höchsten Schuldenberg im Euroraum. Auch die Staatsausgaben in Frankreich gehören zu den höchsten in Europa.

Angesichts der hohen Schuldenlast und des Streits um seinen Sparhaushalt mit geplanten Einsparungen von 43,8 Milliarden Euro hatte Bayrou Ende August angekündigt, im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen. Alles deutet darauf hin, dass er die Abstimmung am Montagnachmittag verliert. Die Sozialisten wollen nur die Hälfte einsparen.

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Die Frage ist, ob Frankreich damit ein Ausufern der Schuldenproblematik mit negativen wirtschaftlichen Konsequenzen droht. Vor genau so einer Entwicklung hatte der Premier gewarnt, wenn Frankreich nicht über Parteigrenzen hinweg das Ruder bei der Verschuldung herumreiße und einen Sparhaushalt auf den Weg bringe. Eine Mehrheit dafür im Parlament gibt es derzeit nicht.

Neue Anleihen für Paris immer teurer

Christine Lagarde erklärt dazu: „Jeder drohende Regierungssturz in einem Land der Eurozone ist besorgniserregend“. Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank sagte vor einigen Tagen im Interview des Senders „Radio Classique“, das französische Bankensystem sei besser aufgestellt als während der letzten Finanzkrise. Sie erwarte auch nicht, das Frankreich zur Sanierung seiner Finanzen Hilfe vom Internationalen Währungsfonds anfragen werde.

Fakt ist, dass Frankreich angesichts der politischen Hängepartie und bislang ausbleibender Sparanstrengungen für neue Staatsanleihen inzwischen höhere Zinsen zahlt für Staatsanleihen als Griechenland und beinahe so viel wie Italien.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sagte: „Die Anleger sind besorgt über die hohe und weiter steigende Staatsverschuldung Frankreichs. Die Anleihenrenditen sind bereits deutlich stärker gestiegen in Frankreich als beispielsweise in Italien und mittlerweile liegt die Rendite zehnjähriger französischer Staatsanleihen kaum noch unter der italienischer.“

Dass es Frankreich unter einem neuen Premier gelingt, das Haushaltsdefizit wie von Finanzminister Eric Lombard weiterhin angestrebt auf 4,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken, hält Kramer mangels einer Mehrheit für Reformen im Parlament für unrealistisch.

Strukturreformen erforderlich

Nach einer kürzlich veröffentlichten Einschätzung der US-Investmentbank Goldman Sachs wird die größte wirtschaftliche Herausforderung für Frankreich darin bestehen, die Staatsverschuldung zu stabilisieren.

Außerdem müsse das Land unbedingt Strukturreformen wieder aufnehmen, um das Wachstum anzukurbeln. Frankreich müsse mehr produzieren, hatte Premier Bayrou gefordert – mit seinem Plan, dazu gleich zwei Feiertage zu streichen, hatte er eine Mehrheit der Menschen gegen seine Sparpläne aufgebracht. (afp/dpa/ks)



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