Wadephul in Nahost: Friedensprozess am „Scheideweg“

Die Dringlichkeit seiner Nahost-Mission war Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) deutlich anzumerken. Mehr als zweieinhalb Jahre nach dem Überfall der islamistischen Hamas auf Israel sind die Geiseln noch immer nicht frei, die humanitäre Situation in dem Palästinensergebiet ist katastrophal, und immer mehr Länder wenden sich von Israel ab. Er sehe es als Deutschlands Aufgabe an, „alles dafür zu tun, um das zu verhindern“, betonte Wadephul in Jerusalem.
Der deutsche Außenminister, der für den Besuch eigens seinen Urlaub verschoben hatte, fand für seine Botschaften überaus deutliche Worte. Der Friedensprozess im Nahen Osten und die ganze Region stünden am „Scheideweg“. Er sei nach einer „intensiven Sitzung“ des Sicherheitskabinetts nach Israel gereist, „um mit den israelischen Partnern über die dramatische Lage zu sprechen, aus der wir gemeinsam einen Ausweg finden wollen und müssen“. Wie dieser Ausweg aussehen kann, hängt auch von den Ergebnissen dieser Reise ab, die Wadephul Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Samstag in Berlin überbringt.
„Den Krieg beenden“
Viel Zeit zum Durchatmen blieb Wadephul in Israel und im Westjordanland nicht, um seine Anliegen zu verdeutlichen. Binnen 24 Stunden hatte er ein straffes Programm zu absolvieren. Kurz nach der Landung am Donnerstagnachmittag erst der Austausch mit seinem Kollegen Gideon Saar in Jerusalem, am Abend dann lange Gespräche mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und Staatspräsident Isaac Herzog.
Bei den Treffen habe er unterstrichen, dass es „jetzt an der Zeit“ sei, „den Krieg im Gazastreifen zu beenden“, sagte Wadephul. Temporäre Kampfpausen seien nicht genug, um das Kriegsziel – die Geiseln freizubekommen und die Hamas zu zerstören – zu erreichen. Sie reichten auch nicht, um die katastrophale humanitäre Lage der Palästinenser zu lindern, stellte er klar.
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Humanitäre Hilfe
In einem deutlich verschärften Ton forderte Wadephul von der israelischen Seite, dringend mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu lassen. Die humanitäre Katastrophe dort „übersteigt jede Vorstellung“. Im ganzen Gazastreifen litten Menschen Hunger. Dies sei ein „vollkommen untragbarer Zustand, der sich sofort ändern muss“.
Er habe den Eindruck, dass seine Botschaft gehört worden sei, zeigte sich Wadephul später optimistisch. Dazu mag auch beigetragen haben, dass er der UNO demonstrativ den Rücken stärkte – sowohl mit der Ankündigung über zusätzliche fünf Millionen Euro für das UN-Ernährungsprogramm (WFP) für humanitäre Hilfe im Gazastreifen als auch mit der Forderung an Israel, den internationalen Helfer freien Zugang in das Palästinensergebiet zu ermöglichen.
Hamas soll „keine politische Rolle mehr spielen“
Wadephul ließ aber zugleich während der gesamten Reise keinen Zweifel daran, dass es die Hamas war, die mit ihrem brutalen Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 den Krieg im Gazastreifen verursacht hat. Die Hamas sei es auch, die sich weigere, die an jenem Tag von ihr als Geiseln verschleppten Menschen trotz aller internationaler Verhandlungsbemühungen freizulassen.
Die islamistische Organisation dürfe nach dem Ende des Gaza-Krieges „keine politische Rolle mehr spielen“, betonte Wadephul auch einen Tag später bei seinem Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Westjordanland.
Video von deutscher Geisel
Am Freitagmorgen hatte er sich zunächst mit Angehörigen der Hamas-Geiseln getroffen. Die Gespräche fanden auch unter dem Eindruck eines am Vorabend veröffentlichten Geisel-Videos statt. „Das gestern öffentlich gewordene, schreckliche Video, auf dem die deutsche Geisel Rom Braslavski vorgeführt wird, zeigt aufs Neue die ganze Niedertracht der Geiselnehmer“, sagte Wadephul. Deutschland tue weiter alles in seiner Macht Stehende, um eine Befreiung der Geiseln zu erreichen. Unter den Geiseln sind auch deutsche Staatsbürger.
Deutschland bringt sich ein, Deutschland steht an der Seite Israels und nutzt diesen Einfluss, um sich für eine verhandelte Zweistaatenlösung starkzumachen – diese Botschaft kam auch im Westjordanland an.
Unterstützung für die Palästinensische Autonomiebehörde
Sein Treffen mit Abbas sei „fruchtbar“ gewesen, sagte Wadephul in Ramallah. Deutschland unterstütze das „Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat“. Dieser müsse aber „zum Ende eines politischen Prozesses“ entstehen. Mit seiner Unterstützung für die Palästinensische Autonomiebehörde beim Aufbau staatlicher Strukturen und bei Reformen trage Deutschland „schon heute zum Aufbau dieses zukünftigen Staates“ bei.
Abbas habe für diese Haltung der Bundesregierung „viel Verständnis“ gezeigt und sich für Deutschlands Bekenntnis zur Zweistaatenlösung bedankt, sagte Wadephul. Einig seien sich beide Seiten auch darin gewesen, dass in einem solchen künftigen Palästinenserstaat und nach dem Erreichen eines Waffenstillstands und der Freilassung aller Geiseln im Gazastreifen die islamistische Hamas „keine Rolle mehr spielen darf“ und „die Waffen niederzulegen hat“. Diese Einigkeit sei ihm „sehr wichtig“, betonte Wadephul.
Der Minister stärkte der Palästinensischen Autonomiebehörde demonstrativ den Rücken – auch das ist ein deutliches Signal an Israel. Die Behörde sei „die einzige anerkannte Vertretung palästinensischer Interessen“, betonte Wadephul und forderte: „Sie soll auch nach Gaza zurückkehren. Sie soll am Wiederaufbau beteiligt sein.“ Deutschland sei bereit, diesen Wiederaufbauprozess „aktiv zu unterstützen“.
Wie gewichtig Deutschlands Stimme in Nahost ist, wird sich am Wochenende zeigen. Nach Wadephuls Bericht will Merz über das weitere Vorgehen zu Israel zu entscheiden. (afp/red)
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