Wie kurz steht die NATO vor einem Krieg mit Russland?

In den vergangenen Tagen sollen russische Militärflugzeuge und Drohnen in den Luftraum mehrerer NATO-Staaten eingedrungen sein. NATO-Generalsekretär Mark Rutte warnte Russland vor einem Abschuss eindringender Kampfflugzeuge, „wenn nötig“. Doch wie konstruiert sind diese Vorfälle? Und können sie einen Krieg mit Russland auslösen?
Polen meldet russische Kampfjets über einer Ölplattform in der Ostsee. (Archivbild)
Polen meldete russische Kampfjets über einer Ölplattform in der Ostsee. (Archivbild)Foto: Dmitri Lovetsky/AP/dpa
Von 24. September 2025

In Kürze

  • Trump: Bei Luftraumverletzung sollten NATO-Länder russische Flugzeuge abschießen.
  • Russisches Verteidigungsministerium: Estnischer Luftraum wurde nicht verletzt.
  • Polnischer Präsident: „Dies ist der letzte Moment, um zu handeln.“
  • USA mit Kehrtwende der bisherigen Russlandpolitik

Bei einem bilateralen Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am 23. September in New York wurde der amerikanische Präsident Donald Trump von einer Reporterin gefragt: „Glauben Sie, dass NATO-Länder russische Flugzeuge abschießen sollten, wenn sie in ihren Luftraum eindringen?“ Trump: „Ja, das tue ich.“ Aber es würde auch von den Umständen abhängen. Trump sagte weiter, die USA seien „sehr stark an der Seite der NATO“ und würden das Bündnis weiterhin mit Waffen beliefern.

[etd-related posts=“5252869″]

Die Frage der Reporterin zielte auf den jüngsten Vorfall am letzten Freitag ab, als russische Kampfjets über der Ostsee gesichtet wurden. Nach estnischen Angaben waren drei Kampfjets der russischen Luftwaffe in den estnischen Luftraum vorgedrungen und dort insgesamt 12 Minuten lang geblieben. Daraufhin hat Estland ein Treffen des Nordatlantikrats, des höchsten politischen NATO-Gremiums, einberufen. Dieser tagt, wenn ein Mitgliedstaat des Verteidigungsbündnisses seine Sicherheit bedroht sieht.

Mehrere Interpretationen des Vorfalls

Mit der Veröffentlichung einer Karte durch das estnische Verteidigungsministerium auf X, die angeblich die Verletzung und die Flugroute Russlands zeigt, haben einige Kommentatoren argumentiert, dass sich die russischen Jets nicht im Luftraum über Estland befanden, sondern nur die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) überflogen haben. Diese 200-Meilen-Zone  definiert laut Seerecht der Vereinten Nationen das Gebiet, in dem ein Küstenstaat das alleinige Recht auf Fischfang und ein exklusives Recht an Bodenschätzen hat.

Aus Sicht Estlands steht fest, dass russische Jets am vergangenen Freitag den estnischen Luftraum verletzten. (Handout Archiv) Foto: Rasmus Jürilo/Estnisches Verteidigungsministerium/dpa

Moskau dementiert Verletzung des estnischen Luftraums

Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte hingegen laut einem Bericht der „Deutschen Welle“ mit:

„Während des Fluges wichen die MiG-31-Jets nicht von der abgesprochenen Flugroute ab und verletzten nicht den estnischen Luftraum.“

Die Route habe über neutrale Gewässer mehr als 3 Kilometer nördlich der estnischen Ostseeinsel Vaindloo geführt.

NATO-Flugzeuge hatten die MiG-31 „abgefangen“, wie es im militärischen Sprachgebrauch heißt. Das bedeutet: NATO-Kampfjets sind aufgestiegen, haben die russischen Piloten angesprochen und sie aus dem Luftraum „hinausbegleitet“.

Drohnen über Dänemark

Gestern kam es zudem zu einem Vorfall, bei dem Drohnen über Dänemark und Norwegen gesichtet wurden und der dazu geführt hat, dass der Flugverkehr teilweise eingestellt wurde.

Die dänische Regierung schloss nicht aus, dass die Drohnen mit einer Reihe mutmaßlicher russischer Drohneneinsätze und anderen Störungen in ganz Europa in Verbindung gebracht werden könnten. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sagte, die Drohnenaktivitäten schienen darauf ausgerichtet zu sein, „Störungen zu verursachen und Unruhe zu stiften“. Russland bestritt, etwas mit den Drohnenflügen zu tun zu haben.

[etd-related posts=“5253953″]

Polen warnt Putin

Auch die polnische Regierung wirft Russland vor, am 9. September seinen Luftraum mit zahlreichen Drohnen verletzt zu haben. Eindeutige Belege dafür gibt es bisher nicht.

Der neue polnische Präsident Karol Nawrocki präsentierte sich bei seiner ersten Rede vor der UNO-Generalversammlung am 23. September „als Oberbefehlshaber der polnischen Streitkräfte“ und machte deutlich:

„Polen wird immer angemessen reagieren und ist bereit, sein Gebiet zu verteidigen.“

Das polnische Volk und die Länder Mittel- und Osteuropas hätten keine Angst „vor russischen Drohnen“, sagte Nawrocki. Und weiter: „Kein Krieg sollte für Aggressoren profitabel sein.“ Den Krieg in der Ukraine bezeichnete er als „ein Schlachtfeld für Prinzipien“ und fügte hinzu: „Ich glaube, dies ist der letzte Moment, um zu handeln.“

[etd-related posts=“5248714″]

Die „russische Aggression gegen die Ukraine“ hält er nicht für einen Regionalkonflikt. Es handle sich seiner Meinung nach vielmehr um einen Test dafür, ob die Prinzipien, auf denen die UNO beruht, die Zeit überdauern werden. Zudem verwies Nawrocki darauf, dass die baltischen Staaten sowie Rumänien, „ähnliche Provokationen seitens Russlands“ erlebt hätten wie Polen vor Kurzem.

Seiner Meinung nach lasse Russlands Vorgehen „keine Bereitschaft zu einem echten Frieden erkennen“. Er forderte, Russland zur Verantwortung zu ziehen:

„Die Täter aller internationalen Verbrechen müssen vor den zuständigen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden.“

Trump: „Ukraine kann alle Gebiete zurückholen“

Währenddessen lässt US-Präsident Donald Trump eine Kehrtwende seiner bisherigen Russlandpolitik erkennen. In einem langen Beitrag auf seinem Social-Media-Kanal Truth Social schrieb Trump, er denke,

„dass die Ukraine mit Unterstützung der Europäischen Union in der Lage ist, zu kämpfen und die ganze Ukraine in ihrer ursprünglichen Form zurückzugewinnen. Mit der Zeit, der Geduld und der finanziellen Unterstützung Europas und insbesondere der NATO sind die ursprünglichen Grenzen, von denen aus dieser Krieg begann, sehr wohl eine Option.“

Zudem bezeichnete er Russland als einen „Papiertiger“. Putin und Russland hätten große wirtschaftliche Schwierigkeiten, „und jetzt ist es an der Zeit, dass die Ukraine handelt“, ermutigte Trump Selenskyj.

Rubio: Trump hat mit Putin „Geduld verloren“

Der amerikanische Außenminister Marco Rubio erklärte später vor der UNO die Trendwende in Trumps Ukrainepolitik damit, dass Trump „seine Geduld mit Russland verloren“ habe. Trump habe auf einen diplomatischen Durchbruch gehofft. Doch der Verhandlungsprozess stagniere nicht nur, „sondern wir sind in eine Phase potenzieller Eskalation eingetreten“, erklärte Rubio die amerikanische Sicht auf den Ukraine-Krieg.

Zuvor war Trump in seiner Rede vor der 80. UNO-Generalversammlung (ab Minute 18:53 über die Ukraine) ebenfalls auf den Krieg in der Ukraine eingegangen und hatte sich abwertend über Russland geäußert. „Jeder dachte, Russland werde den Krieg in drei Tagen gewinnen. Aber so kam es nicht. Russland sieht schlecht aus“, glaubt er.

Trump bezeichnete China und Indien zwar als „Hauptfinanzierer des andauernden Krieges, indem sie weiterhin russisches Öl kaufen“, warf aber auch den europäischen Nationen vor, ebenfalls zur Verlängerung des Krieges beizutragen. Trump kritisierte die Westeuropäer dafür, dass sie weiterhin russische Energie beziehen würden.

[etd-related posts=“5239194″]

In erster Linie sind damit Ungarn und die Slowakei gemeint, die nach wie vor russisches Erdöl beziehen. Der US-Präsident deutete an, dass er mit seinem „Freund“, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, über die Einstellung der Lieferung von russischem Öl sprechen werde.

Selenskyj überrascht von Trump

Der ukrainische Präsident Selenskyj zeigte sich von der Kehrtwende Trumps in seiner Russlandpolitik überrascht. In einem Interview mit dem konservativen Privat-TV-Sender „Fox News“ hob er hervor, dass ihn Trumps Aussage, die Ukraine könne ihr gesamtes von Russland besetztes Gebiet zurückerobern, überrascht habe. Gleichzeitig sei dies ein „ermutigendes“ Zeichen.

Zur persönlichen Beziehung zum amerikanischen Präsidenten sagte Selenskyj: „Ich denke, wir haben bessere Beziehungen als zuvor. Es ist gut, dass wir oft telefoniert und uns getroffen haben. Und die Tatsache, dass Putin Präsident Trump so oft belogen hat“, habe den Wandel herbeigeführt, glaubt Selenskyj. Außerdem äußerte er sich positiv über den Austausch von Geheimdienstinformationen zwischen Washington und Kiew, die er als „wichtig für Entscheidungen auf dem Schlachtfeld“ bezeichnete.

[etd-related posts=“5253630″]

Kriegsgefahr mit Russland nicht erst 2029?

Mehrfach haben in diesem und im vergangenen Jahr Bundeswehrgeneräle und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) davor gewarnt, dass Russland im Jahr 2029 so weit sein könnte, einen oder mehrere östliche NATO-Staaten anzugreifen. Der Kreml bestreitet ein solches Vorhaben.

Die Entwicklungen der letzten zwei Wochen lassen allerdings vermuten, dass sich der Konflikt zwischen der NATO und Russland wesentlich schneller zuspitzen könnte.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion