Wie nah ist der Iran an einer Atombombe?

Trump droht dem iranischen Führer mit Gewalt, wenn der Iran nicht einlenke. In den USA wird diskutiert, ob der Iran wirklich eine Atombombe entwickelt. Die US-Geheimdienstchefin hegt Zweifel. Trump sagt, das sei ihm egal. Aus Washington kommen widersprüchliche Töne. Eine Analyse zur Haltung der USA im jüngsten Nahostkonflikt.
Titelbild
Internationale Atombehörde IAEA: Die stark erhöhte Urananreicherung im Iran „gibt Anlass zu ernster Sorge“.Foto: IIPA via Getty Images
Von 18. Juni 2025

Der amerikanische Präsident Donald Trump schickte am 17. Juni auf seinem Social-Media-Kanal „Truth Social“ eine Warnung an den geistlichen und politischen Führer des Irans, Ayatollah Ali Khamenei: „Wir wissen genau, wo sich der sogenannte ‚Oberste Führer‘ versteckt. Er ist ein leichtes Ziel, aber dort ist er in Sicherheit. Wir werden ihn nicht ausschalten (töten!), zumindest nicht im Moment. Aber wir wollen keine Raketen, die auf Zivilisten oder amerikanische Soldaten abgefeuert werden. Unsere Geduld lässt nach.“

Während der Krieg zwischen Israel und dem Iran sich über Tage hinzieht, hat der amerikanische Präsident Donald Trump zunehmend angedeutet, dass er ernsthaft eine direkte Intervention in den Kampf erwäge. Die US-Streitkräfte unterstützen Israel bereits beim Abfangen iranischer Raketen. Kurz vor dem Angriff Israels hatte Trump noch seine Bereitschaft signalisiert, die Atomverhandlungen mit dem Iran fortzusetzen, dessen sechstes Treffen am vergangenen Sonntag im Oman hätte stattfinden sollen.

Seit dem 16. Juni schlägt Trump einen bedrohlicheren Ton gegenüber dem Iran an. Kurz bevor er das G7-Treffen in Kanada abrupt verließ, forderte er die Einwohner von Teheran zur sofortigen Evakuierung auf. Welche Erkenntnisse veranlassten den US-Präsidenten, seine Meinung möglicherweise zu ändern?

US-Geheimdienstchefin: „Jahre entfernt“

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gab vergangene Woche als Begründung für den von ihm als „Präventivschlag“ bezeichneten Angriff auf den Iran an, der schiitische Staat sei kurz davor, bis zu neun Atombomben bauen zu können. Deshalb habe Israel umgehend handeln müssen, um dies zu verhindern. Daraufhin wurden in amerikanischen Medien Zweifel an Netanjahus Einschätzung geäußert.

Diese zunächst vorsichtige mediale Diskussion wurde am 17. Juni vom US-Nachrichtensender CNN in einem Onlinebeitrag ausgeführt und weltweit verbreitet. Denn offenbar kommen amerikanische Geheimdienste zu einer anderen Lageeinschätzung als ihre israelischen Kollegen. Die Diskussion darüber hat sich in den USA verschärft, zumal Trump allen Anschein nach kurz davorsteht, US-Streitkräfte an der Seite Israels gegen den Iran einzusetzen.

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Trumps Direktorin der nationalen Nachrichtendienste der USA, Tulsi Gabbard, habe noch im März in ihrer Bedrohungsanalyse vor dem US-Kongress ausgesagt, die amerikanischen Geheimdienste seien „weiterhin der Ansicht, der Iran baue keine Atomwaffen, und der oberste Führer Khamenei habe ein Atomwaffenprogramm, das er 2003 ausgesetzt hatte, nicht genehmigt“, wird Gabbard von CNN zitiert.

Trump hingegen habe auf seinem Rückflug vom G7-Gipfel in Kanada gegenüber der mitreisenden Presse gesagt, der Iran sei „sehr nahe“ dran, eine Atomwaffe zu besitzen. Auf die Diskrepanz zur Einschätzung seiner Geheimdienstchefin angesprochen, soll Trump gesagt haben: „Mir ist egal, was sie gesagt hat. Ich glaube, sie waren kurz davor.“ Gabbard betonte am Dienstag gegenüber der amerikanischen Presse, dass zwischen Trumps Einschätzung und ihrer eigenen früheren Aussage, der Iran baue keine Atomwaffen, kein Unterschied bestehe.

CNN versucht diese Diskrepanz aufzuklären und führt „Vertreter des US-Militärs und der US-Geheimdienste“ an. Diese hätten schon seit Langem darauf hingewiesen, dass um das iranische Atomprogramm gleiche Geheimdienstinformationen nicht immer zu den gleichen Schlussfolgerungen führen würden.

Widersprüche bei den Geheimdiensten

Doch die Widersprüche gehen weiter: CNN bezieht sich auf vier nicht namentlich genannte Geheimdienstmitarbeiter, die gegenüber dem Sender geäußert hätten: Der Iran strebe nicht nur nicht aktiv den Bau einer Atomwaffe an, sondern es sei auch noch bis zu drei Jahre entfernt, bis er in der Lage sei, eine solche zu produzieren und auf ein Ziel seiner Wahl abfeuern zu können. Ein anderer „hochrangiger US-Beamter“ wiederum habe gegenüber CNN geäußert, der Iran sei „so nah dran, eine Atomwaffe zu bauen, wie es nur geht. Wenn der Iran eine solche Waffe wollte, hätte er alles, was er dafür braucht.“

Internationale Atombehörde warnte

Licht ins Dunkel der Welt der Schlapphüte kann wohl am ehesten die Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) mit Sitz in Wien bringen. Über einen Vertrag ist sie Bestandteil der Vereinten Nationen und berichtet jährlich an die UN-Generalversammlung und den UN-Sicherheitsrat. Die Agentur soll sicherstellen, dass der Einsatz der Kerntechnik und von spaltbaren Materialien auf den zivilen Bereich beschränkt bleibt und die zivile Kerntechnik nicht für militärische Zwecke genutzt wird.

Satellitenbild der iranischen Atomanlage Fordo, nördlich der Stadt Qom. Foto: Satellite image ©2019 Maxar Technologies/AP/dpa/dpa

Bezüglich der Überwachung des iranischen Atomprogramms bezieht sich die IAEA auf die sogenannte „Wiener Nuklearvereinbarung“ (JCPOA), die 2015 mit dem Iran ausgehandelt worden war. Nachdem die internationale Staatengemeinschaft lange Zweifel am rein zivilen Charakter des iranischen Atomprogramms geäußert hatte, erklärte sich der Iran damals bereit, diese Vereinbarung zu unterzeichnen. Mitunterzeichner waren Deutschland, Frankreich, Großbritannien, die USA, Russland und China. Mit JCPOA wurde der Versuch unternommen, den Konflikt mit dem Iran auf dem Verhandlungsweg zu lösen.

In einem Bericht vom 31. Mai 2025, veröffentlicht am 11. Juni, kommt die IAEA nun zu folgenden Schlüssen: Der Versuch der IAEA, Überprüfungen und Überwachungen im Iran auf der Grundlage des JCPOA durchzuführen, sei von iranischer Seite erheblich beeinträchtigt worden. Der Iran sei seinen Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht ausreichend nachgekommen. Überprüfungs- und Überwachungsgeräte der IAEA seien aus den iranischen Atomforschungszentren entfernt worden.

Folglich habe die Wiener Atombehörde „an Wissenskontinuität in Bezug auf die Produktion und den aktuellen Bestand von Zentrifugen, Rotoren, schwerem Wasser und chemischen Laboren verloren“. Seit mehr als vier Jahren sei die IAEA vom Iran nicht in die Lage versetzt worden, jene Verifizierungs- und Überwachungsarbeiten durchzuführen, die im JCPO vereinbart worden seien.

Dies habe „nachteilige Auswirkungen auf die Fähigkeit“ der IAEA, „den friedlichen Charakter des iranischen Atomprogramms“ feststellen zu können, beklagt der Bericht. Seit vier Jahren habe der Iran keine Unterlagen vorgelegt oder der IAEA Zugang zu Anlagen ermöglicht.

Die IAEA kam damit kurz vor dem Angriff Israels auf den Iran zu dem Schluss: „Die deutlich erhöhte Produktion und Anreicherung von hochangereichertem Uran durch den Iran, dem einzigen Staat, der nicht über Kernwaffen verfügt, aber derartiges Kernmaterial produziert, gibt Anlass zu ernster Sorge.“



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