Wie sicher sind Atomwaffen vor Islamisten? Pakistanischer General a. D. im Interview

Den Atomwaffensperrvertrag haben weder Pakistan noch Indien jemals unterzeichnet. Der schwelende Kaschmir-Konflikt eskalierte zuletzt mit einem ballistischen Raketentest und dem Abschuss mehrerer indischer Kampfjets durch Pakistan. Eine weiterreichende Steigerung konnte durch Vermittlung der USA vermieden werden. Die Frage nach dem verantwortungsvollen Umgang mit Atomwaffen ist drängender denn je. Dazu zwei Exklusivinterviews von Mohsin Raza Khan in Islamabad.
Titelbild
Verteidigungsanalyst und Brigadegeneral a. D. Haris Nawaz.Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Haq Production
Von 15. September 2025

In Kürze:

  • Kaschmir als Konfliktherd zwischen zwei Atommächten
  • Pakistanischer Ex-Brigadegeneral und pakistanischer Ex-General­leutnant im Interview
  • Sie betonen die defensive Natur des pakistanischen Atomwaffenprogramms und die Bedeutung, einen Krieg zu verhindern.
  • Dank der „strengsten und modernsten Kommando- und Kontrollsysteme der Welt“ sei es sicher vor Zugriff von Islamisten.

 

Spätestens mit dem Bombenabwurf der USA vor achtzig Jahren auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki konnte sich die Welt vom Schrecken der Atomwaffen überzeugen. Bis heute ein Trauma der Menschheitsgeschichte. Doch neben den fünf offiziellen Atommächten USA, Russland, Frankreich, China und Großbritannien haben die vier weiteren den Atomwaffensperrvertrag nie unterzeichnet. Dazu gehören, neben Nordkorea und Israel, die beiden südasiatischen Nachbarländer Indien und Pakistan, die in Grenzkonflikten immer wieder militärisch aneinandergeraten.

Zwar sieht der Atomwaffensperrvertrag aus dem Jahr 1968 das Recht auf eine friedliche Nutzung der Kernenergie vor, verpflichtet aber die Unterzeichner, Atomwaffen nicht zu verbreiten und sie sogar abzurüsten. Doch statt auf Abrüstung zielt Pakistan auf die Ebenbürtigkeit mit dem Grenznachbarn ab, wie im Gespräch mit Ex-Brigadegeneral Haris Nawaz deutlich wurde.

„Zunächst möchte ich klarstellen, dass Pakistan seine nuklearen Anlagen – unsere strategischen Anlagen – ausschließlich zu Abschreckungs- und Verteidigungszwecken entwickelt hat. Wir verfolgen keine Angriffspläne und wollen sie auch nicht einsetzen. Wir haben sie gebaut, um ein strategisches Gleichgewicht zwischen Indien und Pakistan in Südasien zu schaffen.“ Indien müsse sich heute gut überlegen, ob es überhaupt eine Aggression gegen Pakistan in Erwägung ziehe.

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Kaschmir als nuklearer Krisenherd

Auch in der jüngsten Eskalation in Kaschmir, die nach dem Test einer atomwaffenfähigen ballistischen Rakete den Abschuss mehrerer indischer Kampfjets umfasste, ist Nawaz der Meinung, dass Pakistan sich stets um die Wahrung des Friedens in der Region bemüht habe. Sein Nachbar Indien hingegen stelle eine Bedrohung für Frieden und Stabilität dar.

„Indien griff Pakistan – eine Atommacht – auf der Grundlage einer inszenierten Operation unter falscher Flagge an und erwies sich damit als verantwortungslose und unreife Atommacht.“ Pakistan sei geduldig geblieben, selbst beim ersten Drohneneinsatz. Erst der Raketenabschuss habe eine Reaktion hervorgerufen.

Darauf startete Pakistan die Operationen „Standhafte Struktur“ und „Krieg der Gerechtigkeit“. Beides seien „erfolgreiche Präzisionsschläge“ von Luftwaffe und Bodentruppen gewesen. „Innerhalb von 6 Stunden war Indien in die Knie gezwungen“, gibt Nawas an.

Doch erwies sich Pakistan damit als verantwortungsvolle Atommacht, oder wollte man sich lediglich den nächsten Eskalationsschritt vorbehalten?

„Atommächte müssen einen Krieg vermeiden“

„Unsere Atomwaffen dienen ausschließlich der Sicherung unseres Überlebens. Sollte Indien jemals eine Schwelle überschreiten, die Pakistans nationales Überleben auf dem Spiel setzt, sind diese Waffen zu diesem Zweck da. Wir halten eine solche Situation jedoch für unwahrscheinlich, da unsere Boden-, Luft- und Seestreitkräfte kompetent und fähig genug sind, Indien einzudämmen und auf konventionellem Wege ausreichend Schaden anzurichten, um eine Deeskalation zu erzwingen.“

Er bezog sich damit auf Pakistans Raketentechnologie und darauf, dass das gesamte Gebiet Indiens in Reichweite konventioneller und nicht konventioneller Waffen liegt. Dennoch verfolge man keine Angriffsabsichten: „Atommächte müssen einen Krieg vermeiden, denn sobald ein solcher Krieg beginnt, weiß niemand, wie er enden oder wie er eskalieren wird.“

Mit der wachsenden internationalen Anerkennung von Kaschmir als nuklearem Krisenherd wachse zugleich das Bewusstsein, dass beide Länder zusammenkommen und sämtliche Streitigkeiten beilegen müssten. Dies schließt den historischen Grenzkonflikt in Kaschmir ein, der in die Kolonialzeit zurückreicht.

Aktivisten der Pakistan Markazi Muslim League nehmen am 28. Mai 2025 in Karatschi, Pakistan, an einer Kundgebung zum „Youm-e-Takbeer” teil, der als Nationalfeiertag des Landes zum Gedenken an die Atomtests der Serien Chagai-I und Chagai-II begangen wird. Foto: Rizwan Tabassum/AFP via Getty Images

Die Sicherheit pakistanischer Atomwaffen

Pakistan bemühe sich stets und in wechselnden Regierungen zu versichern, dass die Sicherheit der pakistanischen Atomwaffen auch gegen Übergriffe im Land garantiert sei, so der Brigadegeneral.

Aber in verschiedenen Regionen von Pakistan sind islamistische Gruppierungen wie al-Qaida aktiv, die es auf die nuklearen Waffenarsenale des Landes abgesehen haben. So kam es unter anderem 2009 zu einem direkten Angriff auf das Hauptquartier der pakistanischen Armee.

Nawas gibt hingegen an, dass Pakistan über eines der strengsten und modernsten Kommando- und Kontrollsysteme der Welt verfüge. „Alle Sicherheitsmaßnahmen werden im Rahmen der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) umgesetzt, und diese hat die Stärke unseres Systems wiederholt bestätigt. Selbst die Amerikaner und die IAEO erkennen öffentlich an, dass Pakistan über einen der effektivsten und sichersten nuklearen Kommando- und Kontrollmechanismen verfügt.“

Die Streitkräfte Pakistans tragen die volle Verantwortung für den Schutz dieser Vermögenswerte. Nawas weist darauf hin, dass es im Gegensatz zu Indien noch nie einen einzigen Vorfall von Diebstahl oder Leckage von Nuklearmaterial gab.

Für den Brigadier im Ruhestand steht es zudem „außer Frage, dass Pakistan diese strategischen Vermögenswerte an ein anderes Land überträgt – nicht an den Iran, nicht an Afghanistan, an sonst niemanden“.

Was aber, wenn sich innerhalb des Militärs islamistische Sympathisanten befänden? Ob die Sicherheitssysteme dem standhalten, dazu konnte Ex-General­leutnant Amjad Shoaib Genaueres berichten.

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Sicherheitssystem ohne externe Schnittstellen

Das gut koordinierte Sicherheitssystem wurde vollständig im eigenen Land entwickelt und der Zugriff sei auf wenige autorisierte Personen beschränkt. Und das, obwohl die USA Unterstützung und ihr Sicherheitssystem anboten. Pakistan habe sich bewusst gegen ein ausländisches System entschieden, „da solche Systeme externe Schnittstellen haben können, die gehackt oder kompromittiert werden können“.

Amjad Shoaib, der mittlerweile über 80-jährige General­leutnant im Ruhestand, ist weiterhin als militärischer Analyst tätig.

Alle Codes und Passwörter sind nach seiner Angabe vollständig geschützt. Entscheidungen über ihre Verwendung werden vom National Command Authority getroffen, die Vermögenswerte selbst verbleiben jedoch in der Obhut der Abteilung für strategische Planung.

„Diese Codes werden nicht an Regierungen oder politische Behörden weitergegeben, da Regierungen wechseln – heute ein Premierminister, morgen ein anderer.“ Das National Command Center gewährleistet hingegen Kontinuität und Kontrolle. „Es handelt sich stets um politische Entscheidungen, die im National Command Center nach einem klar definierten Verfahren getroffen werden.“

Der berühmte „rote Knopf“ wie im Weißen Haus fehlt. Damit ist zugleich ausgeschlossen, dass ein einzelner Mensch eine solche Entscheidung jemals allein treffen kann. „Es gibt mehrere Codes, die an verschiedene Beamte verteilt sind und gemeinsam nacheinander angewendet werden müssen. Daher ist die Möglichkeit, dass die Taliban oder andere Gruppen auf diese Anlagen zugreifen, gleich null.“

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Sicherheit durch Nuklearcodes

Auch die Lager der Atomwaffen, tief in den Bergen und nur durch Tunnel erreichbar, sind mit maximaler Sicherheit geschützt. Der ehemalige Militärgeneral weist darauf hin, dass im jüngsten Iran-Israel-Konflikt nukleare Anlagen und Lagerstätten angegriffen wurden.

„Wir sind uns völlig im Klaren darüber, dass der Feind im Falle eines zukünftigen Krieges zunächst versuchen wird, Pakistans nukleare Lagerzentren oder Trägersysteme anzugreifen. Deshalb haben wir ihre Sicherheit mit mehreren Schutzebenen gewährleistet – so stark, dass selbst Bomben oder Raketen ihnen nichts anhaben können.“

Shoaib führt weiter aus: „Die Bombe einer Atomwaffe [kann] zwar an einem Ort gelagert werden, ihr Auslösesystem und der Reaktionsinitiator jedoch separat in anderen Einrichtungen mit eigenen Sicherheitscodes. Werden beide nicht zusammengeführt, ist die Bombe nutzlos und kann nicht funktionieren.“

Nach einer kurzen Pause fügt er an: „Ich selbst habe es bis zum Generalleutnant gebracht, hatte aber nie Zugang zu Nuklearcodes oder sensiblen Informationen über diese Systeme.“

Der Zugriff auf diese Sicherheitssysteme sei streng auf eine sehr kleine Gruppe verantwortlicher Beamter der Abteilung für strategische Planung beschränkt. „Selbst im Falle einer Meuterei besteht also keine Möglichkeit, dass jemand auf diese Waffen zugreifen oder sie missbrauchen könnte.“ Nach Angaben Beteiligter ist Pakistans nukleares Sicherheitssystem sowohl aus technischer als auch aus operativer Sicht eines der sichersten der Welt.

Doch inwieweit gilt dieser verantwortungsvolle Umgang auch auf der anderen Seite der Grenze?

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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