Wie Viktor Orbán die Geburtenkrise in Ungarn stoppen will

In Kürze:
- Die demografische Krise betrifft auch Ungarn.
- In den vergangenen 15 Jahren unterstützte die Regierung Familien mit mehr als 30 Maßnahmen.
- Die neueste Maßnahme ist einzigartig: lebenslange Einkommensteuerbefreiung für Mütter mit zwei oder mehr Kindern.
- Die Regierung von Viktor Orbán lehnt Migration als Lösung der Krise ab.
- Es bleibt abzuwarten, ob diese Maßnahmen langfristig wirksam sind.
„Gute Idee.“ Mit diesen zwei Wörtern reagierte Elon Musk im Frühjahr auf die ungarische Familienpolitik, die seitdem international immer mehr Beachtung findet. Ungarns Regierung hatte im März angekündigt, dass Mütter mit einem Kind bis zu ihrem 30. Lebensjahr keine Einkommensteuer zahlen müssen. Mütter mit zwei oder mehr Kindern sollten zudem in der Zukunft auch begünstigt werden.
Mit diesen Maßnahmen plant Budapest, den demografischen Problemen Europas eine eigene Antwort entgegenzusetzen. Die Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán weist regelmäßig darauf hin, dass sie Einwanderung nicht als Lösung für die Krise betrachtet.
Die nächsten Parlamentswahlen in Ungarn sind für April 2026 angesetzt. Kritiker der neuesten Maßnahmen sprechen deshalb von einer Wahlkampfstrategie von Orbán. Sie sehen darin nicht nur eine soziale, sondern auch eine politische Strategie, mit der er seine Wählerschaft langfristig binden will.
Inzwischen befinden sich die Pläne schon in der Umsetzung, begleitet von weiteren weitreichenden Maßnahmen der Regierung. Zsófia Koncz, Staatssekretärin für Familien im Ministerium für Kultur und Innovation, erklärte Ende vergangenen Jahres, dass die Regierung Familien bereits mit 30 verschiedenen Unterstützungsmaßnahmen fördert. Nachfolgend ein Blick auf jene Maßnahmen, die in Europa und weltweit zunehmend Aufmerksamkeit erregen.
Einkommensteuerfreiheit für Mütter auf Lebenszeit
Bereits seit 2020 sind ungarische Mütter mit vier oder mehr Kindern von der Einkommensteuer befreit. Seit dem 1. Oktober sind nun auch Mütter mit drei Kindern von dieser Steuer befreit – auf Lebenszeit.

Die Regierung plant, bis 2029 die Steuerfreiheit schrittweise auf alle Mütter mit zwei Kindern auszuweiten. Foto: romrodinka/iStock
Der Einkommensteuersatz in Ungarn beträgt 15 Prozent des Bruttogehalts. Nehmen wir zum Beispiel Katalin, eine 40-jährige Lehrerin aus der Großstadt Debrecen. Sie hat drei Kinder – 15, zwölf und acht Jahre alt – und verdient rund 635.564 Forint brutto im Monat, also etwa 1.600 Euro. Laut Angaben des ungarischen Statistikamts entspricht dies dem durchschnittlichen Bruttolohn von Frauen im ersten Halbjahr 2025.
Seit dem 1. Oktober muss sie auf ihr Einkommen keine Einkommensteuer mehr zahlen. Das bedeutet, dass Katalin monatlich 95.335 Forint, also rund 240 Euro, mehr auf ihrem Konto behält – etwa so viel, wie sie bislang für die monatliche Kreditrate ihres Autos zahlte. Auf ein Jahr gerechnet spart sie rund 2.880 Euro.
Wenn man zusätzlich die Familiensteuergutschriften berücksichtigt, bleiben einer Familie wie der von Katalin mit drei Kindern etwa 2,94 Millionen Forint (rund 7.500 Euro) mehr im Haushaltsbudget pro Jahr. Das entspricht etwa 38 Prozent ihres Jahresbruttogehalts.
Laut der Regierung ist diese Regelung weltweit einzigartig. Der Clou: Der Anspruch gilt lebenslang, auch wenn die Kinder längst erwachsen sind. Um die Befreiung zu erhalten, genügt eine einfache Erklärung, kein aufwendiger Antrag. Auch bei adoptierten Kindern gilt die Begünstigung, sofern die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Diese Vergünstigungen für Mütter stehen auch alleinerziehenden Müttern sowie Frauen zu, die in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft leben. Voraussetzung für den Anspruch ist, dass das Kind tatsächlich im eigenen Haushalt erzogen wird.
Die für 2026 geplanten Ausgaben für Familienförderung entsprechen rund 5 Prozent des ungarischen BIP, was laut Außenminister Péter Szijjártó der höchste Wert in der OECD ist. Zwischen 2026 und 2029 plant die Regierung, die Steuerfreiheit schrittweise auf Mütter mit zwei Kindern auszuweiten. Bis 2029 soll die Zahl der begünstigten Mütter auf über 1 Million steigen.
Familienwohnungsförderung – 50.000 Euro Restschuld erlassen?
Für viele junge Familien in Ungarn ist das Programm CSOK (Familienwohnförderung) zum Synonym für den Traum vom eigenen Zuhause geworden. Die Initiative, die 2015 gestartet wurde, bot ursprünglich staatliche Wohnbeihilfe von bis zu 10 Millionen Forint (rund 25.500 Euro) für Familien mit drei Kindern.
2025 wurde das Programm unter dem Namen „CSOK Plusz“ reformiert. Im neuen System ist das Risiko eines finanziellen Scheiterns deutlich geringer. Zuvor mussten Ehepaare die im Voraus gewährte – faktisch geschenkte – Unterstützung in der Regel zurückzahlen, wenn die geplante Kinderzahl nicht erreicht wurde.
Nun bietet die Regierung ein spezielles Darlehen bei einem festen Zinssatz von 3 Prozent für verheiratete Paare an, die die festgelegten Mindestanforderungen erfüllen. Dies kann für den Kauf, Neubau oder Ausbau von gebrauchten oder neuen Wohnungen verwendet werden – bei einem Eigenanteil von 10 Prozent.

Für viele junge Familien in Ungarn ist das Programm CSOK (Familienwohnförderung) zum Synonym für den Traum vom eigenen Zuhause geworden. Foto: ElenaNichizhenova/iStock
Wie funktioniert CSOK Plusz in der Praxis? Betrachten wir ein typisches Beispiel: Anna und Tibor, ein junges Ehepaar aus der Grenzstadt Sopron, erwarten ihr zweites Kind und möchten ein Haus mit Garten kaufen. Sie entscheiden sich, das neue CSOK Plusz zu beantragen. Abhängig von der geplanten Kinderzahl – maximal drei – können Paare Kredite in Höhe von 15 Millionen Forint (etwa 38.200 Euro), 30 Millionen Forint (etwa 76.500 Euro) oder sogar 50 Millionen Forint (etwa 127.400 Euro) mit einer Laufzeit zwischen zehn und 25 Jahren erhalten.
Anna und Tibor planen drei Kinder und erhalten daher ein zinsvergünstigtes Darlehen von 50 Millionen Forint. Eine Besonderheit: Nach der Geburt jedes Kindes kann die Rückzahlung für ein Jahr ausgesetzt werden. Wenn das zweite Kind zur Welt kommt, erlässt der Staat 10 Millionen Forint (etwa 25.500 Euro) der Restschuld, beim dritten Kind sogar noch einmal dieselbe Summe.
Solche Erleichterungen können beim Erwerb einer Immobilie einen großen Unterschied machen, vor allem weil sich die aktuellen Zinsen für Hypothekendarlehen in Ungarn laut Regierungsangaben um 6,5 bis 8 Prozent bewegen. Allerdings hängt die tatsächliche Erschwinglichkeit stark davon ab, ob das Paar in Budapest oder in einer kleineren Stadt wohnen möchte.

In der ungarischen Hauptstadt liegt der durchschnittliche Quadratmeterpreis derzeit bei rund 1,16 Millionen Forint (etwa 2.950 Euro), während Immobilien in ländlichen Regionen deutlich günstiger sind. Foto: Artur Bogacki/iStock
Fallstricke, Strafzinsen
Die Regierung hat für den Kauf der ersten gemeinsamen Wohnung eine Obergrenze von 80 Millionen Forint (etwa 203.700 Euro) festgelegt. Beim Umzug in eine neue, größere Immobilie darf der Kaufpreis bis zu 150 Millionen Forint (etwa 378.000 Euro) betragen. In Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern gilt dagegen keine Begrenzung, was hauptsächlich Familien auf dem Land zugutekommt.
Auch das neue Programm hat seine Fallstricke. So darf eine geförderte Immobilie vor Ablauf der im Vertrag festgelegten Laufzeit grundsätzlich nicht ohne Zustimmung des Staates verkauft werden. Außerdem kann die Förderung zurückgefordert werden, wenn die Bedingungen der neuen Wohnung nicht mehr den ursprünglichen Fördervoraussetzungen entsprechen.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Strafzinsen. Wenn das begünstigte Ehepaar gegen die Vertragsbedingungen verstößt, entfällt nicht nur der Zinszuschuss, sie müssen die erhaltene Förderung samt Strafzinsen zurückzahlen. Zwar sind solche Klauseln bei Vertragsverletzungen nicht unüblich, doch im Fall dieser Förderprogramme kann bereits eine Scheidung, ein geänderter Kinderwunsch oder ein Umzug ins Ausland – wenn das Paar die geförderte Immobilie nicht mehr als Hauptwohnsitz nutzt – als Vertragsbruch gelten.
Baby-Willkommensdarlehen: Der Kredit, der sich in ein Geschenk verwandeln kann
In Ungarn existieren auch weitere Förderprogramme, die nicht an Wohnzwecke gebunden sind. Eines der bekanntesten ist der sogenannte „Babaváró“-Kredit („Baby-Willkommensdarlehen“). Dabei handelt es sich um ein Darlehen von bis zu 11 Millionen Forint (etwa 28.000 Euro), das von jungen Ehepaaren beantragt werden kann. Dieses Programm wird auch häufig mit CSOK Plusz kombiniert und kann sogar beim Wohnungskauf als Eigenanteil verwendet werden.
Wenn das erste Kind innerhalb von fünf Jahren nach der Kreditaufnahme geboren wird, bleibt dieses Darlehen bis zum Ende der Laufzeit zinsfrei. Die Rückzahlung wird nach der Geburt jedes Kindes für drei Jahre ausgesetzt. Kommt ein zweites Kind zur Welt, übernimmt der Staat 30 Prozent der verbleibenden Schuld. Bei der Geburt eines dritten Kindes wird die gesamte Restschuld erlassen, wodurch sich das Darlehen vollständig in eine staatliche Förderung verwandelt.
Bleibt der Kinderwunsch jedoch unerfüllt und wird innerhalb von fünf Jahren kein Kind geboren, wandelt sich das Darlehen in einen gewöhnlichen Privatkredit mit marktüblichen Zinsen um.
Den Bevölkerungsrückgang nicht durch Migration stoppen
Die „Financial Times“ wies im Sommer 2024 darauf hin, dass Orbán viel Wert auf Familienförderung lege, weil er den Bevölkerungsrückgang nicht durch Migration stoppen wolle. „Er wurde weithin des offenen Rassismus beschuldigt, nachdem er 2022 gesagt hatte: ‚Wir wollen kein Mischvolk werden‘“, heißt es in dem Artikel.
Der politische Chefberater des Ministerpräsidenten, Balázs Orbán, bestätigte in einem X-Beitrag vom 20. Juli die Haltung der Regierung, wonach Familienpolitik und nicht Migration die Antwort auf die demografische Krise der westlichen Welt sei.
„Ungarn hat sich entschieden, nicht durch Zuwanderung, sondern durch umfassende familienpolitische Maßnahmen [auf diese Herausforderung] zu reagieren“, schrieb er. Gleichzeitig betonte er, dass „in dieser Frage ein grundlegender Wertunterschied zwischen uns und den Liberalen besteht“.
Letztere wollten seiner Auffassung nach die demografischen Probleme durch Masseneinwanderung lösen. „Wir halten diesen Ansatz für eine Sackgasse“, so Orbán weiter. Nur durch die Stärkung der Familie könne man „den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die kulturelle Identität unseres Landes bewahren“.
Ist Ungarns Strategie erfolgreich?
Seit der Einführung der ersten Programme im Jahr 2010 hat sich die Geburtenrate in Ungarn in der Tat deutlich verbessert. Damals hatte Ungarn die niedrigste Geburtenrate in der EU. 2023 erreichte das Land schließlich mit einer Fertilitätsrate von 1,55 Kindern pro Frau den dritten Platz, hinter Frankreich und Bulgarien.
Laut nationalen Statistiken sank die Geburtenrate jedoch seitdem und lag im Jahr 2024 bei nur noch 1,39. Im ersten Halbjahr 2025 schwankte sie monatlich zwischen 1,2 und 1,4. Dies entspricht eher dem EU-Durchschnitt. Genau deswegen hat die Regierung das CSOK-Programm reformiert.
Zsófia Koncz, Staatssekretärin für Familien, erklärte im März 2025: „Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Wegen, das Familiensystem zu erweitern. Es ist ein flexibles, sich entwickelndes Modell – und wir werden es weiter stärken.“

„Ungarn hat gerade seine regionalen Geburtenraten für 2024 veröffentlicht. Sie reichen von 1,04 Kindern pro Frau in Budapest bis zu über 1,7 im Nordosten des Landes. Ungarn weist einen der ausgeprägtesten Kontraste zwischen Stadt und Land unter den Industrieländern auf“, steht in einem X-Post von „Birth Gauge“, einer Open-Source-Datenplattform zur Nachverfolgung globaler Geburtentrends, vom 18. Juli. Foto: Bildschirmaufnahme/X/Birth Gauge
Weltweit ist die durchschnittliche Geburtenrate von etwa fünf Kindern pro Frau in den 1960er-Jahren auf heute 2,25 gesunken. Laut den Vereinten Nationen liegt die Geburtenrate in mehr als der Hälfte aller Länder inzwischen unter 2,1 Kindern pro Frau – jener Rate, die notwendig wäre, um die Bevölkerungszahl ohne Zuwanderung stabil zu halten.
In Deutschland lag die Geburtenrate im Jahr 2024 bei 1,35, was den niedrigsten Wert seit 20 Jahren darstellt, wobei die Zahl für Frauen mit deutscher Staatsbürgerschaft sogar noch niedriger ist.
Ob das ungarische Modell den Rückgang der Geburtenrate langfristig aufhalten kann, bleibt also noch abzuwarten – doch international hat es bereits jetzt große Aufmerksamkeit und Interesse auf sich gezogen.
Vor seiner Wahl zum US-Vizepräsidenten hat JD Vance die von Budapest eingeführten familienpolitischen Maßnahmen gelobt. Er hat vorgeschlagen, dass die Vereinigten Staaten das ungarische Modell übernehmen sollten.
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