„Wir bekommen nichts“: Unmut über Zollpakt – wie EU und USA ihn unterschiedlich interpretieren

In Kürze:
- Präsident Macron kritisiert, dass Europa „nicht genug gefürchtet“ werde.
- Brüssel betont: Die Einigung mit den USA ist rechtlich nicht bindend.
- Washington spricht von Milliardeninvestitionen und einem „kompletten Durchbruch“.
- Gefährdungsfeststellung und Klimazölle als Sprengfalle für den Zolldeal?
Wenige Tage nach dem Abschluss des Zolldeals zwischen der EU und den USA macht sich unter den Europäern immer noch Enttäuschung breit. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron führt das Ergebnis der Verhandlungen darauf zurück, dass die Europäische Union „nicht genug gefürchtet“ worden sei.
Wie „Euractiv“ unter Berufung auf zwei Teilnehmer berichtet, äußerte sich Macron am Mittwochmorgen, 30. Juli, erstmals vor dem Ministerrat zu der Grundsatzvereinbarung. Dabei sagte er:
„Um frei zu sein, musst du gefürchtet werden, und uns hat man nicht genug gefürchtet.“
Bayrou-Sprecherin beschwert sich über Golfplatz – Breton wird zum „Deal-Leugner“
Europa sieht sich Macron zufolge „noch nicht in ausreichendem Maße als Macht“. Es gelte jetzt, „unermüdlich zu arbeiten“, um die Beziehungen zu den USA wieder in eine Balance zu bringen. Auch sein Premierminister François Bayrou zeigte sich enttäuscht über die „Unterwerfung“, wie er die Vereinbarung nannte. Seine Sprecherin Sophie Primas nahm auch Anstoß am „ungewöhnlichen“ Austragungsort der Verhandlungen:
„Wir hätten es vorgezogen, wenn diese Verhandlungen in einem offiziellen Rahmen und nicht auf einem privaten Golfplatz in Schottland stattgefunden hätten.“
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Der bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Ungnade gefallene frühere Industriekommissar Thierry Breton bestreitet gar, dass es überhaupt eine Vereinbarung gibt. In einem Interview äußerte er, ein Abkommen entstehe erst, wenn beide einverstanden seien. Gegenüber „RTL France“ sagte er über die Absprache:
„Bei einem Deal geht es um beiderseitiges Geben und Nehmen. Aber was bekommen wir? Wir bekommen nichts.“
Erklärung: Abkommen „rechtlich nicht bindend“ – einige Details sind noch zu klären
Bis zum Ende der Woche soll der offizielle Text des Rahmenabkommens stehen. Allerdings sind einige Details noch offen. Zu Spekulationen geben auch die Erklärungen der USA und der EU zu dem Deal Anlass. Sie unterscheiden sich in einigen Nuancen.
Die am Dienstag veröffentlichte Äußerung der EU-Kommission legt sogar Wert auf die Feststellung, dass das „politische Abkommen“ zwischen US-Präsident Donald Trump und der EU-Kommissionspräsidentin „rechtlich nicht bindend“ sei. Zu Beginn der Erklärung heißt es:
„Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, und US-Präsident Donald J. Trump haben sich auf ein Abkommen über Zölle und Handel geeinigt.“
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Im Anschluss an die Feststellung, dass die politische Vereinbarung „rechtlich nicht bindend“ sei, heißt es am Schluss:
„Neben den zugesagten Sofortmaßnahmen werden die EU und die USA im Einklang mit ihren einschlägigen internen Verfahren weiter über die vollständige Umsetzung des politischen Abkommens verhandeln.“
Trump: „Noch nie da gewesener Marktzugang zur EU“
Auch US-Präsident Donald Trump veröffentlichte – bereits am Montag – ein „Faktenblatt“ zum Zolldeal. In diesem spricht er von einem „historischen, umfassenden Handelsvertrag“. Dieser werde „die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt grundlegend neu ausbalancieren“.
Trump spricht von einer „generationsübergreifenden Modernisierung des transatlantischen Bündnisses“. Der Deal werde „den Amerikanern einen noch nie da gewesenen Marktzugang zur Europäischen Union ermöglichen“.
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Die USA sprechen von einem pauschalen Zollsatz von 15 Prozent, um die Handelsbilanz zwischen beiden Partnern auszugleichen. Darüber hinaus blieben die 50-prozentigen Sonderzölle auf Stahl, Aluminium und Kupfer bestehen. Die EU hingegen spricht von einer einheitlichen „Zollobergrenze“, die zuvor verhängte Sonderzölle ablösen soll. Für einige Industriegüter werde das eine Rückkehr zu den „Pre-January“-Zöllen bedeuten.
Brüssel sieht Energiezusagen nur als Ersatz für russisches Gas
Was die 50-Prozent-Zölle anbelangt, heißt es vonseiten Brüssels, man wolle „mit vereinten Kräften den Stahl-, Aluminium- und Kupfersektor vor unlauterem und wettbewerbsverzerrendem Wettbewerb schützen“. Die weltweiten Überkapazitäten bedrohten die Industrie in der EU und den USA gleichermaßen.
Die EU und die USA würden, so heißt es weiter, „Zollkontingente für EU-Ausfuhren auf historischem Niveau festlegen und die derzeitigen Zölle von 50 Prozent senken“. Gleichzeitig werde man „gemeinsam einen fairen globalen Wettbewerb gewährleisten“.
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Im Factsheet betonte Trump noch einmal die von der EU zugesagten Investitionen von 600 Milliarden Euro in den USA und Energieimporte im Wert von 750 Milliarden US-Dollar bis zum Jahr 2028. Außerdem weisen die USA auf europäische Zusagen zum Ankauf von US-Militärausrüstung hin. Von diesen steht in der Erklärung der EU nichts.
Diese weist auf Energieimporte von 750 Milliarden Euro bis zum Jahr 2029 hin – „als Ersatz für russisches Gas“. Auch hier erweckt die Erklärung nicht zwingend den Eindruck, als unbedingt verpflichtend wahrgenommen zu werden. Beobachter hatten bereits angemerkt, dass die zugesagte Menge größer wäre, als es der heutigen Summe aller EU-Energieimporte aus allen anderen Ländern entspräche.
Zolldeal berührt auch Digital- und Landwirtschaft: EU gibt sich zurückhaltend
Das Factsheet des Weißen Hauses zählt auch den Zugang zum EU-Markt für landwirtschaftliche und industrielle Exporte zu den wesentlichen Erfolgen des Abkommens. Die Erklärung der EU betont wiederum den Schutz sensibler Bereiche wie Rindfleisch und Geflügel. Eine Marktöffnung werde es nur für nicht sensitive Produkte über Zollkontingente (TRQs) geben.
In der Trump-Mitteilung wird auf ein aus Sicht der EU besonders sensibles Thema eingegangen. So heißt es dort:
„Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union beabsichtigen, ungerechtfertigte digitale Handelshemmnisse zu beseitigen. In diesem Zusammenhang bestätigt die Europäische Union, dass sie keine Netznutzungsentgelte einführen oder beibehalten wird. Darüber hinaus werden die Vereinigten Staaten und die Europäische Union keine Zölle auf elektronische Übertragungen erheben.“
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Die USA hatten vor allem die extensiven europäischen Regulierungen für die Digitalwirtschaft als nicht tarifäre Handelshemmnisse kritisiert. Dazu zählen Bestimmungen wie die Datenschutz-Grundverordnung, der Digital Markets Act und der Digital Services Act. Die Amerikaner sahen darin potenzielle Instrumente, um Zensur zu üben oder amerikanischen Big-Tech-Konzernen Hindernisse in den Weg zu legen.
EPA-Vorstoß zur „Gefährdungsfeststellung“ als Trigger für Klimazölle?
Die EU sagt in ihren Ausführungen einen Abbau nicht tarifärer Handelshemmnisse zu. Dabei nennt sie die Zusammenarbeit bei Normen für Kraftfahrzeuge. Aber auch beim Gesundheits- und Pflanzenschutz und bei der Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung von Konformitätsbewertungen in weiteren Industriesektoren sieht man Potenziale. Die EU wolle außerdem KI-Chips im Wert von 40 Milliarden EUR kaufen. Diese seien für die „Aufrechterhaltung des technologischen Vorsprungs der EU“ unerlässlich.
Trotz des Hinweises auf die Notwendigkeit der Vereinbarung von Detailregelungen käme ein Scheitern des Zolldeals überraschend. Die meisten Industrie- und Wirtschaftsverbände sehen in diesem eine Einigung, die zwar in vielen Bereichen schmerzhaft sei, aber Schlimmeres verhindert habe. So hätten EU-Exporteuren in den USA Zölle von mindestens 30 Prozent gedroht, wäre die Vereinbarung nicht zustande gekommen.
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Ein möglicher Risikofaktor für ein Scheitern in letzter Minute wären mögliche Klimazölle als Sonderzölle der EU angesichts der jüngsten Nachrichten aus den USA. So hatte die US-Umweltschutzbehörde EPA am 29. Juli vorgeschlagen, ihre seit Langem bestehende „Gefährdungsfeststellung“ aufzuheben.
Diese stellte rechtsverbindlich fest, dass zwischen den Emissionen einzelner Kraftfahrzeuge und dem Klimawandel ein Zusammenhang bestehe. Sie bildet die rechtliche Grundlage für viele Vorschriften zur Bekämpfung des Klimawandels – insbesondere für die Autoindustrie. Die EU könnte einen solchen Schritt als Aufhänger für Gegenmaßnahmen betrachten. Würde Brüssel US-Fahrzeuge dem „Carbon Border Adjustment Mechanism“ (CBAM) unterwerfen, könnte dies den Zollkonflikt neu anfachen.
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