Zwischen Regenbogen und Rosenkranz: Wer wird neuer polnischer Präsident?

In einer Stichwahl wählen die Polen heute einen neuen Präsidenten. Die letzten Umfragen vor der Abstimmung lassen eine knappe Wahl erwarten. Der Liberale Rafal Trzaskowski und der Konservative Karol Nawrocki liegen praktisch gleichauf.
Gewinnt der Warschauer Oberbürgermeister Trzaskowski, dann hat der pro-europäische Regierungschef Donald Tusk einen Parteifreund und starken Verbündeten im Präsidentenpalast, der ihn bei seinem Reformkurs unterstützen wird.
Setzt sich der parteilose Historiker Nawrocki durch, dann hat Tusk mit seinem EU-freundlichen Kurs schlechte Karten. Nawrocki wird von der PiS unterstützt, Polens größter Oppositionspartei. Nawrocki könnte mit seinem Vetorecht Gesetzentwürfe blockieren und die bisher starke Unterstützung Polens für die Ukraine in Frage stellen.
Die Wahllokale schließen um 21:00 Uhr. Unmittelbar danach wird das Ergebnis einer Wählernachbefragung erwartet. Das endgültige Ergebnis dürfte erst am Montag feststehen.
Liberale Städter, konservative Landbewohner
Die Vorstellungen darüber, wie sich Polen positionieren soll, gehen innerhalb der Bevölkerung stark auseinander. Die erste Wahlrunde hat gezeigt: Der liberale Trzaskowski hat seine Wähler vorwiegend in den Städten.
Der 53-jährige Warschauer Stadtoberste setzt sich für die Rechte der LGBT-Community ein, spricht fünf Fremdsprachen und ist aus seiner Zeit als stellvertretender Außenminister international gut vernetzt.
Auf dem Land wächst die Zahl derer, die das Gefühl haben, dass ihre Interessen bei dem rasanten Wandel der Gesellschaft auf der Strecke bleiben.
Viele Anhänger von Karol Nawrocki sagen, sie wollten „Normalität“. Sie meinen die Rückkehr zu einem traditionellen, katholisch geprägten Familienbild. Und sie wollen weniger Europa, weniger Migration und mehr Nation.

Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt in Polen tritt der liberale Rafal Trzaskowski (l) gegen den Konservativen Karol Nawrocki an. Foto: Jarek Praszkiewicz/PAP/Attila Husejnow/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa
Polen in Deutschland
Für die Abstimmung ließen sich in Deutschland 115.000 Bürger mit polnischer Staatsbürgerschaft registrieren, um in einem der 54 Wahllokale im Bundesgebiet ihre Stimme abgeben zu können. Das teilte die polnische Botschaft in Berlin mit. Das Interesse ist deutlich größer als bei der Präsidentschaftswahl 2020, damals waren es rund 70.000 Wahlberechtigte.
Die Möglichkeit einer Briefwahl für polnische Bürger im Ausland gibt es nicht. Bürger mit polnischem Pass oder zwei Staatsbürgerschaften, die ihre Stimme im Ausland abgeben wollen, mussten sich vorab registrieren lassen – über eine Homepage oder persönlich in einem der polnischen Konsulate.
[etd-related posts=“5143423,5136363″]
Die meisten Anmeldungen gab es mit 48.000 Menschen im Konsularbezirk Köln, der für Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland zuständig ist. Im Konsularbezirk Berlin waren es demnach mehr als 19.000 Registrierungen.
Angst vor dem Verlust der Souveränität
Der 42-jährige Nawrocki warnte im Wahlkampf, die EU wolle aus Polen einen „Landkreis mit polnischstämmiger Bevölkerung“ machen und dem Land die Souveränität nehmen.
Ein weiterer Faktor bei dieser Wahl ist Politikverdrossenheit. Viele Menschen haben genug davon, dass der Kampf zwischen dem 68-jährigen Donald Tusk und dem 75-jährigen Jaroslaw Kaczynski seit mehr als 20 Jahren die Politik ihres Landes bestimmt.
Das sei eine Erklärung dafür, dass in der ersten Wahlrunde mehr als 21 Prozent der Wähler für zwei rechte Kandidaten gestimmt hätten, sagte Agnieszka Lada-Konefal vom Deutschen Polen-Institut. „Das war die Rote Karte für diese beiden Herren. Besonders die jungen Wähler finden sich da nicht mehr wieder.“

Eine Frau mit einem rosa Hut geht am 31. Mai 2025 in Sopot, Polen, an Wahlkampfplakaten vorbei, die die Kandidaten Rafal Trzaskowski und Karol Nawrocki zeigen. Foto: Sean Gallup/Getty Images
Slawomir Mentzen und Grzegoz Braun schieden in der ersten Wahlrunde aus. Viele ihrer Anhänger sind Protestwähler, deren Verhalten in der Stichwahl schwer abzuschätzen ist. Die Annahme ist, dass ein Großteil von ihnen Nawrocki die Stimme geben wird.
Militärische Drehscheibe im Ukraine-Krieg
Polen ist seit 2004 Mitglied der EU. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat das Land mit seinen 37,5 Millionen Einwohnern ein stetiges Wirtschaftswachstum hingelegt. Seit 2015 hat sich das Durchschnittseinkommen mehr als verdoppelt, derzeit liegt es bei umgerechnet 2.113 Euro.
Polens Rolle als NATO-Partner hat sich durch den Ukraine-Krieg verändert. Das Land ist eine wichtige logistische Drehscheibe für die Militärhilfe des Westens für Kiew.
Polen fühlt sich selbst von Russland bedroht und rüstet massiv auf. In diesem Jahr will es 4,7 Prozent von seinem Bruttoinlandsprodukt für Verteidigung ausgeben. Seine Streitkräfte zählen 206 000 Soldaten, deutlich mehr als die Bundeswehr. (dpa/afp/red)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion