Brüsseler Milliardenspiel: So viel teurer wird der EU-Fahrplan für Deutschland

In Brüssel laufen die Vorbereitungen für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union – den Haushalt für die Jahre 2028 bis 2034. Die Dimensionen dieses Haushalts sind beachtlich. 2 Billionen Euro soll der neue Finanzrahmen schwer sein, rund 800 Milliarden Euro mehr als im aktuellen Zeitraum 2021 bis 2027. Die EU-Kommission spricht in einer Pressemitteilung von einem notwendigen Schritt angesichts multipler Krisen – Krieg, Klimawandel, Digitalisierung, Migration und strategische Autonomie. Doch für Deutschland, traditionell größter Nettozahler der EU, droht der geplante Haushaltsrahmen, zum finanziellen Kraftakt mit politischem Sprengstoff zu werden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärt dazu in einer Pressemitteilung:
Unser neuer langfristiger Haushalt wird dazu beitragen, die europäischen Bürgerinnen und Bürger zu schützen, das europäische Sozialmodell zu stärken und unsere europäische Industrie gedeihen zu lassen.“
In einer „Zeit geopolitischer Instabilität“ werde der Haushalt es Europa ermöglichen, sein „eigenes Schicksal im Einklang mit seinen Visionen und Idealen zu gestalten“, so von der Leyen weiter. Ein „Budget, das Frieden und Wohlstand fördert und unsere Werte fördert“, sei das „beste Werkzeug“, das man in diesen unsicheren Zeiten haben kann.
Deutschland zahlt – und verliert?
Deutschland, traditionell der größte EU-Nettozahler, könnte nun laut einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) der große Verlierer des neuen Haushaltsentwurfs sein. Der deutsche Beitrag könnte ab 2028 dann auf bis zu 450 Milliarden Euro steigen. Das wären jährlich rund 64,3 Milliarden Euro, mehr als doppelt so viel wie in den vergangenen Jahren. Der neue Haushalt würde Deutschland im Extremfall also fast ein Viertel der gesamten EU-Ausgaben kosten.
Die Zeitung beruft sich bei ihren Angaben auf neue Zahlen der Kommission zur Vergabe der EU-Mittel und Berechnungen zur Entwicklung der nationalen Beiträge, die der Zeitung vorliegen. Öffentlich einsehbar sind die Zahlen allerdings nicht. Zum Vergleich: 2023 zahlte Deutschland rund 29,9 Milliarden Euro an Brüssel und erhielt rund 14 Milliarden Euro zurück.
[etd-related posts=“5188333″]
Besonders kritisch: Gleichzeitig soll nach dem Kommissionsvorschlag weniger Geld nach Deutschland zurückfließen. Nach aktuellen Berechnungen, die sich aus den nicht öffentlichen Zahlen der Kommission ergeben, könnten zwischen 2028 und 2034 insgesamt nur rund 100 Milliarden Euro aus Brüssel kommen. Das wären etwa 14,3 Milliarden Euro pro Jahr. Nimmt man die jährlich rund 64,3 Milliarden Euro, die aus Deutschland an die EU überwiesen werden, und rechnet die rund 14,3 Milliarden Euro gegen, die dann im Jahr aus Brüssel kommen, ergibt sich ein fatales Bild: Pro Jahr müsste Deutschland etwa 50 Milliarden Euro mehr an die Europäische Union überweisen, als es zurückbekommt.
Zwar könne Deutschland mit 68,4 Milliarden Euro aus dem neuen Fördertopf für nationale und regionale Partnerschaftspläne rechnen, insbesondere für Landwirte und strukturschwache Regionen, doch andere Rückflüsse aus Brüssel sind schwer vorherzusagen. Fördermittel für Forschung, Digitalisierung oder Infrastruktur hängen von erfolgreichen Anträgen ab und können nicht vorab national zugeordnet werden.
Sollten die Zahlen der FAZ zutreffen, würde das Kosten-Nutzen-Verhältnis für Deutschland deutlich schlechter ausfallen als bisher. Das belastet nicht nur die politische Debatte, sondern ruft auch schon die ersten Bundesländer auf den Plan. So fürchtet Bayern eine Schwächung seiner regionalen Förderhoheit und warnt vor einer „Entmachtung“. Bayerns Europaminister Eric Beißwenger (CSU) macht in einer Pressemitteilung klar:
Der Vorschlag der EU-Kommission für den neuen EU-Finanzrahmen für die Jahre 2028 bis 2034 ist für Bayern absolut nicht akzeptabel.“
Die Pläne entmachteten die „Regionen in der Regional- und Strukturpolitik zugunsten der Nationalstaaten“, so Beißwenger weiter. Speziell kritisiert der Europaminister die geplanten Kürzungen der EU-Kommission im Bereich der Agrar- und Strukturförderung, insbesondere die 20-prozentige Reduzierung des Budgets der Gemeinsamen Agrarpolitik. Diese Maßnahmen seien für ländliche Regionen und bäuerliche Familienbetriebe nicht hinnehmbar. Positiv bewertet er hingegen den Erhalt der einkommenswirksamen Direktzahlungen und den geplanten Abbau bürokratischer Detailvorgaben zugunsten wirksamerer Nachhaltigkeitsstandards.
Rabatte weg – Einnahmen unsicher
Zwei Faktoren könnten sich am Ende als Bumerang für Deutschland erweisen. Erstens sollen die sogenannten Beitragsrabatte – ein Nachlass auf die Zahlungen einiger Nettozahler wie Deutschland, Österreich oder der Niederlande – komplett abgeschafft werden. Bisher musste Deutschland nicht den vollen Beitrag zum EU-Haushalt zahlen, sondern bekam einen sogenannten Rabatt, also einen Preisnachlass, weil es besonders viel einzahlt. Auch Länder wie Österreich und die Niederlande profitieren davon. Damit soll nun nach dem Willen der EU Schluss sein. Die Bundesbank schrieb schon im Monatsbericht vom April 2020 unter dem Titel „Der EU-Haushalt und seine Finanzierung: Rückschau und Ausblick“ über die Pläne der EU:
„Die Europäische Kommission regt überdies an, sämtliche Rabatte abzuschaffen und die Erhebungskostenpauschale der Traditionellen Eigenmittel auf 10 Prozent zu halbieren. Der Britenrabatt entfällt mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU ohnehin. Die verbleibenden Rabatte will die Europäische Kommission innerhalb von fünf Jahren schrittweise abschmelzen, damit die Nettobelastung der betroffenen Länder nur nach und nach steigt.“
Zweitens ist vollkommen unklar, ob die EU künftig tatsächlich eigene Einnahmen generieren kann, um die nationalen Beiträge der Mitgliedstaaten spürbar zu entlasten. Zwar plant die EU-Kommission zusätzliche Einnahmequellen, etwa durch den Emissionshandel, eine CO₂-Grenzabgabe, eine Abgabe auf Elektroschrott sowie einen größeren Anteil an den Zolleinnahmen, doch diese Vorschläge sind umstritten und ihre Umsetzung alles andere als sicher.
[etd-related posts=“5185428 „]
Der Europäische Rechnungshof wies schon 2023 in einer Stellungnahme ausdrücklich darauf hin, dass viele dieser sogenannten Eigenmittel rechtlich und politisch unsicher sind. Konkrete Pläne zur Umsetzung fehlen teilweise noch, und selbst beschlossene Instrumente wie der neue CO₂-Grenzausgleich bergen Risiken, etwa mögliche Handelskonflikte mit Drittstaaten. Auch die geplante Elektroschrottabgabe oder die Ausweitung des Emissionshandels auf Gebäude und Verkehr müssen erst in einem komplexen Gesetzgebungsverfahren beschlossen und in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Ob und wann diese Einnahmen tatsächlich zur Verfügung stehen, ist daher vollkommen offen.
EU möchte eigene Steuern erheben
Besonders kontrovers werden zwei Vorschläge im Zusammenhang mit dem geplanten EU-Haushaltsrahmen gesehen: eine neue EU-Unternehmenssteuer für Firmen mit mehr als 100 Millionen Euro Jahresumsatz sowie ein EU-Anteil an den nationalen Tabaksteuern. Zusammen sollen sie jährlich über 65 Milliarden Euro bringen. Doch gerade in Berlin regt sich Widerstand. Die Bundesregierung lehnt beide Vorhaben ab – aus Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit und Steuerautonomie. Das machte Bundeskanzler Friedrich Merz auf der Pressekonferenz zu seinem Antrittsbesuch beim britischen Premierminister Keir Starmer in der vergangenen Woche deutlich. Auf die EU-Pläne angesprochen, sagt Merz:
Was aus meiner Sicht nicht infrage kommt, ist eine Besteuerung der Unternehmen durch die Europäische Union.“
Dafür, so der Kanzler, fehle es der EU an der rechtlichen Legitimität. Er könne „das für Deutschland ausschließen, dass wir einen solchen Weg mitgehen“.
Kritik an den Plänen der Kommission kommt auch aus Baden-Württemberg. „Der Vorschlag der EU-Kommission für eine neue EU-Unternehmenssteuer ab 100 Millionen Euro Umsatz ist der falsche Weg zur Finanzierung des europäischen Haushalts“, lässt sich Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) in einer Pressemitteilung zitieren. Die Steuer würde ausgerechnet jene Firmen treffen, „die Europa derzeit durch schwierige Zeiten tragen“, und damit die Wettbewerbsfähigkeit massiv schwächen.
Allein in Baden-Württemberg wären laut Hoffmeister-Kraut rund 1.500 Unternehmen betroffen. Sie begrüßte daher, dass auch die Bundesregierung die Pläne ablehnt: „Gut, dass auch die Bundesregierung diesen Vorschlag ablehnt und damit deutlich gemacht hat, dass es mit ihr keine EU-eigene Unternehmenssteuer geben wird.“
[etd-related posts=“5192607″]
Statt neuer Belastungen fordert sie einen klaren wirtschaftspolitischen Kurswechsel auf EU-Ebene. Brüssel solle sich auf „wachstumsfreundliche Rahmenbedingungen, Investitionen in Schlüsseltechnologien und den Abbau bürokratischer Lasten“ konzentrieren. Ihr Appell an die EU: „Gerade jetzt braucht Europa ein klares Signal für unternehmerische Dynamik.“
Die Uhr tickt
Bis Ende 2027 muss der neue EU-Haushalt stehen, sonst fehlen ab 2028 die rechtlichen Grundlagen für sämtliche EU-Ausgaben. Doch der Weg dorthin ist kompliziert. Zunächst muss das Europäische Parlament zustimmen, anschließend braucht es im Rat die Einstimmigkeit aller Mitgliedstaaten. Besonders heikel ist die Einnahmenseite. Neue EU-Eigenmittel, etwa über CO₂-Abgaben oder Sondersteuern, müssen nicht nur im Rat einstimmig beschlossen, sondern auch in jedem Mitgliedstaat nach den jeweiligen Verfassungsregeln ratifiziert werden. Die Kommission will den Prozess beschleunigen, doch der Zeitdruck wächst.
In der Vergangenheit waren die Verhandlungen über den EU-Haushalt von zähen Auseinandersetzungen und politischem Druck geprägt. Besonders deutlich zeigte sich das bei dem Mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 und dem Corona-Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“. Damals blockierten Ungarn und Polen die Verabschiedung des gesamten Haushalts, um die Einführung einer Rechtsstaatlichkeitsklausel zu verhindern. Erst nach wochenlangen Krisengesprächen und einem Kompromiss auf höchster Ebene konnte die Blockade Ende 2020 gelöst werden.
Auch dieses Mal ist mit harten Verhandlungen zu rechnen – und mit Blockaden einzelner Länder, die nationale Interessen durchsetzen wollen. Ohne Einstimmigkeit im Rat kommt kein Haushalt zustande.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion